BGH III ZR 58/19
14-Tages-Frist bei Immobilienverträgen

05.10.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
28.05.2020
III ZR 58/19
juris

Leitsatz | BGH III ZR 58/19

  1. Der Notar muss, wenn er um Beurkundung einer auf einen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung ersucht wird, klären, ob es sich um einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 17 Abs. 2 lit. a) BeurkG handelt, sofern der Status des Urkundsbeteiligten nicht offensichtlich ist.
  2. Verbleiben hiernach Zweifel an der Verbrauchereigenschaft des Urkundsbeteiligten, muss der Notar den sichersten Weg währen und den Beteiligten wie einen Verbraucher behandeln. Auf die Einhaltung der Wartefrist des § 17 Abs. 2 lit. a) Satz 2 Nr. 2 BeurkG ist auch in diesem Fall hinzuwirken.

(amtl. Leitsatz)

Sachverhalt | BGH III ZR 58/19

Der Kläger nahm den beklagten Notar wegen notarieller Amtspflichtverletzung gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO in Anspruch. Als angestellter Pharmavertreter kaufte er mit dem vom Beklagten im November 2010 beurkundetem Vertrag vier Eigentumswohnungen zum Kaufpreis von insgesamt 140.000€. Einen Vertragsentwurf hatte der Kläger vor dem Beurkundungstermin nicht erhalten. Der Beklagte beurkundete den Vertrag ohne dies geklärt und auf die Einhaltung der Wartefrist hingewirkt zu haben, was der Kläger nunmehr auf Grundlage des § 17 Abs. 2 lit. a) Satz 2 Nr. 2 BeurkG rügte: Bei Einhaltung der gesetzlichen Wartefrist hätte er die Zeit genutzt, um anwaltlichen Rat einzuholen. Den Vertrag hätte er dann nicht mehr abgeschlossen. Der Beklagte hingegen vertrat die Auffassung, der Kläger habe die Eigentumswohnungen zu gewerblichen Zwecken erworben, weswegen er nicht gem. § 17 Abs. 2 lit. a) Satz 2 Nr. 2 BeurkG zu belehren gewesen sei. Selbst wenn der Kläger Verbraucher gewesen wäre, hätte er bei Einhaltung der Wartefrist den Vertrag genau so, wie von ihm beurkundet, abgeschlossen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das OLG zurückgewiesen.

Entscheidung | BGH III ZR 58/19

Die zulässige Revision des Klägers hielt der BGH für begründet.

Der Beklagte habe gegen seine Amtspflicht verstoßen indem er es unterließ, den Sachverhalt in Bezug auf die Frage, ob der Kläger als Verbraucher handelte, zu klären. Bereits dann, wenn nach einer solchen Klärung Zweifel in Bezug auf die Verbrauchereigenschaft verblieben wären, hätte er gemäß § 17 Abs. 2 lit. a) Satz 2 Nr. 2 BeurkG verfahren müssen. Hierzu seien bislang keine Feststellungen getroffen worden.

Hätte der Versuch, den Zweck des Vertragsschlusses zu erkunden zu keinem Ergebnis geführt, hätte der Notar dem Gebot des sichersten Weges folgend, die Vorschriften zum Schutze des Verbrauchers zu beachten.

Für eine Klärung habe der Beklagte Anlass gehabt, da er allein aufgrund der Tatsache, dass der Kläger eine für ein durchschnittliches Privatgeschäft unübliche Anzahl von Wohnungen erwarb, nicht als offensichtlich annehmen durfte, dass kein Verbrauchergeschäft vorgelegen habe. Sodann erläutert das Gericht die Abgrenzungskriterien zwischen Verbraucher- und Unternehmereigenschaft nach § 13 BGB, bzw. § 14 BGB: Die hier in Rede stehende Verwaltung eigenen Vermögens, wozu auch der Erwerb oder die Verwaltung einer Immobilie gehöre, stelle regelmäßig keine gewerbliche Tätigkeit dar. Die Höhe der verwalteten Werte sei dabei ebenso wenig maßgeblich wie der Umfang der Fremdfinanzierung, die beim Immobilienerwerb regelmä0ig zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören könne, sodass sie allein nicht auf ein Gewerbe schließen lasse. Hätten Umfang, Komplexität und die Anzahl der damit verbundenen Vorgänge allerdings einen planmäßigen Geschäftsbetrieb – wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation erfordert – so läge eine gewerbliche Tätigkeit vor. Ob der mit der Vermögensverwaltung verbundene organisatorische und zeitliche Aufwand das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebes vermittelt, sei letztlich Frage des Einzelfalls. Im Ergebnis sei für die Unternehmereigenschaft nach § 14 BGB die Anzahl der erworbenen Immobilien für sich betrachtet jedoch nicht maßgeblich.

Das Gericht weist auch darauf hin, dass hierbei auf die Beurteilung des Gewerbebegriffs in anderen Rechtsgebieten nicht zurückgegriffen werden dürfe. Dementsprechend seien Feststellungen nachzuholen, ob der Beklagte, hätte er eine pflichtgemäße Klärung des Klägerstatus vorgenommen, aus seiner Sicht zum Zeitpunkt des Beurkundungsersuchens zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass der Kläger bei Abgabe seiner Willenserklärung nicht als Verbraucher handelte.

Zuletzt erging für das weitere Verfahren noch folgender Hinweis: Sollte der Beklagte infolge der Verletzung seiner Aufklärungspflicht verstoßen haben, sich demgegenüber bei einer objektiven ex-post Betrachtung aber ergeben, dass der Kläger als Unternehmer handelte, fiele der verursachte Schaden nicht in den Schutzbereich der verletzten Norm. Denn der Zweck der Aufklärungspflicht bestünde darin, dass der Notar erkennt, ob die zum Schutz des Verbrauchers gebotene Wartefrist eingehalten werden müsse. Einem unternehmerisch tätigen Urkundsbeteiligten komme diese Wartefrist aber nicht zugute, sodass ein auszugleichendes typisches wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern in diesen Fällen nicht bestünde. Dem Beklagten wäre der vom Kläger geltend gemachte Schaden daher nicht zuzurechnen, wenn dieser objektiv in Ausübung eines Nebenerwerbsgeschäfts tätig war.

Praxishinweis | BGH III ZR 58/19

Das Urteil bekräftigt die umfassende Prüfungspflicht der Verbraucher- bzw. Unternehmereigenschaft nach BGB-Vorschriften. Insbesondere hebt es hervor, dass der Kauf mehrerer Wohnungen allein den Käufer nicht automatisch zum Unternehmer im Sinne von § 14 BGB macht. Dies erhöht die Anforderungen an die Notare nicht zuletzt insoweit, als durch die Neufassung des § 13 BGB bei sogenannten „Dual Use“ Geschäften, also solchen, die nicht eindeutig der einen oder der anderen Eigenschaft zugeordnet werden können, der Verbrauchereigenschaft zugutekommen und hierdurch ein „Überwiegen“ nach § 13 n.F. BGB herausgearbeitet werden muss.