OLG Stuttgart 14 U 26/16
Gesellschaftsvertragliches Konkurrenzverbot

04.11.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Stuttgart
21.03.2019
14 U 26/16
GmbHR 2019, 779

Leitsatz | OLG Stuttgart 14 U 26/16

Für einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der sog. „Geschäftschancenlehre“ bei Planungsleistungen für öffentliche Auftraggeber bedarf es besonderer Darlegungen, um die behaupteten Folgeprojekte als der Gesellschaft zugeordnet schlüssig annehmen zu können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beauftragung (bislang) nur auf einzelne Leistungsphasen beschränkt erfolgte und (Folge-)Aufträge in Anwendung öffentlicher Vergaberegeln zur Erhaltung des Wettbewerbs.

Sachverhalt | OLG Stuttgart 14 U 26/16

Die klagende GmbH war ein Ingenieurbüro mit vorwiegend kommunalem Kundenstamm, in dem die beiden beklagten Ingenieure zuletzt als Teamleiter angestellt waren und Prokura hatten. Der Beklagte zu 1 war darüber hinaus 13 %, der Beklagte zu 2 26 % der Geschäftsanteile an der Klägerin. Mehrheitsgesellschafter mit 61 % war der Geschäftsführer der Klägerin. Mit Schreiben vom 07.11.2014 kündigten die Beklagten ihre Arbeitsverhältnisse zum 31.12.2014. Am 17.11.2014 gründeten die Ehefrauen der Beklagten die R-GmbH mit Gesellschaftszweck Betrieb eines Ingenieursbüros. Ab Ende November teilten etliche Gemeinden mit, dass sie ihre Zusammenarbeit mit der Klägerin beenden und mit der R- GmbH zusammenarbeiten wollten. Die Beklagten kündigten ihre Gesellschaftsverhältnisse zum 31.12.2015 und teilten Kunden der Klägerin mit, dass sie nun die Arbeit im „neuen Büro“ bei der R.-GmbH begonnen hätten. Daraufhin klagte die GmbH vor dem LG Stuttgart auf Unterlassung jeglicher geschäftlichen Tätigkeit im Geschäftsbereich der Klägerin und Schadenersatz. Sie beriefen sich dabei auf das im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Konkurrenzverbot, aufs Gesetz und auf einen Verstoß gegen gesellschafterliche Treuepflichten. Das LG Stuttgart wies die Klage insgesamt ab.

Entscheidung | OLG Stuttgart 14 U 26/16

Das OLG Stuttgart wies Klage mangels Begründetheit ab, so dass auch dem Begehren auf Feststellung der Erledigung in der Berufungsinstanz nicht zu entsprechen gewesen sei. Der Klägerin stehe - soweit nicht ohnehin verjährt - schon kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten infolge deren anderweitigen beruflichen Engagements im Zusammenhang mit der R.-GmbH zu. Mangels materiell-rechtlicher Grundlage für den mit der Stufenklage verfolgten Hauptanspruch könne über die darin verbundenen Anträge deshalb einheitlich entschieden werden.

Das Verhalten der Beklagten sei demnach nicht als Zuwiderhandlung gegen ein Verbot der Konkurrenztätigkeit zu werten gewesen. Die Pflicht zum Unterlassen von Konkurrenztätigkeit nach § 60 HGB sei mit Beendigung des Anstellungsverhältnisses mit der Klägerin entfallen. Im Übrigen sei für diese Ansprüche Verjährung nach § 61 HGB eingetreten. Für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei das Wettbewerbsverbot aus § 7 des Gesellschaftsvertrages wegen Verstoßes gegen § 138 BGB i. V. m. Art 12 Abs. 1 GG unwirksam. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei dies der Fall, wenn Zeit, Ort oder Gegenstand über das schutzwürdige Interesse des Verpflichteten hinausgingen und diesen übermäßig beschränken.

Maßstab für das aus der Gesellschafterstellung folgende Gefahrenpotential für die Interessen der Gesellschaft sei die innere Stellung des Gesellschafters, aufgrund derer ihm die Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft möglich ist und die damit zugleich das Maß seiner Treuepflicht bestimme. Je nach Umständen des Einzelfalles könne daher auch ein Minderheitsgesellschafter einen solchen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Das jedem GmbH-Gesellschafter zustehende Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 51a GmbHG allein reiche für eine maßgebliche Einflussnahme indes nicht aus, weil dieses bei Missbrauchsgefahr verweigert werden könne. In der Literatur werde darüber hinaus ein vertragliches Wettbewerbsverbot für einen Minderheitsgesellschafter dann als zulässig erachtet, wenn es sich um eine personalistisch strukturierte GmbH handele, die sich insbesondere durch die persönliche Mitarbeit und Zusammenarbeit der Gesellschafter auszeichne. Nach Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit den Beklagten habe keine Gefahr mehr bestanden, dass diese die Gesellschaft von innen aushöhlen und infolge ihrer verbleibenden Gesellschafterstellung ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage berauben könnten.

Auch aus der gesellschafterlichen Treuepflicht ergebe sich nichts anderes. Das Verbot, Geschäftschancen an sich zu ziehen, umfasse zugleich das Verbot, diese auf nahestehende Personen oder eine andere Gesellschaft umzuleiten, die durch den Gesellschafter beherrscht oder bei der er als Geschäftsführer tätig werde. Im zu entscheidenden Fall müsse jedoch beachtet werden, dass es um keinen einzelnen Vertrag gehe, sondern um ganze Bauprojekte, die in mehrere gesondert zu beauftragende Leistungsphasen zu unterteilen seien. Die Klägerin habe daher substantiiert vorgetragen müssen, dass bereits sämtliche Leistungsphasen beauftragt gewesen seien. Eine Vermutung für eine Gesamtbeauftragung existiere nicht. Hinzu komme, dass es sich um öffentliche Aufträge gehandelt habe, die gesondert hätten beauftragt und vergaberechtlich ausgeschrieben werden müssen, so dass sich bereits hieraus ein Konkurrenzkampf ergeben hätte, was gegen eine konkrete Geschäftschance der Klägerin sprechen würde. Daher hätten die Beklagten keine Möglichkeit gehabt, Geschäftschancen der Klägerin auf die neu gegründete Gesellschaft der Ehefrauen der Beklagten überzuleiten.

Praxishinweis | OLG Stuttgart 14 U 26/16

In der Praxis ist besonderes Augenmerk auf die Regelung eines Konkurrenzverbotes in der Satzung zu richten. Im Streitfall droht ansonsten die Unwirksamkeit der Regelung.