OLG Düsseldorf I-6 U 225/16
Analoge Anwendung des § 179a AktG auf Personengesellschaften

03.04.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
23.11.2017
I-6 U 225/16
NZG 2018, 297 = ZIP 2018, 72

Leitsatz | OLG Düsseldorf I-6 U 225/16

1. Eine analoge Anwendung von § 179a AktG auf Personengesellschaften kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn der Gesellschaftsvertrag zu den Mehrheitserfordernissen bei dem in Rede stehenden Beschlussgegenstand keine Regelung enthält (Rn. 63) (Orientierungssatz juris).

2. Die Grundsätze über die gesellschaftlichen Treuepflichten gelten auch bei Publikumspersonengesellschaften in der Rechtsform der KG und finden auf qualifizierte Treugeber dann Anwendung, wenn deren Rechtsstellung aufgrund der engen Verzahnung von Gesellschaftsvertrag und Treuhand auf dem Gesellschaftsvertrag und nicht bloß auf einer schuldrechtlichen Abrede mit der Gesellschaft beruht (BGH v. 05.02.2013 - II ZR 134/11; BGH v. 05.02.2013 - II ZR 136/11) (Rn. 67) (Orientierungssatz juris).

3. Lässt sich anders als durch eine alsbaldige Veräußerung des Fondsobjekts eine dringend notwendige Rückführung der lediglich gestundeten und somit bei Widerruf der Stundung seitens der Bank wieder fälligen Verbindlichkeiten nicht realisieren und damit am Ende auch eine Inanspruchnahme der persönlich haftenden Gesellschafter nicht vermeiden, können die Gesellschafter unter Treuepflichtgesichtspunkten zur Mitwirkung an der schnellstmöglichen Veräußerung durch Erteilung ihrer Zustimmung verpflichtet sein (Rn. 72) (Orientierungssatz juris).

Sachverhalt | OLG Düsseldorf I-6 U 225/16

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses. Die Beklagte, eine Publikums-KG, an der die Klägerin treuhänderisch beteiligt ist. Der Unternehmensgegenstand der Klägerin ist der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Immobilien. Einziges Anlageobjekt ist ein verpachtetes Hotel. Den Erwerb des Objekts hatte die Beklagte finanziert. Nach Auslauf der Zinssicherung konnte keine Nachfinanzierung gefunden werden und auch eine Ablösung durch Gesellschafterdarlehen kam nicht zustande, sodass die Finanzierungsgläubigerin den Darlehensvertrag kündigte und Rückzahlung verlangte. Die Geschäftsführer fanden einen Investor, der das Objekt erwerben wollte und luden daraufhin zu einer Gesellschafterversammlung, in der über den Verkauf abgestimmt werden sollte. Eine knappe, einfache Mehrheit stimmte für den Verkauf. Gegen diesen Beschluss wendete sich die Klägerin.

Entscheidung | OLG Düsseldorf I-6 U 225/16

Das OLG Düsseldorf wies die Berufung zurück. Zwar hätte der Beschluss einer ¾ Mehrheit bedurft, allerdings könne sich die Klägerin nicht auf die Unwirksamkeit berufen, da sie verpflichtet gewesen wäre, der Veräußerung zuzustimmen.

Grundsätzlich gelte gem. § 119 Abs. 1 HGB das Einstimmigkeitsprinzip, welches aber dispositiv sei. Der Gesellschaftsvertrag enthalte keine konkrete Regelung zum Beschlussinhalt. Er enthält aber Regelungen, die bei bestimmten Beschlussinhalten entweder eine einfache oder qualifizierte Mehrheit vorsehen. Die Veräußerung des Anlageobjekts lasse sich jedoch nicht mit Gewissheit unter eine bestimmte Regelung subsumieren. § 179a AktG sei allerdings entsprechend anwendbar. Zum einen befänden sich die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft in einer vergleichbaren Situation. Zum anderen sei anerkannt, dass von § 179a AktG auch ein einzelner Vermögensgegenstand erfasst sein kann. Dazu dürfte entweder der Unternehmensgegenstand mit dem verbliebenen Betriebsvermögen nicht mehr weiterverfolgt werden können (sog. qualitativer Betrachtung) oder der Gesellschaft zwar Vermögensgegenstände zur Weiterverfolgung des Unternehmensgegenstandes verbleiben, diese aber nur einen geringen Teil des Gesellschaftsvermögens ausmachen (sog. quantitative Betrachtung). Beides treffe im vorliegenden Fall zu, denn einzige Tätigkeit der Beklagten sei das Halten und Verpachten der Immobilie und der Verkaufserlös werde wohl lediglich zur Tilgung des Darlehens ausreichen.

Wegen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, die zur Rücksichtnahme auf Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter verpflichtet, sei die Klägerin aller-dings verpflichtetet gewesen, dem Beschluss zuzustimmen. Die Treuepflicht bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalles, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Abwägung der beteiligten Interessen. Insbesondere begründe eine wirtschaftliche Schieflage mit drohender Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft, die Treuepflicht zur Ergreifung von dringenden Maßnahmen, um eine Insolvenz abzuwenden. Hier war die Situation alternativlos. Trotz intensiver Bemühungen konnte das Darlehen nicht neu- bzw. umfinanziert werden. Bei längerem Warten hätte der Überziehungszins auch das Restvermögen weiter gemindert. Außerdem drohte die persönliche Inanspruchnahme der persönlich haftenden Gesellschafter. Der Klägerin war die Veräußerung deshalb auch zumutbar.

Zuletzt sei der Beschluss nicht gem. § 125 S. 1 BGB nichtig, da eine notarielle Beurkundung nicht notwendig war. Gesetzlich ist keine Beurkundungspflicht für Beschlüsse von Personengesellschaften vorgesehen. Eine entsprechende Anwendbarkeit von § 130 Abs. 1 AktG bzw. § 53 Abs. 2 GmbHG komme nicht in Betracht, denn es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke. Auch der Gesellschaftsvertrag enthalte keine solche Pflicht.

Praxishinweis | OLG Düsseldorf I-6 U 225/16

Die analoge Anwendung des § 179a AktG ist auch bei der GmbH anerkannt. Im Gegensatz zur GmbH ist der Zustimmungsbeschluss jedoch nicht beurkundungsbedürftig. Weitnauer (GWR 2018, 1, 4 f.) schlussfolgert aus der Entscheidung darüber hinaus, dass auch das Ausführungsgeschäft, wenn keine Übertragung in „Bausch und Bogen“ stattfinde, nicht beurkundet werden müsse. Dies ist allerdings nicht empfehlenswert, da dies umstritten ist und somit das Risiko der Nichtigkeit des Vertrages besteht. Über die in § 311 Abs. 3 BGB vorgeschriebene notarielle Form kann nicht durch einfache Vertragsgestaltung disponiert werden. Zudem ist die von Weitnauer angeführte BGH-Rechtsprechung veraltet durch die heutigen wirtschaftlichen Veränderungen.