OLG Brandenburg 6 U 172/18
Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots - Karenzentschädigung

12.03.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Brandenburg
15.12.2020
6 U 172/18
BeckRS 2020, 40116

Leitsatz | OLG Brandenburg 6 U 172/18

  1. Vertragliche Wettbewerbsverbote müssen in zeitlicher, örtlicher und gegenständlicher Hinsicht auf das notwendige Maß beschränkt bleiben.
  2. Ein dreijähriges Wettbewerbsverbot ist regelmäßig unwirksam, da nach Ablauf von zwei Jahren die aus der früheren Tätigkeit nachwirkenden Verbindungen zu Geschäftspartnern, Lieferanten und Kunden weitgehend erloschen sind.
  3. Ein vertragliches Wettbewerbsverbot ist auch dann unwirksam, wenn es in räumlicher und gegenständlicher Hinsicht in keiner Weise eingeschränkt ist.

Sachverhalt | OLG Brandenburg 6 U 172/18

Die Klägerin verlangte als ehemalige Geschäftsführerin der Beklagten Zahlung einer Karenzentschädigung aus einer Abrede der Parteien über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Die Beklagte war ein kommunales Unternehmen, das im Wesentlichen Wohnungen in ihrem Eigentum errichtete, bewirtschaftete und verwaltete. Der Dienstvertrag enthielt folgendes Wettbewerbsverbot:

"Während der Dauer dieses Vertrages sowie der auf seine Beendigung folgenden drei Jahre ist es dem Geschäftsführer nicht gestattet, für eigene oder fremde Rechnung, selbständig oder unselbständig in einem Betrieb tätig zu werden, der gleichartig mit der GmbH ist oder mit ihr in Wettbewerb treten könnte. In gleicher Weise ist es dem Geschäftsführer untersagt, einen solchen Betrieb zu beraten oder gelegentlich zu unterstützen. Er wird sich während des genannten Zeitraumes auch nicht an Geschäften beteiligen, die von der GmbH getätigt werden könnten."

Als Ausgleich für dieses Wettbewerbsverbot wurde zugunsten der Klägerin eine Karenzentschädigung vereinbart. Nach deren Kündigung nahm die Klägerin eine Beschäftigung auf als Geschäftsleiterin für die (X) GmbH, die Leistungen des Facility Managements, Hauswartservice, Grünanlagenpflege und Winterdienst anbot.

Entscheidung | OLG Brandenburg 6 U 172/18

Das Gericht verneinte einen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung, da das Wettbewerbsverbot in seiner vereinbarten Form die Berufsfreiheit der Klägerin unzulässig einschränkt und damit gemäß § 138 BGB unwirksam ist. Ein die nachvertragliche Tätigkeit eines Geschäftsführers beschränkendes Wettbewerbsverbot ist vielmehr dann gerechtfertigt, wenn, soweit und solange es zum Schutz des berechtigten Interesses der Gesellschaft erforderlich ist, dass ihr ehemaliger Geschäftsführer die in dem Unternehmen erlangten Kenntnisse und Verbindungen nicht zu ihrem Schaden ausnutzt. Um die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 GG) und das berufliche Fortkommen des (ehemaligen) Geschäftsführers nicht unangemessen zu behindern, müssen vertragliche Wettbewerbsverbote allerdings in zeitlicher, örtlicher und gegenständlicher Hinsicht auf das notwendige Maß beschränkt bleiben.

Bereits die Vereinbarung einer dreijährigen Geltungsfrist für das Wettbewerbsverbot ist unwirksam. Die Dauer eines Wettbewerbsverbotes muss zeitlich beschränkt werden, weil nicht denkbar ist, dass eine Gesellschaft ein rechtlich schützenswertes Interesse an einem zeitlich unbegrenzten Wettbewerbsverbot haben kann. Dabei ist grundsätzlich von einer Geltungsdauer von höchstens zwei Jahren auszugehen, denn es spricht eine Vermutung dafür, dass nach Ablauf von zwei Jahren die aus der früheren Tätigkeit nachwirkenden Verbindungen zu Geschäftspartnern, Lieferanten und Kunden weitgehend erloschen sind. Nur in besonderen Einzelfällen kommt eine Überschreitung dieser Frist in Betracht.

Auch der räumliche Umfang des Wettbewerbsverbotes überschreitet das notwendige Maß. Die Vereinbarung grenzt den räumlichen Wirkungsbereich des Tätigkeitsverbots in keiner Weise ein und erschwert damit nicht lediglich das berufliche Fortkommen der Klägerin in ihrem Tätigkeits- und Erfahrungsbereich, sondern schließt es de facto aus. Es kann allerdings kein schutzwürdiges Interesse der GmbH darangeben, dass der ehemalige Geschäftsführer für eine gewisse Zeit nach Vertragsbeendigung vollständig als Wettbewerber ausgeschaltet wird.

Schließlich überschreitet auch der gegenständliche Umfang des Wettbewerbsverbotes die erlaubten Grenzen. Der Klägerin sollte es nach § 5 Abs. 1 des Dienstvertrages nicht gestattet sein, für eigene oder fremde Rechnung, selbstständig oder unselbstständig in einem Betrieb tätig zu werden, der gleichartig mit der GmbH ist oder mit ihr in Wettbewerb treten könnte. Sie sollte einen solchen Betrieb auch nicht beraten oder gelegentlich unterstützen dürfen. Der Klägerin war danach jede Art von Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen verboten, ohne dass die Art ihrer Tätigkeit oder ihrer Stellung eingegrenzt worden wäre. Ein Verstoß wäre danach nicht nur dann gegeben, wenn sie wie bei der Klägerin als angestellte leitende Angestellte arbeitete, sondern auch selbständig oder in untergeordneter oder fachfremder Stellung, wie z.B. als Hausmeister, wobei ein aktuelles Wettbewerbsverhältnis zwischen altem und neuem Arbeitgeber der Klägerin noch nicht einmal vorausgesetzt wurde. Ein rechtliches Interesse an einer so weitgehenden Einschränkung der beruflichen Tätigkeit der Klägerin ist nicht erkennbar.

Praxishinweis | OLG Brandenburg 6 U 172/18

Die Entscheidung zeigt, dass die Vereinbarung eines wirksamen Wettbewerbsverbot "nicht mal eben so" geschehen kann. Legen die Parteien auf die Verbindlichkeit der wechselseitigen Verpflichtungen Wert, so ist eine tiefergehende rechtliche Prüfung unerlässlich. Nur wenn die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse am Verbot darlegen kann und dessen Reichweite fein ausjustiert ist, können sich die Beteiligten nach Beendigung der Anstellung auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot berufen.

Darüber hinaus kann die Vereinbarung eines unwirksamen Wettbewerbsverbotes für die Gesellschaft doppelt teuer werden: Einerseits taugt das Verbot nicht als Handhabe gegen den Verpflichteten, andererseits kann es einen Haftungsgrund darstellen. Denn formuliert die Gesellschaft schuldhaft ein unwirksames Wettbewerbsverbot, muss sie diejenigen Zahlungen leisten, auf die der Verpflichtete bei Vereinbarung des Wettbewerbsverbots vertraut hat. So hatte die der Entscheidung zugrunde liegenden Klage trotz unwirksamen Wettbewerbsverbots teilweise Erfolg, da das Gericht der Klägerin zwar keinen Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung, jedoch ein Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe zugesprochen hat.