BGH V ZR 73/18
Angaben „ins Blaue hinein“ erfordern zur Begründung von Arglist stets Eventualvorsatz

15.04.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
14.06.2019
V ZR 73/18
NotBZ 2020, 28

Leitsatz | BGH V ZR 73/18

  1. Erklärungen des fachkundigen Verkäufers „ins Blaue hinein“, das Kaufobjekt fachgerecht errichtet zu haben, begründen nicht schon deshalb eine den Haftungsausschluss gem. § 444 BGB aufhebende Arglist, weil dieser unbewusst von geltenden DIN-Vorschriften und anerkannten Vorschriften abgewichen ist.
  2. Erforderlich ist zur Annahme von Arglist zumindest das Vorliegen eines Eventualvorsatzes hinsichtlich der Unrichtigkeit der getätigten Erklärung.

Sachverhalt | BGH V ZR 73/18

 

Der Verkäufer hat mit den Käufern im Jahr 2010 einen notariellen Vertrag über den Verkauf eines im Jahr 1988 durch den Verkäufer eigens errichteten Einfamilienhauses unter Einbeziehung der üblichen Regelung zum Ausschluss von Sachmängelrechten geschlossen.

Den Vertragsparteien sowie einem durch die Käufer beauftragten Sachverständigen war vor Abschluss des Vertrages ein Wasserfleck an der Rückwand der Garage aufgefallen. Der Verkäufer klebte den Fleck mehrmals mit einer Bitumen-Schweißbahn ab, was zu einem vorübergehenden Abtrocknen führte. Nachdem die Bitumen-Schweißbahn sich wieder löste, traten die Feuchtigkeitsflecke erneut auf.

Der Käufer führte später eigens ein Beweissicherungsverfahren mit dem Ergebnis durch, dass der Verkäufer eine bereits im Jahr 1993 nicht den geltenden DIN-Vorschriften und anerkannten Regeln der Technik entsprechende Drainage verwendet hatte.

Der Käufer verlangt mit der Begründung Schadenersatz, die Bekundung des Verkäufers, er habe die Abdichtungsarbeiten fachgerecht und den DIN-Vorschriften entsprechend ausgeführt, stelle einen Fall von Arglist dar. Der Verkäufer könne sich aufgrund seiner Angaben „ins Blaue hinein“ folglich nicht auf den vertraglichen Sachmangelrechtsausschluss gem. § 444 BGB berufen.

 

Entscheidung | BGH V ZR 73/18

Die Vorinstanzen führten das Vorliegen eines die Arglist begründenden Eventualvorsatzes des Verkäufers auf zwei Aspekte zurück. Zum einen habe es sich dem fachkundigen Verkäufer aufdrängen müssen, dass die Mangelursache eine andere als das mehrmalige fehlerhafte Verkleben der Bitumen-Schweißbahn hätte sein müssen. Zum anderen habe der Verkäufer entgegen seiner Fachkenntnis vorsätzlich falsche Angaben hinsichtlich der DIN-Vorschriften zur Drainage und Abdichtung des Hauses gemacht.

Der BGH weist die durch die Vorinstanzen angebrachten, einen Eventualvorsatz begründenden Aspekte zurück. Erforderlich sei für die Annahme eines solchen Eventualvorsatzes die tatsächliche Erweisbarkeit von Zweifeln des Verkäufers an der Richtigkeit seiner Aussage über die Mangelursache. Der lediglich fehlerhafte Rückschluss des Verkäufers, der Mangel resultiere aus dem fehlerhaften Verkleben der Bitumen-Schweißbahn, sei zur Begründung eines die Arglist begründenden Eventualvorsatzes gerade nicht ausreichend. Vielmehr müsse der Verkäufer das Vorliegen einer anderen Mangelursache zumindest für möglich gehalten haben.

Selbes gelte für die Aussage des Verkäufers hinsichtlich der DIN-Vorschriften. Erforderlich sei für die Annahme einer arglistigen Täuschung i.S.d. § 444 BGB auch hier Vorsatz oder Eventualvorsatz. Der Verkäufer müsse bei Angaben „ins Blaue hinein“ zumindest mit der Unrichtigkeit seiner Ausführungen zu den DIN-Vorschriften gerechnet haben. Nicht ausreichend sei die bloße Unterstellung, der Verkäufer habe aufgrund seiner Fachkenntnis mit der Unrichtigkeit seiner Angaben rechnen müssen.

Praxishinweis | BGH V ZR 73/18

An dieser Stelle ist insbesondere auf die Schwierigkeit hinzuweisen, welche sich aus der Nachweispflicht des Käufers hinsichtlich des Vorliegens von Arglist auf Seiten des Verkäufers ergibt. Ratsam ist aufgrund der für den Käufer von gebrauchten Immobilien schwierigen Überwindung des Sachmängelausschlusses gem. § 444 BGB die umfassende vorherige Untersuchung des Kaufgegenstandes.