OLG München 7 U 1844/19
Abfindungsbeschränkungen bei einem Mitarbeiterbeteiligungsmodell / Managermodell

30.09.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
13.05.2020
7 U 1844/19
juris

Leitsatz | OLG München 7 U 1844/19

  1. Gesellschaftsvertragliche Regelungen, die einem Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit in einer GmbH das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen (sog. Hinauskündigungsklauseln), sind grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Das gleiche gilt für neben dem Gesellschaftsvertrag getroffene schuldrechtliche Regelungen (BGH, 19. September 2005, II ZR 173/04).
  2. Für die Unbedenklichkeit eines Managermodells kommt es entscheidend darauf an, dass es in Anbetracht des prozentualen Anteils des Geschäftsführers an der Gesellschaft und unter Berücksichtigung deren Gesellschafterstruktur praktisch ausgeschlossen ist, dass der Geschäftsführer durch sein Stimmverhalten Entscheidungen der Gesellschafterversammlung beeinflussen kann, dass er kein über das bloße Insolvenzrisiko hinausgehendes wirtschaftliches Risiko übernimmt und dass mit der Gesellschaftsbeteiligung eine Anreiz- und Belohnungsfunktion verbunden ist.

(amtl. Orientierungssatz)

Sachverhalt | OLG München 7 U 1844/19

Der Kläger war Gründungsgesellschafter der Beklagten, mit der er sich in der Berufungsinstanz über seine Stellung als Gesellschafter stritt.

Zum Gründungszeitpunkt einigten sich die Gesellschafter auf sogenannte „CEO- Zusatzbestimmungen“, die für die Beteiligung des CEO an der Gesellschaft gelten sollten und als Anlage zur Gesellschaftervereinbarung beigefügt wurden. Die Gesellschaftervereinbarung wiederum sollte ihrerseits den Gesellschaftsvertrag ergänzen.

Nach Ziffer 1 dieser Bestimmungen bot der CEO an „hiermit schon jetzt verbindlich und unwiderruflich aufschiebend bedingt durch den Eintritt eines der nachstehend beschriebenen Fälle seines Ausscheidens als Geschäftsführer der Gesellschaft seine Beteiligung an die Gesellschaft zu verkaufen und abzutreten“. Der Ausscheidensfall war durch die CEO-Zusatzbestimmungen definiert als „jedwede Beendigung des Dienstvertrages oder der Organstellung als Geschäftsführer der Gesellschaft, bzw. der Freistellung als Geschäftsführer von seiner Tätigkeit gemäß Dienstvertrag“.

Die Beklagte hatte ein Stammkapital von 25.000,00 €, bestehend aus 25.000 Geschäftsanteilen zu je 1,00 €. Der Kläger hielt davon 25 Prozent. Daneben leistete er eine „Einlage in Rücklagen“, die als Zahlung des sogenannten „CEO-Erwerbspreises“ galt.

Durch die Gesellschaftervereinbarung verpflichtete sich der Kläger im Übrigen, der Gesellschaft zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, soweit diese zur Deckung einer Nachfinanzierungsverpflichtung der Gesellschaft aus einem Kaufvertrag erforderlich werden würden. Darüber hinaus waren Jahresüberschuss, Gewinnvorträge sowie Gewinn- und Kapitalrücklagen von der Ausschüttung an die Gesellschafter grundsätzlich ausgeschlossen und wurden thesauriert.

Nachdem die Beklagte mit notariellem Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag sämtliche Geschäftsanteile einer GmbH erworben hatte, wurde der Kläger zum alleinigen Geschäftsführer dieser GmbH bestellt.

Zwei Jahre später berief die Beklagte den Kläger als Geschäftsführer ab und stellte ihn von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Der Geschäftsführerdienstvertrag wurde gekündigt.

Im Anschluss hieran beschloss eine außerordentliche Gesellschafterversammlung die Zustimmung zum Erwerb der bis dato vom Kläger gehaltenen Geschäftsanteile (TOP 1) sowie zu den sich hieraus ergebenen Verfügungen (TOP 3). Im Übrigen wurde bestimmt, dass die Gesellschaft die Angebote nach Ziffer 1.1 der „CEO-Zusatzvereinbarung“ annehmen solle (TOP 2).

