KG 21 U 139/18
Rücktritt vom Bauträgervertrag

20.11.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
07.05.2019
21 U 139/18
ZfIR 2019, 624

Leitsatz | KG 21 U 139/18

  1. Die Bestimmung des Bauträgervertrags, wonach die Schlussrate bereits bei Fälligkeit der Bezugsfertigkeitsrate auf ein Anderkonto der beurkundenden Notarin zu zahlen ist, weicht nicht zulasten des Erwerbers von § 3 Abs. 2 MaBV ab und ist also wirksam.
  2. Der Rücktritt eines Bauträgers von einem Bauträgervertrag kann auch nach einer Fristsetzung mit Zuvielforderung wirksam sein. Entscheidend ist, ob der Erwerber die erhöhte Zahlungsaufforderung so verstehen musste, dass er jedenfalls den tatsächlich geschuldeten Betrag zu zahlen hat, und er diesen unschwer ermitteln kann.
  3. Auch auf den Rücktritt eines Bauträgers von einem Bauträgervertrag findet § 323 Abs. 5 S. 2 BGB Anwendung.
  4. Ob die Pflichtverletzung einer Vertragspartei unerheblich iSv § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist, ist stets aufgrund einer Gesamtabwägung zu entscheiden, die abstrakte Anknüpfung an einen Zahlungsrückstand in Höhe eines bestimmten Schwellenwerts ist kein geeignetes Kriterium.

Sachverhalt | KG 21 U 139/18

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schadenersatz wegen der verzögerten Übergabe einer Eigentumswohnung in Anspruch.

Die Parteien schlossen im Jahr 2011 einen Bauträgervertrag. Dort sicherte der Verkäufer zu, bis spätestens 31.03.2012 eine Eigentumswohnung gegen Zahlung von über 600.000 € bezugsfertig herzustellen. Für den Fall, dass der Verkäufer eine Fristüberschreitung in Bezug auf die Bezugsfertigkeit zu vertreten habe, wurde eine Vertragsstrafe vereinbart. 95% des Kaufpreises sollten in Raten fällig werden, wobei die Schlussrate nach vollständiger Fertigstellung an die fällige Rate durch Bezugsfertigkeit geknüpft wurde und auf ein Notaranderkonto eingezahlt werden sollte.

Im Juli 2012 untersuchte ein Sachverständiger das Objekt und stellte einzelne Mängel fest, die die Beklagte sogleich nachbessern ließ. Sodann begutachtete er, dass sämtliche nachzuarbeitende Bereiche zufriedenstellend abgearbeitet waren. Weiter hieß es in dem Gutachten: „sofern kein erhöhter Schallschutz bezüglich der Parkettarbeiten zu erbringen war, kann die Bezugsfertigkeit der Parkettarbeiten für den 20.07.2012 bestätigt werden.“

Die Beklagte bot sodann im August 2012 die Übergabe des Kaufgegenstandes gegen Zahlung des restlichen Kaufpreises ein. Die Klägerin entgegnete, die Wohnung sei nicht abnahmereif, da die Beklagte nicht nachgewiesen habe, dass die Vorgaben für einen erhöhten Schallschutz eingehalten seien. Weitere Zahlungen wurden deshalb verweigert.

Die Beklagte erklärte daraufhin den Rücktritt des Vertrages und erhob Klage auf Rückabwicklung des Bauträgervertrags. Die Klage wurde mit inzwischen rechtskräftigem Urteil abgewiesen, da ein fälliger Zahlungsanspruch und eine Fristsetzung fehlte.

Nunmehr verlangt die Klägerin Verzugsschadenersatz, weil die Beklagte ihr die Wohnung nicht zum Vertragstermin übergeben habe.

Entscheidung | KG 21 U 139/18

Die zulässige Berufung hatte keinen Erfolg. Ein etwaiger vertraglicher Anspruch sei durch wirksamen Rücktritt und die damit verbundene Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis erloschen.

