BGH II ZR 299/17
Umfang der Kompetenz der Gesellschafterversammlung zur Regelung der Geschäftsführervergütung

06.01.2021

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
14.05.2019
II ZR 299/17
DStR 2019, 1532

Leitsatz | BGH II ZR 299/17

Der Kompetenz der Gesellschafterversammlung zur Regelung der Geschäftsführervergütung unterfällt auch eine Absprache der GmbH mit einem Dritten, nach der der Dritte die Kosten, die bei ihm deshalb ohne Gegenleistung anfallen, weil seine von ihm bezahlten Mitarbeiter ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH nachgehen, der GmbH weiterberechnen darf.

Sachverhalt | BGH II ZR 299/17

Bei den Beteiligten handelt es sich um zwei GmbH. Verbunden sind beide über einen gemeinsamen Gesellschafter FS. Geschäftsführer der Klägerin sind HJ und WS (Sohn des FS). In der Gesellschafterversammlung vom 13.10.2014 wurde die Abberufung des WS mit den Stimmen des Mehrheitsgesellschafters FS abgelehnt.

Gestützt auf die Öffnungsklausel im Gesellschaftervertrag wurde erstmalig ein Aufsichtsrat eingerichtet und diesem die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie der Abschluss, die Änderung und die Beendigung von Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern übertragen.

Mit Beschluss des Aufsichtsrats vom 07.12.2014 erging die Abberufung des WS und die Neubestellung von SL und RW zu Geschäftsführern der Klägerin. Bei SL und RW handelt es sich um Mitarbeiter der Beklagten. Geschäftsführerdienstverträge bestehen nicht.

Die Einrichtung des Aufsichtsrats sowie seine Beschlüsse sind angefochten worden.

Die erstellte für den Zeitraum Dezember 2014 bis Juni 2015 drei Rechnungen über insgesamt 428.209,50 Euro gerichtet an die Klägerin. Dabei handelt es sich um prozentuale Teilbeträge der Bruttoarbeitslöhne des SL und RW, die weiterhin von der Beklagten entrichtet worden sind, für die Zeiträume in denen die SL und RW Zeit als Geschäftsführer der Klägerin aufwendeten. Die Beklagte sieht die Tätigkeit von SL und RW als ihre Leistung gegenüber der Klägerin an, die sie mit Ihren Mitarbeitern SL und RW erfüllte und deswegen in Rechnung stellte. Die Vergütungsabrede sei mündlich zwischen den Beteiligten am 25.02.2015, konkret zwischen dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin, WS und dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten TS getroffen worden. Die Klägerin leistete die Zahlung an die Beklagte in voller Höhe.

Das Landgericht gab der Klage der Klägerin auf Rückzahlung im Urkundenprozess statt. Das Berufungsgericht hob das Urteil auf und wies die Klage im Urkundenprozess als unstatthaft ab.

Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils erster Instanz.

Das Berufungsgericht führt in seiner Urteilsbegründung wie folgt (hier auszugsweise und stark verkürzt zusammengefasst) aus:

Die durch die Klägerin gewählte Prozessart (Urkundenprozess) sei, mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 592 S. 1 ZPO, unstatthaft, da die Klägerin nicht vermochte, den geltend gemachten Bereicherungsanspruch urkundlich zu belegen.

Die Klägerin hätte, da die Beklagte zur Einigung vom 25.02.2015 eine ihren Sachvortrag ergänzende Aktennotiz vom 13.01.2017 vorgelegt habe, durch Urkunde den Nachweis führen müssen, dass entweder die in Rechnung gestellten Arbeitsleistungen der Beklagten nicht erbracht worden sind oder dass eine Vereinbarung zur Entlohnung nicht bzw. nicht wie durch die Beklagte vorgetragen existiere oder jedenfalls unwirksam sei. Dieser Nachweis sei unterblieben, womit die Anspruchsvoraussetzungen nicht hinreichend durch Urkunde dargelegt worden seien.

Den Rechnungen fehle es am Anhaltspunkt, dass die Beklagte hier in Vertretung oder in Standschaft für Dritte (hier SL oder RW) deren Geschäftsführergehaltsansprüche gegenüber der Klägerin in Rechnung gestellt habe.

Ferner sei der Nachweis der Abberufung des WS am 13.10.2014 als Geschäftsführer z.B. durch Vorlage des Protokolls der Gesellschafterversammlung nicht geführt worden.

