OLG Düsseldorf I-3 Wx 196/19
Änderung einer den Vereinszweck in seinem Kernbereich tangierenden Satzungsbestimmung

22.01.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
19.02.2020
I-3 Wx 196/19
NZG 2020, 793

Leitsatz | OLG Düsseldorf I-3 Wx 196/19

  1. Soweit der Antragsteller im Eintragungsverfahren erkennen lässt, dass er eine andere Rechtsauffassung als das Registergericht teilt und der Zwischenverfügung nicht abhelfen wird, darf das Registergericht nicht durch Zwischenverfügung, sondern muss auf Basis der eigenen Rechtsauffassung über den Eintragungsantrag entscheiden.
  2. § 33 Abs. 1 S. 2 BGB zur Allstimmigkeit ist eng auszulegen, da es regelmäßig nicht im Interesse der Vereine und ihrer Mitglieder steht, den Bereich der einheitlichen Beschlüsse zu erweitern. Vereinszweck im Sinne der Vorschrift ist folglich nur der den Charakter des Vereins festlegende oberste Leitsatz der Vereinstätigkeit, der für das Wesen der Rechtspersönlichkeit des Vereins maßgebend ist, um derentwillen sich die Mitglieder zusammengeschlossen haben und mit dessen Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zum Verein rechnen kann.
  3. Betrifft die Änderung lediglich den zur Erreichung des Vereinszwecks gewählten Wegs, ändert sich der Charakter des Vereins in seinem Kernzweck nicht.

Sachverhalt | OLG Düsseldorf I-3 Wx 196/19

Die anwesenden Mitglieder eines Fördervereins beschlossen einstimmig die Änderung der Satzungsbestimmungen zum Vereinszweck auf der Jahreshauptversammlung am 05.08.2019.

Der Wortlaut wurde von der eingetragenen derzeit gültigen Fassung wie folgt geändert (auszugsweise):

Alte Fassung:

„1) Zweck des Vereins ist die Nutzung und Unterhaltung des Bau- und Bodendenkmals Haus B. und die Bewahrung seines historischen Erbes. Dazu betreibt der Verein das Römische Museum Haus B., das er durch regelmäßige Öffnungszeiten, Führungen und Veranstaltungen der Öffentlichkeit zugänglich macht.

2) Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabeordnung. Der Satzungszweck wird insbesondere dadurch erreicht, dass der Verein das Bau- und Bodendenkmal Haus B. im Naturschutzgebiet K. im Interesse des Natur- und Denkmalschutzes nutzt und unterhält und Veranstaltungen anbietet für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, in denen Wissen zum Natur- und Denkmalschutz sowie zur Geschichte des Bau- und Bodendenkmals Haus B. vermittelt wird.

3) Die Nutzung und Unterhaltung des Bau- und Bodendenkmals Haus B. hat entsprechend eines mit dem Landschaftsverband Rheinland – Ämter für Denkmalpflege – entwickelten Sanierungs- und Nutzungskonzepts zu erfolgen…“

Neue Fassung:

„1) Zweck des Vereins ist die Förderung der Nutzung und Unterhaltung des Bau- und Bodendenkmals Haus B. und die Bewahrung seines historischen Erbes sowie dessen Nutzung im Naturschutzgebiet K. im Interesse des Naturschutzes.

2) Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabeordnung. Zweck des Vereins ist die Förderung von Kunst und Kultur sowie der Jugendhilfe. Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch –ideelle und finanzielle Unterstützung der Nutzung und Unterhaltung des Bau- und Bodendenkmals sowie der Haus B. gemeinnützige GmbH, –Förderung der Kinder- und Jugendarbeit auf Haus B., –die Durchführung von Veranstaltungen, Bereitstellung von Informationen, Schulprogrammen, Führungen etc.

3) Der vorstehende Satzungszweck kann stets unmittelbar durch Aktivitäten des Vereins selbst oder durch Zuwendungen an die Haus B. gemeinnützige GmbH gefördert werden…“

Der neu gewählte Vorstandsvorsitzende meldete die Satzungsänderung zur Eintragung im Vereinsregister unter Beifügung der geänderten Satzung du des Protokolls der Jahreshauptversammlung an.

Das Registergericht wies in der Folge auf die dortige Rechtsauffassung hin, bei der Änderung handele es sich um eine Änderung des Vereinszwecks der nach § 33 Abs. 1 S. 2 BGB nur mit Zustimmung aller Mitglieder erfolgen könne. Die schriftliche Zustimmung aller Mitglieder sei nachzureichen. Dem trat der Verein mit der Auffassung entgegen, es handele sich lediglich um Klarstellungen und Änderungen der Mittel zum Erreichen des Vereinszwecks. Es wurde eine rechtsmittelfähige Entscheidung erbeten.