Ein Bauträger könne von einem Bauträgervertrag zurücktreten, wenn der Erwerber eine fällige Zahlung nicht geleistet habe und ihm eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, an das vorige Urteil sei das Gericht trotz Rechtskraft nicht gebunden.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass dem Rücktritt kein nichtiges Schuldverhältnis entgegenstünde (§ 134 BGB) da der Zahlungsplan des Bauträgervertrages nicht zulasten der Klägerin von § 3 Abs. 2 MaBV abweiche. Der Umstand, dass die Schlussrate bereits bei Fälligkeit der Bezugsfertigkeitsrate auf ein Anderkonto der beurkundenden Notarin zu zahlen war, stelle keine solche Abweichung dar. Er führe nicht dazu, dass die Beklagte bereits mit Bezugsfertigkeit über die Schlussrate verfügen könne, sondern nur, dass diese bereits zu ihren Gunsten sichergestellt sei. Aus § 3 Abs. 2 MaBV ließe sich aber nicht ableiten, dass der Erwerber bis zur vollständigen Fertigstellung über die Liquidität der Schlussrate verfügen können muss, zumal er sie ohnehin im Regelfall über eine Bank finanziere. Dem Bauträger stehe die Liquidität vor Erreichen eines entsprechenden Bautenstandes zwar noch nicht zu, er könne bei der vorliegenden Vertragsgestaltung aber auch nicht über das Guthabe auf dem Anderkonto der beurkundenden Notarin verfügen. Deshalb sei eine solche Regelung nicht zu beanstanden, zumal der Erwerber von der an in aller Regel den Vertragsgegenstand insgesamt nutzen könne.

Die Beklagte habe auch wirksam eine Frist zur Nacherfüllung der hieraus resultierenden, offenen Forderung gesetzt. Die Zuvielforderung berühre die Wirksamkeit der Fristsetzung gem. § 323 Abs. 1 BGB hier nicht. Entscheidend für eine etwaige Unwirksamkeit seien die Umstände des Einzelfalls und ob der Schuldner die Signalwirkung der Zahlungsaufforderung erreicht habe. Davon sei auszugehen, wenn der Schuldner die Aufforderung des Gläubigers, auch wenn sie sich auf einen zu hohen Betrag bezieht, so verstehen müsse, dass er zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung aufgefordert ist und der Schuldner zur Ermittlung der wirklich geschuldeten Forderungshöhe in der Lage ist. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, da es der Klägerin als objektiv abwägende Vertragspartei, die ihre eigene Rechtsposition einer kritischen Prüfung unterzieht, hätte möglich sein müssen, die berechtigten Abzüge in der objektiv berechtigten Höhe in etwa zutreffend zu ermitteln.

Die Pflichtverletzung sei auch nicht unerheblich gewesen. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB finde hier auch auf den Rücktritt des Geldleistungsgläubigers Anwendung, da das Gesetz keine anderweitige Geltung zu entnehmen sei. Ob eine Pflichtverletzung darüber hinaus unerheblich ist, sei aufgrund einer Gesamtabwägung zu entscheiden. Insbesondere beim Rücktritt eines Geldleistungsgläubigers verbiete sich die Annahme eines starren Schwellenwerte, vielmehr käme es auf den Einzelfall und den Kontext des Zahlungsrückstands an. Handele es sich um einen absolut nicht unerheblichen Betrag (10.000 €), dessen Zahlung der Erwerber beharrlich über einen längeren Zeitraum verweigere, könne dies durchaus den Rücktritt rechtfertigen, auch wenn es sich lediglich um einen Kaufpreisanteil in Höhe von zB 1,5% handeln sollte. Auf der anderen Seite könne auch eine höhere Nichtzahlung deshalb unerheblich sein, weil der Rücktrittsgläubiger selbst durch eine Zuvielforderung zu einer unklaren Forderungshöhe beigetragen habe. Ebenso könne eine zugunsten des Erwerbers bestehende Aufrechnungslage zu berücksichtigen sein. Vorliegend nahm das Gericht an, dass selbst nach Aufrechnung ein erheblicher Betrag in Rückstand geblieben wäre (43.000 €). Dies hätte eine objektive Partei in der Situation der Klägerin unschwer feststellen können und müssen.

Praxishinweis | KG 21 U 139/18

Vor dem Hintergrund der Bedeutung des in § 3 Abs. 2 MaBV festgelegten Ratenzahlungsplans bei Bauträgerverträgen hat die Entscheidung große Praxisrelevanz. Das Gericht stellt fest, dass eine Zahlung auf das Anderkonto von der MaBV gedeckt ist, setzt sich allerdings kaum mit Gegenargumenten auseinander. Bei der Vertragsgestaltung ist daher Umsicht geboten.