BGH V ZB 119/18
Änderungsvollmachten in Bauträgerverträgen

18.09.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
19.09.2019
V ZB 119/18
NJW 2020, 610

Leitsatz | BGH V ZB 119/18

  1. Der Notar hat die Amtspflicht, vor der Vollziehung einer Erklärung, die ein Urkundsbeteiligter als Vertreter eines anderen abgegeben hat, die Vertretungsmacht zu prüfen.
  2. Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Wirksamkeit einer Vollmacht (hier: Änderungsvollmacht des Bauträgers) und der Wirksamkeit eines Widerrufs der Vollmacht ist der Prüfungsmaßstab des Notars eingeschränkt. Er hat die Vollziehung eines unter § 53 BeurkG fallenden Vertretergeschäfts nur dann zu unterlassen, wenn für ihn ohne jeden vernünftigen Zweifel erkennbar und damit offensichtlich ist, dass eine wirksame Vollmacht nicht (mehr) vorliegt. Ebenso liegt es, wenn ein evidenter Missbrauch einer im Außenverhältnis unbeschränkten Vollmacht aufgrund von Verstößen gegen im Innenverhältnis bestehende Beschränkungen gegeben ist.
  3. Der Notar, der seiner Amtspflicht zur Einreichung vollzugsreifer Urkunden gemäß § 53 BeurkG nachkommt, verstößt auch dann nicht gegen seine Pflicht zu unabhängiger und unparteiischer Betreuung aus § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BNotO, wenn ein Beteiligter die Wirksamkeit der zu vollziehenden Erklärung mit beachtlichen Gründen bestreitet (insoweit Aufgabe von Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2015 - V ZB 171/14, ZfIR 2016, 104 Rn. 25).
  4. Den beabsichtigten Vollzug einer Urkunde i.S.d. § 53 BeurkG muss der Notar regelmäßig in einem Vorbescheid ankündigen, wenn einer der Urkundsbeteiligten dem Vollzug widerspricht.

Sachverhalt | BGH V ZB 119/18

Der Bauträger beabsichtigte die Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage. Durch notariell beurkundeten Bauträgervertrag erteilte der Käufer ihm eine nur aus wichtigem Grund widerrufliche und im Außenverhältnis unbeschränkte Vollmacht dahingehend, „die Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung samt etwaigen Nachträgen hierzu beliebig abzuändern“.

Im Innenverhältnis wurde geregelt, dass „der Kostenverteilungsschlüssel nicht zum Nachteil des Käufers verändert werden darf sowie die Miteigentumsanteile und das Sondereigentum samt Sondernutzungsrechten des Käufers unberührt bleiben müssen und das zu dessen Gebrauch dienende Gemeinschaftseigentum nicht wesentlich beeinträchtigt werden darf; zulässig sind insbesondere bauliche Änderungen an anderen Einheiten oder der Außengestaltung des Gebäudes einschließlich des Bauausmaßes und des Grundstücks.“

Aufgrund dieser Vollmacht beurkundete der Notar mit dem Bauträger einen Nachtrag zur Teilungserklärung, in dem auf einer zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Fläche vor der Tiefgarageneinfahrt sechs Stellplätze festgelegt und daran Sondernutzungsrechte zugunsten der dem Käufer zugeordneten Teileigentumseinheit begründet.

Sodann erklärte der Käufer den Widerruf der in dem Kaufvertrag erteilten Vollmacht. Der Notar kündigte mit Vorbescheid an, den Nachtrag dem Grundbuchamt zum Vollzug einzureichen, sobald die Abgeschlossenheitsbescheinigung vorliege. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Käufers hat das Landgericht den Vorbescheid aufgehoben und den Notar angewiesen, die Nachträge nicht zu vollziehen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wollte der Bauträger die Zurückweisung gegen den Vorbescheid erreichen.

Entscheidung | BGH V ZB 119/18

Die zulässige Rechtbeschwerde hielt der BGH für begründet, da der Notar wegen §53 BeurkG verpflichtet gewesen sei den Nachtrag zu vollziehen sobald die noch fehlende Abgeschlossenheitsbescheinigung vorgelegen hätte.

