OLG Bamberg 4 W 21/20
Ermächtigung einzelner Mitglieder zur Vornahme bestimmter Geschäfte eines zur Gesamtvertretung befugten Vorstands

12.04.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Bamberg
02.04.2020
4 W 21/20
GmbHR 2020, 902

Leitsatz | OLG Bamberg 4 W 21/20

  1. Ermächtigen zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder einer eingetragenen Genossenschaft einzelne Mitglieder gem. § 25 Abs. 3 Satz 1 GenG zur Vornahme bestimmter Geschäfte, so können diese an der Beschlussfassung mitwirken.
  2. Das zu ermächtigende Vorstandsmitglied muss an seiner eigenen Ermächtigung mitwirken, wenn der Vorstand nur aus zwei Mitgliedern besteht und das weitere Mitglied allein nicht vertretungsbefugt ist.

Sachverhalt | OLG Bamberg 4 W 21/20

Am 04.02.2020 beantragte eine Notarin (Beteiligte zu 3) den grundbuchlichen Vollzug zweier Löschungsbewilligungen der Beteiligten zu 1) und der Beteiligten zu 2), die sie dem AG – Grundbuchamt – hierzu vorlegte.

Die Beteiligte zu 2) ist eine eingetragene Genossenschaft, deren zwei Vorstandsmitglieder (A und B) laut der Eintragung nur gemeinsam oder jeweils nur gemeinsam mit einem Prokuristen zur Vertretung der Genossenschaft berechtigt sind.

Die Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 2) war jedoch nur von B unterzeichnet worden. Dieser war zuvor durch A gem. § 25 Abs. 3 S. 1 GenG unter Ausstellung einer entsprechenden Vollmachtsurkunde zur Vertretung der Beteiligten zu 2) in bestimmten Grundbuchsachen ermächtigt worden.

Mit Zwischenverfügung vom 10.2.2020 wies die zuständige Rechtspflegerin darauf hin, dass mangels ordnungsgemäßer Bevollmächtigung des B ein Eintragungshindernis bestehe und setzte eine Frist zur Behebung des Hindernisses. Die vorgelegte Vollmachtsurkunde sei nicht geeignet, um eine wirksame Vertretungsberechtigung des B nachzuweisen.

Gegen die Zwischenverfügung legte die Notarin Erinnerung ein.

Das AG Würzburg half der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren per Beschluss dem Senat zur Entscheidung vor.

Entscheidung | OLG Bamberg 4 W 21/20

Das OLG Bamberg hielt die Beschwerde in der Sache für unbegründet. Im Falle einer Gesamtvertretung, müsse auch das zu ermächtigende Vorstandsmitglied an seiner eigenen Ermächtigung mitwirken, insbesondere dann, wenn wie in dem zu entscheidenden Fall der Vorstand nur aus zwei Mitgliedern besteht.

Die Ermächtigung des B wäre von beiden Vorstandsmitgliedern zu erteilen gewesen, § 25 Abs. 3 S. 1 GenG. Insofern fehle es an einer wirksamen Ermächtigung des B für die Erteilung der Löschungsbewilligung.

Gem. § 25 Abs. 3 S. 1 GenG können zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen.

Entsprechend der im Schrifttum einhellig vertretenen Ansicht habe die Ermächtigungserteilung bei einem mit mehr als zwei Personen besetzten Vorstand nicht zwingend durch alle, aber immer durch so viele Mitglieder zu erfolgen, wie für eine wirksame Vertretung erforderlich sind. Hierbei könne der zu Ermächtigende nach ebenso herrschender Ansicht selbst mitwirken.

Im Falle einer echten Gesamtvertretung müsse er dagegen an seiner Ermächtigung mitwirken, wenn der Vorstand sonst nicht vertretungsbefugt ist. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Vorstand nur aus zwei Mitgliedern besteht.

Die von der Beschwerdeführerin angeführte Gegenauffassung, wonach sich niemand selbst ermächtigen könne und die Ermächtigung nicht durch die Genossenschaft oder den Gesamtvorstand, sondern vielmehr dadurch erfolge, dass die einzelnen Vorstandsmitglieder dem zu Ermächtigenden die ihnen jeweils zustehende organschaftliche Befugnis zur Ausübung überließen, lehnte das OLG Bamberg mit Verweis auf den ausdrücklichen Wortlaut des § 25 Abs. 3 S. 1 GenG, den Gesetzeszweck sowie den Hintergrund der Neufassung der Norm parallel zu der des § 78 Abs. 4 AktG ab und wies die Beschwerde somit zurück.