Entscheidung | OLG München 7 U 1844/19

Das OLG München schloss sich als Berufungsinstanz dem Urteil des LG München als Erstinstanz im Hinblick auf die Nichtigkeit der Beschlüsse an und wies insoweit die Berufung der Beklagten zurück.

1. Es bestätigte die Auffassung des Landgerichts, dass die angegriffenen Beschlüsse als Folge der sittenwidrigen und nichtigen CEO-Zusatzbestimmungen ihrerseits ebenso inhaltlich sittenwidrig und nichtig seien. Dies ergebe sich bereits aus ihrem Wortlaut, der eine ausdrückliche Bezugnahme auf die CEO-Zusatzvereinbarung enthalte.

Insofern würden die nach der Rechtsprechung des BGH aufgestellten Grundsätze zur Nichtigkeit gesellschaftsvertraglicher Regelungen, die einem Gesellschafter in einer GmbH das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, auch für neben dem Gesellschaftsvertrag getroffene schuldrechtliche Regelungen und damit für die streitgegenständlichen „CEO-Zusatzbestimmungen“ gelten.

2. Auch liege kein Ausnahmesachverhalt für die Annahme einer sachlichen Rechtfertigung der freien Ausschließungsmöglichkeit aus Ziffer 1 der „CEO-Zusatzbestimmungen“ vor, da die Beteiligung des Klägers im Sinne des „Managermodells“ vorliegend nicht nur ein Annex zur Geschäftsführerstellung darstelle.

a. Schon die Höhe des Anteils des Klägers an der Gesellschaft spreche mit 25 Prozent dagegen. Denn diese führe dazu, dass es gerade nicht praktisch ausgeschlossen – oder tatsächlich unmöglich - wäre, dass der Kläger seine Vorstellungen in der Gesellschafterversammlung durchsetzen könnte. Vielmehr könne er aufgrund des Gesellschaftsvertrages und § 50 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung und die dortige Behandlung von „Gegenständen zur Beschlussfassung“ erzwingen. Gerade hierin bestünde sodann diejenige Gefahr, der nach der Rechtsprechung des BGH durch den Ausschluss der freien Hinauskündbarkeit begegnet werden soll.

b. Darüber hinaus spreche für die Sittenwidrigkeit der freien Hinauskündbarkeit auch, dass der Kläger aufgrund der Gesellschaftervereinbarung verpflichtet war, der Beklagten für eine Verbindlichkeit zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, soweit diese erforderlich werden würden. So trüge der Kläger nicht nur das Insolvenzrisiko hinsichtlich seines Anspruchs gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Nennwerts seiner Geschäftsanteile, sondern ein weitergehendes wirtschaftliches Risiko. Dies hebe ihn von der Stellung des reinen GmbH-Geschäftsführers ab, der grundsätzlich nicht für Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen habe und seine Gesellschafterstellung schon deshalb als bloßer Annex betrachtet werden könne.

c. Hinzu käme schließlich, dass sich weder dem Gesellschaftsvertrag, noch der Gesellschaftervereinbarung oder der CEO-Zusatzbestimmung entnehmen ließe, dass bei der Beteiligung des Klägers die Teilhabe am Gewinn der Beklagten im Vordergrund stünde um dadurch die Bindung des Klägers an das Unternehmen zu verstärken, seine Motivation zu steigern und/oder eine Belohnung für seinen erfolgreichen Einsatz zu gewähren.

Praxishinweis | OLG München 7 U 1844/19

Das Urteil enthält wertvolle Hinweise für die Vertragsgestaltung bei Managerbeteiligungen. Das Gericht verdeutlicht zwar, dass das Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung nur im Wege einer Abwägung durch verständige Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls festgestellt werden kann. Nichts desto trotz hat es die Parameter weiter konkretisiert, nach denen sich eine sachliche Rechtfertigung für die freie Hinauskündbarkeit (jedenfalls nicht) richten kann: die Managerbeteiligung kann nicht als bloßer Annex zur Geschäftsführerstellung begriffen werden, wenn der Gesellschafter hierdurch ein wirtschaftliches Risiko übernimmt (1.), maßgeblich auf Beschlüsse der Gesellschafterversammlung Einfluss nehmen kann (2.) und keine – vertraglich festgehaltenen und damit der Auslegung zugänglichen - Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beteiligung lediglich als Motivation oder Anreiz für den Geschäftsführer eingeräumt wurde (3.).