BFH II R 12/18
Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft

29.11.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
16.09.2020
II R 12/18
NZG 2021, 937

Leitsatz | BFH II R 12/18

  1. § 8 II 2 Alt. 2 GrEStG verlangt eine kausale Verknüpfung der Änderung des Gesellschafterbestands mit einem Plan zur Bebauung.
  2. Zum einen muss es einen vorgefassten Plan geben, mit dem sich die Gesellschaft über einen Gesellschafterwechsel hinaus in wesentlichen Punkten so auf die Bebauung eines Grundstücks festgelegt hat, dass sie sich im Regelfall nur noch unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder Einbußen davon lösen könnte.
  3. Zum anderen müssen die Neugesellschafter die Gesellschaftsanteile wegen des Plans erworben haben.

Sachverhalt | BFH II R 12/18

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, deren Kommanditisten vier natürliche Personen sind. Die Komplementärin war nicht am Gesellschaftskapital beteiligt. Sie schließt am 11./19.2.2004 einen Mietvertrag über einen noch zu errichtenden Lebensmittelmarkt in K mit der X GmbH. Die Klägerin erwarb mit Vertrag vom 28.09.2004 ein Grundstück von der Stadt K und verpflichtete sich gegenüber K bis zum 31.10.2004 einen Bauantrag zu stellen und auf dem erworbenen Grundstück bis spätestens 30.09.2007 einen Lebensmittelmarkt zu errichten. Sollte die Klägerin der Verpflichtung nicht nachkommen, habe die K das Recht auf Rückübertragung des Grundstücks gegen zinslose Erstattung des Kaufpreises.

Der Klägerin wird am 24.11.2004 eine Baugenehmigung unter Auflagen, betreffend der Errichtung von Stellplätzen und Wirtschafts- und Aufenthaltsräumen, erteilt. Am 14.02.2005 trat die Klägerin als Vermieterin in den Vertrag mit der X GmbH ein. Ein Bauantrag vom 14.04.2005 für die Stellplätze wurde abgelehnt. In der Folgezeit (13.05.2005) veräußerte die Komplementärin ihre Komplementärbeteiligung an die M GmbH und die vier Kommanditisten ihre Kommanditbeteiligung an die M KG. Der Vertrag nahm sowohl auf die bestandskräftige Baugenehmigung als auch auf den Mietvertrag Bezug. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatten die Kommanditisten bereits Honoraransprüche für verschiedene Leistungen erworben. Nach der Anteilsveräußerung wurden die Bauverträge geschlossen. Im Jahr 2005 erwarb die Klägerin von K ein weiteres benachbartes Grundstück für die Stellplätze und schloss mit der X GmbH am 17/23.06.2006 einen neuen Mietvertrag. 2006 wurde das Objekt fertiggestellt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte ist das Finanzamt, welches die Beklagte auf Grundlage von § 1 Abs. 2a Satz 1 des GErStG aF auf Grunderwerbssteuer in Anspruch nahm. Als Bemessungsgrundlage nahm das Finanzamt gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 GrEStG aF den Grundbesitzwert zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes an. Bis hin zum Klageverfahren erließ das Belegenheitsfinanzamt mehrere Grundbesitzfeststellungen. Zuletzt setzte es mit Bescheid vom 16.01.2015 auf den 13.05.2005 einen Grundbesitzwert für das bebaute Grundstück in Höhe von 8.705.000 Euro fest. Der Beklagte erließ daraufhin einen Bescheid am 04.02.2015, in welchem er auf dieser Grundlage Grunderwerbssteuer in Höhe von 304.675 Euro festsetzte. Die bisher vorläufige Steuerfestsetzung erklärte er mit weiterem Bescheid vom 26.04.2016 nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO für endgültig.

Die Klage wurde vom FG Rheinland-Pfalz abgewiesen. Die Klägerin macht mit der Revision eine Verletzung von § 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG aF geltend.

Entscheidung | BFH II R 12/18

Die Revision sei gemäß § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen, da der Grunderwerbssteuer zu Recht der Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes zugrunde zu legen sei.

Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG aF werde die Steuer unter anderem in den Fällen des § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG aF nach den Grundbesitzwerten im Sinne des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG aF bemessen. Nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG aF gelte es als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft, welches der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehöre und sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 95 Prozent der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Damit käme grundsätzlich § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG aF als die einschlägige Norm im vorliegenden Fall in Betracht.

Über den Zeitpunkt für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage entscheide bindend das Festsetzungsfinanzamt im Verfahren betreffend die Festsetzung der Grunderwerbssteuer, wozu auch die Entscheidung darüber zählt, ob der Zustand des Grundstücks im Zeitpunkt des Besteuerungsstichtags oder im späteren Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes maßgebend sei. Demnach entscheide bei Vorliegen zweier Grundlagenbescheide auch das Festsetzungsfinanzamt, welche Feststellung die nach seiner Rechtsauffassung zutreffenden Ermittlungsmaßstäbe zugrunde legt.

Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG aF sei abweichend von § 138 Abs. 1 Satz 2 BewG aF der Wert des Grundstücks nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes maßgebend, wenn die Änderung des Gesellschafterbestandes im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG aF auf einem vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks beruhe.

Die Vorschrift verlange mithin eine kausale Verknüpfung der Änderung des Gesellschafterbestands mit einem Plan zur Bebauung. Der Plan zur Bebauung müsse zeitlich vor der Änderung des Gesellschafterbestandes gefasst worden sein und sich sachlich auf eine im Wesentlichen feststehende Bebauung beziehen. Das bedeutet, dass die geplante Bebauung aus Sicht der Gesellschaft im Wesentlichen feststehe und sich die Gesellschaft nur noch schwer davon lösen könne. Entgegen der Auffassung im Schrifttum müsse der Plan gerade nicht den Gesellschafterwechsel erfassen. Zudem müsse der Plan zur Bebauung Grund des Gesellschafterwechsels gewesen sein. Ausreichend sei dafür, wenn der Gesellschafterwechsel aus Sicht der Neugesellschafter wegen des Plans stattfindet.

Die Klägerin habe einen vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks gehabt, von dem sie sich nur unter Schwierigkeiten hätte lösen können. Sogar bereits der Vertrag, mit dem sie selbst das Grundstück erworben hatte, erhielt eine Bauverpflichtung. Auch ist sie bereits Verpflichtung mit Dritten, wie der X GmbH, eingegangen. Die Neugesellschafter hätten die Gesellschaftsanteile auch wegen dieses Plans erworben, was sie auch durch die Bezugnahme zum integralen Bestandteil des Vertrags über die Übertragung der Gesellschaftsanteile gemacht hätten.

Dass das Festsetzungsfinanzamt mithin auf den Bescheid bezogen auf das Grundstück im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes abstellt, verletzt die Klägerin nicht in § 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG aF.

Praxishinweis | BFH II R 12/18

Sollte in einem vergleichbaren Fall wie dem Vorliegenden eine Veräußerung der Gesellschafteranteile im Raum stehen, dann sollte diese – wenn möglich – vor einer Verfestigung des Bauplanes stattfinden, um eine für die Gesellschaft nachteilige Zugrundelegung des Grundbesitzwertes vermeiden zu können. Falls das Grundstück bereits mit einer Bauverpflichtung erworben wurde, sollten die Neugesellschafter einen Erwerb überdenken oder sich zumindest den Konsequenzen einer erhöhten Grunderwerbsteuer bewusst sein.