OLG Saarbrücken 5 W 62/21
Anforderungen an ein Brieftestament

16.02.2023

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Saarbrücken
23.11.2021
5 W 62/21
ErbR 2022, 599

Leitsatz | OLG Saarbrücken 5 W 62/21

  1. Zu den Anforderungen an ein sog. „Brieftestament“ (hier verneint).
  2. Ein privatschriftliches Testament kann grundsätzlich auch in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Brief enthalten sein (i.A. an BayObLG).

Sachverhalt | OLG Saarbrücken 5 W 62/21

Unter Bezugnahme auf eine notarielle Urkunde beantragten zwei Beteiligte die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins über die jeweils hälftige Beerbung der Erblasserin, wobei sie zur Begründung ihres Erbrechts ein Schreiben der Erblasserin vorlegten. In diesem teilte die Erblasserin folgendes mit: „Ich möchte mich für die liebevolle Aufnahme am 1. Weihnachtstag recht herzlich bedanken. […] Im neuen Jahr gehe ich mit Toni zum Notar; Ihr allein sollt meine Erben sein. Meine Patin kümmert sich überhaupt nicht um mich, da ist jede Verbindung abgebrochen. […]“

Es war ferner ein Beurkundungstermin bei einem Notar vereinbart worden, bei dem ua. das im Entwurf vorgelegte Testament beurkundet werden sollte, in dem die Beteiligten jeweils hälftig zu Erben berufen werden sollten.

Die als bisherige Erben eingesetzten Beteiligten haben der Erteilung des Erbscheins widersprochen, ua. mit der Begründung, das Schreiben könne nicht als Testament angesehen werden, da es an der Ernsthaftigkeit der Erbeinsetzung fehle. Es bestünden auch formal Zweifel an der Gültigkeit des Schreibens als Testament.

Entscheidung | OLG Saarbrücken 5 W 62/21

Das Schreiben kann bei der gebotenen – engen – Auslegung unter Berücksichtigung auch aller weiteren Umstände nicht als letztwillige Verfügung angesehen werden, sondern bestenfalls als Ankündigung.

Das Nachlassgericht hat im Ausgangspunkt völlig zutreffend angenommen, dass ein privatschriftliches Testament grundsätzlich auch in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Brief enthalten sein kann. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn die niedergelegte Erklärung des Erblassers, nicht nur den formalen Anforderungen des § 2247 BGB genügt, sondern auch auf einem ernstlichen Testierwillen des Erblassers beruht. Ob ein solcher ernstlicher Testierwille vorgelegen hat, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen. Ferner sind an den Nachweis des Testierwillens bei einem Brieftestament strenge Anforderungen zu stellen.

In diesem Fall sprachen der Entwurf der Urkunde und das Schreiben der Erblasserin für einen Testierwillen ihrerseits, allerdings sah wohl die Erblasserin selbst die Notwendigkeit eines notariell beurkundeten Testaments und ging davon aus mit dem Schriftstück noch nicht rechtsgültig testiert zu haben. Nachdem schon der Wortlaut des Briefes nicht eindeutig ist, danach vielmehr eine – durch entsprechende spätere Handlungen belegte – bloße Ankündigung, notariell testieren zu wollen, zumindest nahe liegt, verblieben durchgreifende Zweifel daran, dass die Erblasserin bei Abfassung des Schreibens zumindest das Bewusstsein hatte, dass diese Urkunde als ihr Testament angesehen werden könnte.

Praxishinweis | OLG Saarbrücken 5 W 62/21

Bei der rechtlichen Bewertung eines Brieftestaments ist insbesondere auf dessen Form und den Testierwillen des Erblassers zu achten. Dabei sind an den zu ermittelnden Testierwillen strenge Anforderungen zu stellen. Sofern der Testierwille des Erblassers aus dem Schriftstück oder den Umständen der Errichtung nicht zweifelsfrei erkennbar ist, kann dies zu einer Unwirksamkeit des Testaments führen.