BGH V ZB 67/19
Amtspflichtverletzung des Notars durch gebührenträchtigere Gestaltung

31.12.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
01.10.2020
V ZB 67/19
ZNotP 2021, 90

Leitsatz | BGH V ZB 67/19

  1. Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 GNotKG liegt nur bei einem offen zutage tretenden Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder bei einem offensichtlichen Versehen des Notars sowie dann vor, wenn der Notar von mehreren gleich sicheren Gestaltungsmöglichkeiten die teurere wählt. (Rn. 5)
  2. Die getrennte Beurkundung von Grundstückskaufvertrag und Auflassung stellt keine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 GNotKG dar; dies gilt auch, wenn der Notar die Beteiligten nicht über kostengünstigere andere Gestaltungsmöglichkeiten belehrt. (Rn. 21)

(amtliche Leitsätze)

 

Sachverhalt | BGH V ZB 67/19

Die Parteien stritten über die Berechnung von Notarkosten. Am 02.05.2014 gab die Kostenschuldnerin bei einem Notar in Bonn ein beurkundetes Angebot ab, das auf den Kauf einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung in Berlin gerichtet war. Die Auflassung sollte nach Übereinkommen der Vertragsparteien erst nach vollständiger Entrichtung des Kaufpreises und Abnahme des Sondereigentums erfolgen. Die Kostenschuldnerin bevollmächtigte zudem den Bauträger der Immobilie, die Auflassung in ihrem Namen zu erklären und entgegenzunehmen. Das Angebot wurde vom Verkäufer am 07.05.2014 förmlich angenommen.

Der Kostengläubiger erhob für seine Leistung nach GNotKG KV 21102 eine Gebühr in Höhe von 685,00 €, welche sich neben Bescheinigungsgebühr, Auslagen und Umsatzsteuer auf insgesamt 877,51 € belief.

Die Kostenschuldnerin wehrte sich erfolglos gegen die Erhebung dieser Gebühr in erster Instanz vor dem LG Berlin und beantragte, die Kostenberechnung gerichtlich aufzuheben. Nachdem das LG diesen Antrag ablehnte, bestritt die Klägerin den Rechtsweg zum KG Berlin. Das KG Berlin gab der Beschwerde statt und entschied, die Berechnung aufzuheben. Nach Ansicht der Beschwerdeinstanz seien die erhobenen Gebühren Ausdruck einer unrichtigen Sachbehandlung gemäß § 21 GNotKG. Das Vorliegen einer unrichtigen Sachbehandlung begründete das Kammergericht damit, dass die Kostenschuldnerin nicht hinreichend über die Vor- und Nachteile einer getrennten Vornahme von Angebot und Auflassung unterrichtet worden sei. Der Kostengläubiger hätte die Kostenschuldnerin angesichts verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere auf Mehrkosten hinweisen müssen. Indem er dies unterließ, verletzte er nach Ansicht des KG seine Amtspflichten aus § 17 Abs. 1 Satz 2 BeurkG. Nur wenn der Kostenschuldner übereinstimmend die zwar sicherere aber auch höhere Kosten verursachende Variante wählt, dürften entsprechende Gebühren erhoben werden. Dagegen erhob der Kostengläubiger wiederum Rechtsbeschwerde vor dem BGH.

Entscheidung | BGH V ZB 67/19

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet und nach der Rspr. des BGH ist die Kostenberechnung nicht zu beanstanden. In der Entscheidung vom 01.10.2020 verneinen die Richter das Vorliegen einer unrichtigen Nachbehandlung i.S.d. § 21 GNotKG. Dies sei tatbestandlich bei einem Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen erfüllt und ergebe sich zum Beispiel, wenn der Notar aus gleichsam sicheren Alternativen die teurere wählt.

Im vorliegenden Falle könne eine unrichtige Nachbehandlung jedoch nicht angenommen werden, da sich bereits aus dem vertraglichen Übereinkommen zwischen dem Kostenschuldner und dem Bauträger ergebe, dass Annahme und Auflassung getrennt durchgeführt werden sollten. Der BGH führt dazu weiter aus, dass sich die notariellen Belehrungspflichten auf die rechtliche Wirkung einer Erklärung beschränken. Er muss die Parteien grundsätzlich nicht über den Inhalt des Vertrages aufklären. Seine Belehrungspflichten erschöpfen sich darin, auf die Rechtsfolgen hinzuweisen und seine Tätigkeit nach den Sicherungsinteressen der Parteien auszurichten. Diese würden überdehnt werden, müsste er den Parteien, welche regelmäßig über keine juristischen Fachkenntnisse verfügen, die Vor- und Nachteile aller in Betracht kommenden Alternativen erläutern.

Aus der gesetzlich gewährleisteten Unabhängig (vgl. § 1 BNotO) ergebe sich hier ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum. Der Notar kann im eigenen Ermessen festlegen, welche der Gestaltungsmöglichkeiten den Interessen der Beteiligten am besten zugutekommt. Mithin kommt es primär auf die Wertung des Notars an, ob eine Alternative gegenüber der anderen als sicherer einzuschätzen ist oder nicht.

Ferner lehnt der BGH auch eine Amtspflichtverletzung durch Nichtaufklärung über kostengünstigere Gestaltungsmöglichkeiten ab. Da die Gebührenpflichtigkeit notarieller Leistungen allgemein bekannt sei, müsse nicht auf die Kostenfolge seiner Tätigkeit an sich hingewiesen werden.

Praxishinweis | BGH V ZB 67/19

Die Entscheidung ist richtungsweisend in Bezug auf die Frage notarieller Belehrungspflichten. Lange Zeit war umstritten, ob die getrennte Beurkundung von Verkauf und Auflassung aufgrund der höheren Gebühren gegen § 21 Abs. 1 Satz 1 GNotKG verstieße. Der BGH verneint eine unrichtige Sachbehandlung und kommt zu dem Ergebnis, dass der Notar im Einzelfall nach den Sicherungsinteressen der Parteien darüber zu befinden hat. Danach hat der Notar in sämtlichen Stadien seiner Tätigkeit die sicherste Variante zu bevorzugen. Die Kostenfrage ist grundsätzlich erst bei gleichsam Schutz bietenden Varianten zu berücksichtigen.