Denn der Notar sei in seinem Prüfungsumfang im Zusammenhang mit möglichen materiell-rechtlichen Unwirksamkeitsgründen einer Vollmacht eingeschränkt. Die Vollziehung eines Vertretergeschäfts sei nur dann zu unterlassen, wenn für ihn ohne jeden vernünftigen Zweifel erkennbar und damit offensichtlich sei, dass eine unwirksame Vollmacht oder ein evidenter Missbrauch vorliegt. Bloße Zweifel verpflichteten den Notar jedoch nicht, von der Beurkundung Abstand zu nehmen.

Diese Grundsätze fänden auch dann Anwendung, wenn es um das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vollziehung einer Urkunde gem. § 53 BeurkG ginge. Aus der gesetzlichen Verpflichtung des Notars zu redlicher Amtsführung nach § 14 Abs. 2 BnotO und § 4 BeurkG folge, dass er von dem Vollzug von der Zustimmungserklärung eines Dritten absehen müsse, wenn er weiß dass sie nichtig ist. Entsprechendes gelte, wenn auf Grund des ihm unterbreiteten konkreten Sachverhalts die Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts naheliegt oder offensichtlich ist, wenn das Grundbuch bei dem Vollzug der Urkunde mit hoher Wahrscheinlichkeit unrichtig würde oder wenn Vollzugsreife doch nicht vorliegt. Ebenso liege es, wenn der Vollzug von der Zustimmungserklärung eines Dritten abhänge und diese Erklärung von einem Vertreter abgegeben worden ist.

Nur der demnach auf eine Evidenzkontrolle beschränkte Prüfungsmaßstab trüge der Aufgabenverteilung zwischen dem Notar und den Zivilgerichten hinreichend Rechnung. § 53 BeurkG solle den Notar von schwierigen, oft zweifelhaften und für ihn mit erheblichem Risiko verbundenen Prüfungen entbinden. Es sei daher nicht Aufgabe des Notars und damit auch nicht Aufgabe der über eine Notarbeschwerde entscheidenden Gerichte, über die materiell-rechtliche Wirksamkeit einer beurkundeten Willenserklärung abschließend zu befinden. Solche Fragen seien in einem Zivilprozess der Beteiligten untereinander zu klären. Anders läge es nur, wenn die Unwirksamkeit für den Notar ohne jeden vernünftigen Zweifel erkennbar sei.

Nach diesem Maßstab hielt das Gericht im vorliegenden Fall einen Mangel der Vertretungsmacht für die Vornahme des Nachtrags weder infolge des Vollmachtswiderrufs noch wegen Verstoßes gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für offensichtlich. Auch liege kein evidenter Vollmachtsmissbrauch vor.

Insbesondere sei diesbezüglich §§ 306, 308 Nr. 4 BGB nicht einschlägig. Die Vereinbarkeit mit diesen Vorschriften setze voraus, dass für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderung bestehe. Es sei deshalb erforderlich, dass für die Änderung ein triftiger Grund bestehe. Die Anforderungen an das Bestehen eines triftigen Grundes seien abschließend zwar nicht geklärt. Auch sei es nicht unbedenklich, wenn ein triftiger Grund in der Vollmacht nicht genannt sei. Nichts desto trotz begründe dies keine offensichtliche Unwirksamkeit, denn immerhin sei vorliegend die Vollmacht dahingehend beschränkt, dass es zu keinen nachteiligen Änderungen zu Lasten des Erwerber kommen dürfe.

Zuletzt stellte das Gericht noch klar, dass die Neutralitätspflicht des Notars der Einreichung der Änderungserklärungen nicht entgegenstand. Es genüge weder das Bestreiten noch das Vorbringen beachtlicher Gründe. Lediglich in Fällen, in denen ein Rechtsgeschäft offensichtlich unwirksam sei, dürfe der Notar den Vollzug einstellen. Im Übrigen bleibe er zur Unparteilichkeit verpflichtet.

Praxishinweis | BGH V ZB 119/18

Am Ende seiner Entscheidung regt der BGH Notaren an, den Vollzug regelmäßig in einem Vorbescheid anzukündigen, wenn einer der Urkundsbeteiligten dem Vollzug widerspricht. Denn so könne der Betroffene zur Wahrung seiner Rechte um Rechtsschutz nachsuchen und gegebenenfalls über § 15 Abs. 2 BNotO die Entscheidung des Notars trotz eingeschränkten Prüfungsmaßstabs gerichtlich prüfen lassen. Zum anderen verbliebe noch die zivilgerichtliche Geltendmachung – nötigenfalls im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.