OLG Naumburg 5 Wx 9/20
Registeranmeldung von Vorstandsänderungen einer Genossenschaft – Mitwirkung wenigstens zweier Vorstandsmitglieder

30.04.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Naumburg
06.11.2020
5 Wx 9/20
ZIP 2020, 2569

Leitsatz | OLG Naumburg 5 Wx 9/20

  1. Änderungen des Vorstands, zu denen auch deren vorläufige Amtsenthebung gem. § 40 GenG zählt, sind durch Vorstandsmitglieder in zur Vertretung berechtigender Anzahl zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Deshalb bedarf es nach § 22 Abs. 2 der Satzung der betroffenen Genossenschaft bei einer Registeranmeldung der Mitwirkung wenigstens zweier Vorstandsmitglieder.
  2. Es ist auch während der Pandemie jedenfalls dann ein neuer Vorstand zu bestellen, wenn alle bisherigen Vorstandsmitglieder auf andere Weise als durch Ablauf der Amtszeit ausscheiden. Dass dies nur beim Ausscheiden sämtlicher Vorstandsmitglieder und nicht auch beim Verlust der Handlungsfähigkeit der Genossenschaft durch Wegfall einzelner zu ihrer satzungsgemäßen Vertretung benötigter Vorstandsmitglieder erforderlich sein sollte, ist nicht ersichtlich.

Sachverhalt | OLG Naumburg 5 Wx 9/20

Der Vorstand der betroffenen Genossenschaft besteht nach § 21 Abs. 1 der Satzung aus wenigstens zwei Personen. Seine Mitglieder werden vom Aufsichtsrat bestellt. Ihre Bestellung kann nur durch die Vertreterversammlung vorzeitig widerrufen werden (§ 21 Abs. 2 der Satzung). Die Vertretung der Genossenschaft erfolgt durch wenigstens zwei Vorstandsmitglieder. Im Genossenschaftsregister sind die Bet. als Vorstandsmitglieder verzeichnet. Am 02.07.2020 beschloss der Aufsichtsrat, dass der Bet. zu 2 als Vorstand „beurlaubt“ werde. Daraufhin meldete der Bet. zu 1 mit einer durch die Verfahrensbevollmächtigte der Genossenschaft öffentlich beglaubigten Erklärung vom 27.07.2020 zur Eintragung in das Genossenschaftsregister an, dass der Bet. zu 2 vorläufig seines Amtes als Vorstand enthoben worden sei. Nach einem entsprechenden Hinweis hat das Registergericht die Anmeldung am 15.09.2020 zurückgewiesen, weil sie nicht durch Vorstandsmitglieder in zur Vertretung berechtigender Anzahl bewirkt worden sei. Gegen diese, ihr am 17.09.2020 zugestellte Entscheidung hat die Genossenschaft am 30.09.2020 Beschwerde eingelegt. Sie hält die Anmeldung für wirksam, weil die Zahl ihrer Vorstandsmitglieder auf Grund des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie unter zwei habe sinken dürfen und ihre Vertretung nunmehr durch ihr einziges verbliebenes Vorstandsmitglied, nämlich den Bet. zu 1, allein wahrgenommen werde. Das Registergericht hat es am 02.10.2020 abgelehnt, der Beschwerde abzuhelfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde der Genossenschaft hatte keinen Erfolg.

Entscheidung | OLG Naumburg 5 Wx 9/20

Die Anmeldung der vorläufigen Amtsenthebung des Bet. zu 2 ist wegen fehlender Vertretungsmacht des Bet. zu 1 unwirksam. Änderungen des Vorstands, zu denen auch deren vorläufige Amtsenthebung gem. § 40 GenG zählt, sind durch Vorstandsmitglieder in zur Vertretung berechtigender Anzahl zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§§ 28, 157 GenG). Nach § 22 Abs. 2 der Satzung der betroffenen Genossenschaft bedarf eine Registeranmeldung der Mitwirkung wenigstens zweier Vorstandsmitglieder. Daran ändert die Vorschrift des § 3 Abs. 5 S. 2 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nichts. Diese Regelung erlaubt es, die Anzahl der Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft, unter die durch Gesetz oder Satzung bestimmte Mindestzahl und damit grundsätzlich auch bis auf ein Mitglied absinken zu lassen. Davon unberührt bleiben indes die Satzungsbestimmungen über die Vertretung der Genossenschaft. Weder dem Wortlaut noch dem Zweck der Vorschrift ist zu entnehmen, dass neben den Regelungen über die Anzahl der Vorstandsmitglieder auch die Bestimmungen über ihre Vertretungsmacht außer Kraft gesetzt werden. Zum einen ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber einen derart gewichtigen Eingriff in die Verfassung der Genossenschaft ausdrücklich angeordnet hätte. Zum anderen erfordert der Zweck der Regelung auch keinen solchen Eingriff. Durch § 3 Abs. 5 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie soll erreicht werden, dass die Genossenschaften unter den Bedingungen der Pandemie nicht jedes durch Ablauf der Amtszeit oder anderweitig ausscheidende Vorstandsmitglied alsbald ersetzen müssen. Gleichwohl muss die Handlungsfähigkeit der Genossenschaft erhalten bleiben. Dass die Genossenschaft im Falle des Verlustes aller Vorstandsmitglieder ohne Vorstand bleiben darf, sieht die Regelung nicht vor. Daher ist auch während der Pandemie jedenfalls dann ein neuer Vorstand zu bestellen, wenn alle bisherigen Vorstandsmitglieder auf andere Weise als durch Ablauf der Amtszeit ausscheiden. Dass dies nur beim Ausscheiden sämtlicher Vorstandsmitglieder und nicht auch beim Verlust der Handlungsfähigkeit der Genossenschaft durch Wegfall einzelner zu ihrer satzungsgemäßen Vertretung benötigter Vorstandsmitglieder erforderlich sein sollte, ist indes nicht ersichtlich. Die Vorschrift geht damit auch nicht etwa ins Leere, denn sie greift in allen Fällen ein, in denen nach Gesetz oder Satzung mehr Vorstandsmitglieder zu bestellen sind, als zur Vertretung der Genossenschaft unbedingt benötigt werden.

Praxishinweis | OLG Naumburg 5 Wx 9/20

Die Entscheidung dreht sich im Kern um das Verhältnis von gesellschaftsrechtlich modifizierenden „Corona-Regeln“ und Satzungsbestimmungen. Das OLG stellt dabei mit wenig überzeugenden Argumenten heraus, dass § 3 Abs. 5 S. 2 COVMG satzungsrechtliche Vertretungsregeln unberührt lässt und stützt so die ablehnende Entscheidung des Registergerichts. Im Ergebnis müsste nach Abberufung ein neues Vorstandsmitglied bestellt werden, damit die Eintragung der Abberufung vorgenommen werden kann. Die vom Gesetz bezweckte Handlungsfähigkeit von Genossenschaften während der Pandemie würde damit konterkariert. Dementsprechend erscheint die analoge Anwendung des § 3 Abs. 5 S. 1 COVMG auf Abberufungen, vorläufige Amtsenthebungen oder Amtsniederlegungen interessengerecht.