OLG Koblenz 12 U 1566/19
Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil

02.11.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Koblenz
15.06.2020
12 U 1566/19
BeckRS 2020, 14198 = NJW-Spezial 2020, 488

Leitsatz | OLG Koblenz 12 U 1566/19

Zuwendungen, die ein Erblasser zu Lebzeiten tätigt, sind auf den Pflichtteil des Empfängers nur dann anzurechnen, wenn bei der Zuwendung die Anrechnung angeordnet wurde. Spätere Anordnungen gehen insoweit in die Leere.

Sachverhalt | OLG Koblenz 12 U 1566/19

Der Erblasser tätigt zu Lebzeiten Schenkungen an ein Kind. Nach dem Tod macht das Kind Pflichtteilsansprüche geltend. Die Erbengemeinschaft verweist darauf, dass sich die Pflichtteilsberechtigte die Schenkungen, die sie erhalten habe, anrechnen lassen müsse. Im Prozess lässt sich nicht beweisen, dass der Erblasser eine derartige Anrechnung angeordnet hatte.

Entscheidung | OLG Koblenz 12 U 1566/19

Das OLG Koblenz weist darauf hin, dass eine Anrechnung nur dann erfolgt, wenn vor der Schenkung oder bei der Schenkung der Erblasser eine solche angeordnet hat, § 2315 BGB. Eine derartige Anordnung sei von der Erbengemeinschaft, die sich auf eine derartige Pflichtteilsanrechnung berufe, zu beweisen. Werde die Anordnung erst in einem später errichteten Testament oder anderweitig festgelegt, so gehe diese Anordnung in die Leere.

Praxishinweis | OLG Koblenz 12 U 1566/19

Sehr häufig werden Schenkungen im Wege der sog. Handschenkung ohne Mitwirkung des Notars getätigt. Über die Thematik der Anrechnung auf den Pflichtteilsanspruch wird gar nicht nachgedacht. Etwaige Widerrufsrechte für derartige Schenkungen werden nicht geregelt und Störfallvorsorge wird nicht betrieben. Schenkungen gelten als unproblematisch und den Gang zum juristischen Berater schlagen die Beteiligten häufig nicht ein. Dies führt regelmäßig zu Rechtsstreitigkeiten und dem Gefühl der anderen Erben, dass hier große Ungerechtigkeit herrsche, weil es doch selbstverständlich sei, dass man sich Schenkungen anrechnen lassen muss. Eben dies ist aber nicht der Fall, weil das BGB hier eindeutig fordert, dass die Anordnung vor oder bei der Schenkung ausgesprochen wird. Eine derartige Anordnung lässt sich im Nachhinein nicht mehr treffen und ist, wenn sie nicht ausdrücklich erfolgt ist, häufig nicht zu beweisen. Wesentliche Schenkungen sollten stets mit juristischer Beratung erfolgen. Anrechnungsregelungen, Ausgleichsanordnungen, Störfallvorsorge, ggf. auch Pflichtteilsverzichte angesichts der Schenkung müssen diskutiert und dann auch juristisch einwandfrei formuliert werden.