LG Köln 2 O 292/19
Anspruch auf Rückerstattung einer Reservierungsgebühr für ein Grundstück

07.09.2022

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

LG Köln
26.08.2021
2 O 292/19
BeckRS 2021, 32772

Leitsatz | LG Köln 2 O 292/19

  1. Eine im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag über eine Immobilie geschlossene Reservierungsvereinbarung ist notariell zu beurkunden, weil diese zum Zwecke eines späteren Kaufvertrags geschlossene Vereinbarung eine rechtliche Einheit mit dem Kaufvertrag bildet.
  2. Überschreitet eine Reservierungsgebühr im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag über eine Immobilie 10 % einer üblichen Maklerprovision, 5.000 € absolut oder 0,3 % des Kaufpreises, begründet sie für den Fall der Nichtveräußerung oder des Nichterwerbs ins Gewicht fallende Nachteile und solchen Druck oder Zwang, dass sie ohne notarielle Beurkundung unwirksam ist.

Sachverhalt | LG Köln 2 O 292/19

Die Beklagten waren Eigentümer eines Grundstücks und einigten sich mit dem Kaufinteressenten, dem Kläger, auf einen Kaufpreis i.H.v. 1.200.000,00 € und eine Reservierungsgebühr i.H.v. 10.000,00 €.
In der vom Kläger formulierten „Reservierungsvereinbarung“ hieß es: „Der Käufer verpflichtet sich eine Reservierungsgebühr in Höhe v. € 10.000 für den Kauf des Anwesens […] zu hinterlegen. Sollte bis zum 31.12.2018 kein Kauf zum vereinbarten Preis v. 1.200.000 € erfolgen verfällt diese Reservierungsgebühr zu Gunsten des Verkäufers. Bei rechtzeitigem Kauf wird die Gebühr auf den vereinbarten Kaufpreis angerechnet. […]“ Nachdem die Parteien diese Reservierungsvereinbarung unterzeichneten, überwies der Kläger die vereinbarte Reservierungsgebühr. Dem anschließend vom Kläger beauftragten Notar, teilte der Kläger mit, dass es sich um einen völlig normalen Grundstückskaufvertrag handele mit der einzigen Besonderheit, dass eine Reservierungsgebühr gezahlt  wurde. Der Reservierungsvertrag wurde nicht notariell beurkundet.
Nachdem mehrere Beurkundungstermine nicht stattfanden, veräußerten die Beklagten das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag an einen Dritten.

Der Kläger meint, die Reservierungsvereinbarung sei formnichtig und daher unwirksam und der Vertragsabbruch sei von den Beklagten zu vertreten. Daher verlangt er Rückzahlung der Reservierungsgebühr und der Notarkosten von den Beklagten.

Entscheidung | LG Köln 2 O 292/19

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung der Reservierungsgebühr i.H.v. 10.000,00 € aus § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Fall BGB, da die Reservierungsvereinbarung mangels notarieller Beurkundung gem. §§ 125 S. 1, 311 b Abs. 1 S. 1 BGB formnichtig und damit unwirksam ist.

Gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, der notariellen Beurkundung. Die Verpflichtung zur Nichtveräußerung oder des Nichterwerbs ist ausnahmsweise beurkundungsbedürftig, wenn sie gleichsam nur die Kehrseite der positiven Verpflichtung darstellt, das Grundstück an den Vertragspartner zu verkaufen. Die Beurkundungspflicht erstreckt sich auf die Gesamtheit der Verträge und Vereinbarungen, sofern eine rechtliche Einheit vorliegt. Maßgeblich ist hierfür der Parteiwille, dass die Verträge miteinander „stehen und fallen“ sollen. Ein Kaufvertrag über eine Immobilie und eine in diesem Zusammenhang geschlossene Reservierungsvereinbarung bilden eine solche rechtliche Einheit, da diese Vereinbarung gerade zum Zwecke des späteren Kaufvertrags geschlossen wird. Die Parteien hatten vorliegend bei Abschluss der Reservierungsvereinbarung die Absicht, einen späteren Kaufvertrag zu schließen.

Ein Formbedürfnis liegt vor, wenn Vereinbarungen getroffen werden, die für den Fall der Nichtveräußerung oder des Nichterwerbs ins Gewicht fallende Nachteile vorsehen und so einen Druck oder Zwang begründen, wobei ein mittelbarer Zwang genügt. Eine Reservierungsgebühr löst einen solchen Zwang aus, wenn diese 10% einer üblichen Maklerprovision überschreitet oder ein unangemessener Druck vorliegt, der absolut bei 5.000,00 € oder relativ bei 0,3% des Kaufpreises liegt. Der Formzwang gilt somit auch für einen Vertrag, mit dem über die Vereinbarung eines empfindlichen Nachteils ein mittelbarer Zwang ausgeübt werden soll, Immobilien zu erwerben oder zu veräußern. Die vom Kläger geleistete Reservierungsgebühr von 10.000,00 € übersteigt sogar 20% der üblichen Maklerprovision, die 4,02% des Kaufpreises beträgt, vorliegend also 48.240,00 €. Der unangemessene Druck liegt hier gerade in der Aussicht, dass der Käufer die Summe je nach eigenem Verhalten entweder nutzlos aufgewandt haben oder rückvergütet zu bekommen.

Eine Beurkundungspflicht der Reservierungsvereinbarung ergibt sich zuletzt daraus, dass gesetzliche Formvorschriften nicht disponibel sind und die Rechtssicherheit gewahrt werden muss. Wären Vorverträge über Grundstückskaufverträge formlos möglich, würde der Sinn und Zweck der Beurkundungspflicht aus § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB unterlaufen werden und diese Formvorschrift wäre praktisch wirkungslos.  

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Rückzahlung der Notarkosten aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311, 241 Abs. 2 BGB. Die vom Kläger gemachten Notarkosten sind auf eigene Gefahr und im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Notar auch bereits aufgrund des ersten Kaufvertragsentwurfs entstanden. Die Beklagten hatten einen triftigen Grund, vom Vertragsschluss Abstand zu nehmen, da der Kläger immer weiter eigenständige Änderungen vornahm und Termine verschob.

Praxishinweis | LG Köln 2 O 292/19

Die Beurkundungspflicht aus § 311 b Abs. 1 S. 1 BGB erstreckt sich auf alle Verträge, die eine rechtliche Einheit mit dem Grundstückskaufvertrag bilden. Eine solche rechtliche Einheit liegt vor, wenn die Verträge nach dem Parteiwillen nicht getrennt voneinander bestehen, sondern miteinander „stehen und fallen“ sollen. Weitere Ausführungen zu dieser Thematik finden sich in dem Aufsatz von Heckschen/Herzog, NotBZ 2019, 14 ff.