Hinsichtlich der vorgebrachten Nichtbeteiligung des Aufsichtsrates kann die Klägerin mit Vorlage des Protokolls den Nachweis der Aufsichtsrat sei wirksam eingesetzt worden nicht führen, da das Protokoll der Gesellschafterversammlung lediglich Beweis hinsichtlich des Ablaufs, nicht aber der Wirksamkeit der Beschlüsse liefere.

Entscheidung | BGH II ZR 299/17

Die Revision hat Erfolg. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach Auffassung des BGH ist die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts noch nicht entscheidungsreif. Die Klageabweisung als unzulässig könne erst ergehen, sofern nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten die Prozessfähigkeit nicht bewiesen werden könne. Es wird angeregt, das Verfahren nach § 148 ZPO auszusetzen, bis die Wirksamkeit der Abberufung des HJ rechtskräftig festgestellt worden ist.

Entgegen der Ausführungen des Berufungsgerichts stehe nicht fest, dass der Klägerin die Prozessfähigkeit fehle oder eben nicht fehle, indem HJ als Geschäftsführer abberufen worden sei. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht die Prozessfähigkeit allein auf den Handelsregisterauszug und die Wirkung des § 15 HGB mit Hinblick auf den als Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Klageerhebung ausgewiesenen HJ gestützt. § 15 Abs. 2 HGB entbinde das Berufungsgericht nicht von seiner Verpflichtung von Amts wegen zu prüfen, ob HJ zum Zeitpunkt der Klageerhebung Geschäftsführer gewesen sei. Die Klägerin selbst könne sich zudem nicht auf § 15 Abs. 1 HGB als Nachweis des Fortbestandes der Geschäftsführereigenschaft berufen, da § 15 Abs. 1 HGB lediglich den redlichen Dritten, nicht aber die Klägerin selbst schützt. Die Eintragung im Handelsregister hat nur deklaratorische Wirkung. Die fehlende Eintragung der Abberufung hindert das Berufungsgericht nicht, das Fehlen der Prozessfähigkeit festzustellen. Auf § 15 Abs. 2 HGB kann sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen, da diese Vorschrift auf unrichtige Tatsachen keine Anwendung findet, sondern lediglich eine einfache Berufungsmöglichkeit auf die richtige Rechtslage darstellt.

Das Berufungsgericht hat allerdings auch keine ausreichenden Feststellungen zur möglichen Prozessunfähigkeit getroffen, indem nicht darauf eingegangen worden ist, ob der Abberufungsbeschluss v. 07.12.2014 wirksam gewesen ist. Diesem kann auch nicht durch eine mögliche analoge Anwendung von § 84 Abs. 3 s. 4 AktG abgeholfen werden, weil mangels Widerrufs aus wichtigem Grund die Voraussetzungen des § 84 Abs. 3 AktG schon nicht vorliegen.

Soweit das Berufungsgericht ausführt, die Klägerin wäre hinsichtlich des Umstands, dass eine Vergütungsvereinbarung zwischen den Geschäftsführern der Parteien nicht oder nicht so zustande gekommen oder jedenfalls unwirksam sei, und somit hinsichtlich des für § 812 Abs. 1 s. 1 Alt. 1 BGB erforderlichen Fehlen eines Rechtsgrundes beweispflichtig geblieben, folgt der Senat der Auffassung des Berufungsgerichts nicht.

Dabei kann es dahinstehen, ob die Vereinbarung unwirksam sei, weil der Aufsichtsrat, dessen wirksame Einsetzung zwischen den Parteien streitig ist, nicht an einer möglichen Vereinbarung beteiligt worden sei. Es kommt hier nicht darauf an, denn jedenfalls hätte ein Beschluss der Gesellschafterversammlung ergehen müssen, sodass die Vereinbarung unwirksam ist. Sofern, wie im konkreten Fall, Satzungsbestimmungen hinsichtlich des Abschlusses, der Änderung oder Beendigung des Dienstvertrages eines Geschäftsführers fehlen, ist nach langjähriger Rechtsprechung des BGH alleinig befugtes Organ die Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Dies gilt im Rahmen einer Annexkompetenz auch für die damit einhergehenden vertraglichen Regelungen inklusive der Vergütung der Geschäftsführer, da diese Vereinbarungen geeignet sind, in erheblicher Weise die Entscheidungen der Gesellschafter über dessen Organstellung zu beeinflussen und der Gefahr kollegialer Rücksichtnahme bestünde.