Praxishinweis | OLG Bamberg 4 W 21/20

Das OLG Bamberg ging zunächst zutreffend davon aus, dass die Ermächtigung im vorliegenden Fall grundsätzlich durch beide Vorstandsmitglieder erteilt werden musste. Entsprechend der herrschenden Meinung im Schrifttum nahm es richtigerweise an, dass der zu ermächtigende Vorstand an seiner Ermächtigung selbst mitwirken durfte. Die Mitwirkungsberechtigung des zu ermächtigenden Vorstandsmitglieds wird bereits durch den Wortlaut des § 25 Abs. 3 S. 1 GenG impliziert (Zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder können „einzelne von ihnen“ (…) ermächtigen). Eine Selbstermächtigung muss weiterhin auch aus dem Grund zulässig sein, weil eine wirksame Ermächtigung ohne die Mitwirkung des zu Ermächtigenden sonst nur im Falle von Vorständen bestehend aus drei oder mehr Personen möglich wäre. Hierin liegt im Übrigen wegen der ausdrücklichen Gestattung in § 25 Abs. 3 S. 1 GenG kein Verstoß gegen das Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB.

Im konkreten Einzelfall übersah das OLG Bamberg jedoch, dass die Ermächtigung nach § 25 Abs. 3 S. 1 GenG nach allgemeiner Auffassung auch konkludent und formlos erfolgen kann und durch die Vorstandsmitglieder nicht zusammen oder zeitgleich erteilt werden muss. So war in der Erteilung der Löschungsbewilligung unter Vorlage der Ermächtigungserklärung des A die konkludente Mitwirkung und nachträgliche Zustimmung des Vorstandsmitglieds B zu dessen Ermächtigung nach § 25 Abs. 3 S. 1 GenG zu sehen.

Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Norm, wonach durch die Möglichkeit der Einzelermächtigung eine Erleichterung des Rechtsverkehrs bewirkt werden soll. Indem es die ausdrückliche Zustimmung des B zu dessen Ermächtigung als Voraussetzung für die wirksame Ermächtigung zur Abgabe der Löschungsbewilligung erachtete, hat das OLG Bamberg die Anforderungen an eine Ermächtigungserteilung nach § 25 Abs. 3 S. 1 GenG überspannt.

Die Entscheidung weicht insofern auch von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. So entschied beispielsweise das BAG im Falle zweier gesamtvertretungsberechtigter GmbH-Geschäftsführer, dass diese ihre Gesamtvertretung in der Weise ausüben könnten, dass ein Gesamtvertreter den anderen intern formlos zur Abgabe einer Willenserklärung ermächtigt und der zweite Gesamtvertreter die Willenserklärung allein abgibt (BAG v. 18.12.1980 – 2 AZR 980/78).

Vor diesem Hintergrund sollte in der Praxis stets darauf geachtet werden, dass die Ermächtigung durch die Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Anzahl erfolgt. Dies gilt rechtsformübergreifend für alle Kapital- und Personengesellschaften (einschließlich GmbH und GmbH & Co. KG) sowie entsprechend für Vereins- und Stiftungsvorstände (vgl. §§ 26 Abs. 2, 86 BGB).

Da für in der Vergangenheit erteilte Ermächtigungen kein Bestandsschutz besteht, sollten diese vorsorglich nochmals genehmigt werden. Bei der Erteilung einer entsprechenden Ermächtigung ist weiter darauf zu achten, dass hierdurch die organschaftliche Gesamtvertretungsbefugnis nicht umgangen werden darf. So ist eine unbeschränkte Ermächtigung, etwa nach § 25 Abs. 3 S. 1 GenG, unzulässig. Dies gilt ebenso für die Erteilung einer Vollmacht, durch die die organschaftlichen Befugnisse unterlaufen werden.

Um das Risiko einer Rechtsscheinhaftung zu vermeiden, sollten einzelne Organmitglieder regelmäßig nur intern ermächtigt werden. Erfolgt eine Kundgabe gegenüber Dritten, so können sich diese solange auf das Bestehen der Ermächtigung berufen, solange die Kundgebung nicht ordnungsgemäß widerrufen worden ist (vgl. §§ 170, 171 BGB analog).

Schließlich sollte bei einseitigen Rechtsgeschäften, etwa bei Kündigungen, stets eine entsprechende Urkunde über die Ermächtigung vorgelegt werden, um die Zurückweisung oder Beanstandung des Rechtsgeschäfts und damit dessen Unwirksamkeit zu vermeiden (vgl. §§ 174, 180 BGB analog).