Das AG entschied durch Beschluss am 23.09.2019, dass es bei der Zwischenverfügung vom 16.08.2019 verbleibe. Hiergegen richtet der Verein seine Beschwerde vom 04.10.2019, welche dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung mit Beschluss vom 08.10.2019 vorgelegt worden ist.

Entscheidung | OLG Düsseldorf I-3 Wx 196/19

Das statthafte und zulässige Rechtsmittel hat bereits deshalb Erfolg, da das Registergericht nicht hätte durch das Aufrechterhalten einer Zwischenverfügung entscheiden dürfen, sondern, aufgrund der Weigerung des Beteiligten die Unterlagen nachzureichen, aufgrund eigener Rechtsauffassung hätte entscheiden müssen.

Darüber hinaus liegt nach Auffassung des entscheidenden Senats im konkreten Fall keine Änderung des Vereinszwecks vor, sodass § 33 Abs. 1 S. 2 BGB keine Anwendung findet.

Grundsätzlich handelt es sich bei § 33 BGB nicht um zwingendes Recht, sondern kann durch Satzungsvorschriften abgeändert werden. Für die Zweckänderung gilt eine abweichende Regelung in der Satzung mit abweichenden Mehrheitsverhältnissen hingegen nur, wenn sich dies aus dem Wortlaut der Satzungsvorschrift selbst ergibt. Dies wäre hier nicht der Fall. Insoweit kommt es für die Wirksamkeit des Beschlusses hier konkret auf die Einordnung als Änderung des Vereinszwecks oder als Änderung der ausschließlich den Vereinszweck prägenden Satzungsbestimmungen an.

Für die Beurteilung sind die Satzungsvorschriften objektiv auszulegen.

Vereinszweck im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB sei nur der den Charakter des Vereins festlegende oberste Leitsatz der Vereinstätigkeit, also der satzungsmäßig festgelegte Zweck, der für das Wesen der Rechtspersönlichkeit des Vereins maßgebend ist und der das Lebensgesetz des Vereins – seine große Linie – bildet, um derentwillen sich die Mitglieder zusammengeschlossen haben und mit dessen Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zum Verein rechnen könne.

Dabei sei § 33 Abs. 1 S. 2 BGB eng auszulegen, da es nicht im Sinne der Vereine und ihrer Mitglieder sei, die Funktionsfähigkeit des Vereins durch Erweiterung des Bereichs des Zustimmungserfordernisses aller Mitglieder zu beeinträchtigen. Nicht von der Änderung des Vereinszwecks an sich sind solche Regelungen erfasst, die lediglich ergänzen oder beschränken und zeitgleich die bisherige Zweckrichtung aufrechterhalten. So zähle bspw. auch die Anpassung der bisherigen Ziele an den Wandel der Zeit und die Zweckverfolgung mit anderen (moderneren) Mitteln keine Vereinszweckänderung dar.

Im konkret zu entscheidenden Fall ist Kernzweck ausweislich der bisherigen Satzung die Förderung im Interesse des Denkmals Haus B. Die Änderung der Satzung umfasst unter anderem die gezielte Förderung des Denkmals durch die Errichtung einer gemeinnützigen GmbH. In dieser kann sich jeder wie bisher im Förderverein ebenfalls mit eigenem Engagement einbringen. Die gemeinnützige GmbH ist eine seit 2013 anerkannte Form gemeinnützige Förderung und Ziele mit den Strukturen und leichteren Organisation, sowie effizienteren Arbeitsmöglichkeit einer Kapitalgesellschaft zu verbinden. Nach Auffassung des entscheidenden Senates liegt in der hier vorliegenden Satzungsänderung lediglich eine Änderung der Mittel und Wege (insbesondere einer Modernisierung) hin zur Vereinszweckerreichung, nicht aber eine Änderung des eigentlichen Vereinszwecks, denn die Mitgliedschaft im Verein erweist sich unverändert als Engagement für das Denkmal Haus B.

Praxishinweis | OLG Düsseldorf I-3 Wx 196/19

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt exemplarisch auf, dass die Abgrenzung zwischen Vereinszweck und die den Zweck lediglich prägenden Satzungsbestimmungen eigentlich kein Neuland für die Registergerichte ist. Entsprechende Entscheidungen hat es bereits gegeben. Allerdings wird nochmals aufgezeigt, dass die enge Auslegung des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB für die Funktionsfähigkeit des Vereins auch mit Hinblick auf die Anpassung an modernere Möglichkeiten der Förderung des Vereinszwecks unerlässlich ist. Der Vereinszweck als oberster Leitgedanke verändert sich nicht durch kleinere Anpassungen in den Nutzungsmöglichkeiten auf dem Weg zum Ziel. Für die Praxis bedeutet dies insbesondere, dass innerhalb eines jeden Vereins die Möglichkeiten, effektiver die Vereinsziele zu erreichen, stets geprüft und zulässiger Weise auch den neuen gesellschaftlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst werden können, ohne dass es einer Zustimmung aller Mitglieder bedarf.