Hier sind unstreitig die Geschäftsführer SL und RW neben WS zu Geschäftsführern der Klägerin bestellt worden. Selbst wenn der dies beschließende Aufsichtsrat nicht wirksam errichtet worden wäre, würde die Entscheidung im Rahmen des Grundsatzes über die fehlerhafte Bestellung bis zur Beendigung der Geschäftsführerstellung durch die Gesellschafterversammlung als wirksam angesehen werden und die möglicherweise durch den unwirksam errichteten Aufsichtsrat bestellten Geschäftsführer wie Geschäftsführer zu behandeln sein. Der Senat bekräftigt hier nochmals, dass die Grundsätze über die fehlerhafte Bestellung auch hinsichtlich der ursprünglichen Errichtung des Bestellungsorgans gelten.

Diese Annexkompetenz gilt nach Auffassung des Senats auch im Verhältnis zu Dritten, wenn der Dritte wie vorliegend, die Kosten für die Tätigkeit der eigenen Angestellten, deren Bruttogehalt er weiterhin trägt und somit ohne Gegenleistung für die Kosten der Geschäftsführertätigkeit beim Vertragspartner aufkommt und entsprechend der GmbH weiterberechnen möchte. Für die Aktiengesellschaft hat der BGH im Zuge des Gleichlaufs von Bestellungs- und Anstellungskompetenz bereits entschieden, dass in dieser Konstellation die Vergütungsabrede mit dem Dritten geschlossen werden darf und die Abschlusskompetenz entsprechend nicht dem Vorstand selbst, dessen Vergütung schließlich verhandelt wird, sondern eben dem Aufsichtsrat zukomme.

Für die GmbH könne nach Auffassung des Senats nichts anderes gelten. Auch hier muss um den Gleichlauf von Bestellungs- und Anstellungskompetenz zu wahren und damit der Geschäftsführer aufgrund der Verhandlung mit Dritten nicht seine eigene Vergütung aushandelt, das zuständige Organ und damit ohne satzungsbedingte Kompetenzzuweisung die Gesellschafterversammlung die Vereinbarung mit dem Dritten treffen. Entscheidend für die Rechtfertigung der Annexkompetenz ist, dass die generelle Eignung besteht, durch Zuständigkeit des Geschäftsführers bei Verhandlung seiner eigenen Vergütung mit einem Dritten, bei dem er angestellt ist, im Rahmen der Weiterberechnung gegenüber der GmbH könne eine Begünstigung des Dritten entstehen.

Aufgrund der Kompetenz der Gesellschafterversammlung und eines nicht vorgetragenen nachträglichen Genehmigungsbeschlusses ist die Vergütungsvereinbarung ohne weitere Feststellungen nach Auffassung des Senats unwirksam.

Praxishinweis | BGH II ZR 299/17

Der BGH versäumt mit dieser Entscheidung hinsichtlich zweier ungeklärter Rechtsfragen Farbe zu bekennen. Zunächst lässt der Senat, wie bereits mit Entscheidung vom 25.10.2010, offen, ob § 15 HGB überhaupt auf die Prozessfähigkeit einer juristischen Person anwendbar sei. Zudem vermeidet der Senat Ausführungen zur Frage, ob § 84 Abs. 3 S. 4 AktG analog auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung Anwendung findet.

Von besonderer Bedeutung ist letztlich die erneute Bekräftigung der bisherigen Rechtsprechung des BGH, dass für die Gesellschafterversammlung eine Annexkompetenz hinsichtlich der Vergütungsabreden für Geschäftsführer besteht, sofern die Satzung keine entgegenstehenden Kompetenzzuweisung beinhaltet. Zudem ist erfreulich, dass der BGH diese Annexkompetenz auch im Verhältnis zu Dritten als gegeben ansieht. Dies schafft innerhalb multibler gesellschaftsrechtlicher Verflechtungen, in denen Geschäftsführer nicht immer zwingend die eigenen Vergütungsabreden vereinbaren ein gewisses Maß an Rechtssicherheit. In der Praxis setzt dies das zwingende Erfordernis bereits bei Ausarbeitung der möglichen Satzung bei Bedarf eine entsprechende Kompetenzzuweisung oder mit Blick auf bereits bestehende Satzungen eine Überprüfung der bisherigen und ggf. eine Satzungsänderung vorzunehmen.