OLG Stuttgart 8 W 295/19
Kein Wertgutachten eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers bei Einbringung eines Unternehmens als gemischte Sacheinlage

12.08.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Stuttgart
09.03.2020
8 W 295/19
GmbHR 2020, 661

Leitsatz | OLG Stuttgart 8 W 295/19

  1. Zwischenverfügungen des Registergerichts müssen formal nicht durch Beschluss ergehen und entsprechend nicht die Formalien des § 382 FamFG bzw. § 38 FamFG einhalten.
  2. Das Registergericht ist wegen § 55 Abs. 1 UmwG, § 57a, 9c GmbHG gehalten, die Kapitalerbringung auch im Falle einer Kapitalerhöhung zu prüfen. Die Prüfungspflicht erstreckt sich auch auf ein als Sacheinlage einzubringendes Unternehmen bzw. einer gemischten Sacheinlage, weshalb die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen auch zum Register jenes Unternehmens einzureichen sind.
  3. Eine Zwischenverfügung ist inhaltlich unzulässig, wenn von dem Antragsteller die Vorlage eines Gutachtens eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers zwingend zum Nachweis, dass das übergehende Vermögen den gewährten Geschäftsanteil zuzüglich des zusätzlich gewährten Darlehensanspruchs deckt, gefordert wird.

Sachverhalt | OLG Stuttgart 8 W 295/19

Ein Einzelkaufmann gliedert sein Unternehmen gemäß §§ 152 Satz 1, 153 ff. UmwG zur Aufnahme durch eine GmbH aus. Er erhält als Ausgleich Geschäftsanteile an der übernehmenden GmbH. Die Übertragung der unternehmenszugehörigen Vermögenswerte erfolgte auf der Grundlage der festgestellten Ausgliederungsbilanz. Der übertragende Einzelkaufmann und alleiniger Geschäftsführer der übernehmenden GmbH meldete die Ausgliederung zur Aufnahme zum Handelsregister an.

Der Anmeldung wurde u.a. die Schlussbilanz des Unternehmens zum Ausgliederungsstichtag beigefügt, ebenso wie eine Werthaltigkeitsbestätigung des Steuerberaters hinsichtlich des übertragenen Vermögens und eine Vermögensaufstellung bzgl. des Vermögens des übertragenden e.K.

Das Registergericht forderte mit Schreiben vom 12.6.2019, 19.6.2019 und 22.7.2019 die Vorlage eines von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer ausgestellten Wertgutachtens. Aus diesem Gutachten müsse sich nach Ansicht des Registergerichts ergeben, dass das übergehende Vermögen den Geschäftsanteil an der übernehmenden GmbH (zuzüglich des daneben gewährten Darlehens) zum Zeitpunkt der Anmeldung deckt. Das Registergericht begründet die Erforderlichkeit eines solchen Gutachtens damit, dass es gemäß §§ 55 Abs. 1 UmwG, 57c, 9c GmbHG die Kapitalaufbringung im Rahmen der Ausgliederung zur Aufnahme zu prüfen habe. Dies sei aufgrund der Schlussbilanz des Einzelunternehmens nicht möglich.

Entscheidung | OLG Stuttgart 8 W 295/19

Das OLG Stuttgart als Beschwerdegericht widerspricht der Ansicht der Beschwerde zwar insoweit, als diese angeführt hatte, eine Fristsetzung gemäß § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG könne wirksam nur in Form eines Beschlusses nach § 38 FamFG unter Einhaltung aller für eine Endentscheidung vorgesehenen Formalien erfolgen. Vielmehr ist der Senat der Ansicht (der sich in dieser Frage einer Entscheidung des OLG Karlsruhe aus dem Jahr 2019 anschließt), dass im Falle einer Zwischenverfügung gemäß § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG gerade keine Entscheidung im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG vorliege, die den Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt. Daher müsse die Zwischenverfügung nicht als Beschluss ergehen. Zwar könne gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 FamFG für Registersachen Abweichendes geregelt werden. Dies sei aber bei § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG, anders als bei § 382 Abs. 3 FamFG nicht der Fall.

Die Beschwerde hat jedoch Erfolg, soweit das Registergericht vom Antragsteller die Beibringung eines Gutachtens eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers als Nachweis dafür verlangt, dass das übergehende Vermögen den gewährten Geschäftsanteil zuzüglich des zusätzlich gewährten Darlehensanspruchs deckt.

Zwar bleibt die Feststellung des Registergerichts unbeanstandet, dass es wegen § 55 Abs. 1 UmwG, 57c, 9c GmbHG gehalten sei, die Kapitalaufbringung auch bei der Kapitalerhöhung zu prüfen und sich diese Pflicht auch auf ein als Sacheinlage einzubringendes Unternehmen erstreckt. Jedoch ergebe sich daraus nicht, dass zwingend die Vorlage eines Gutachtens eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers erforderlich sei.

Die Amtsermittlungspflicht des Registergerichts stehe in einem Spannungsverhältnis zwischen (1.) dem Gebot hinreichender Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall einerseits und (2.) dem Eintragungsanspruch der Beteiligten und ihrem Interesse an einer zügigen und kostengünstigen Eintragung anderseits. Jedenfalls kostenintensive Unterlagen (wie das vorliegend geforderte Gutachten eines Wirtschaftsprüfers) dürften vom Registergericht daher nicht pauschal verlangt werden, sondern nur, wenn dies die konkreten Umstände des Einzelfalls gebieten. Als Beispiel nennt der Senat den Fall, dass eingereichte Unterlagen

  • unklar, in sich widersprüchlich oder lückenhaft sind, oder
  • sonstige konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des vorgetragenen Sachverhalts benannt werden können.

Daraus folgert das Gericht, dass zur Ermittlung der Werthaltigkeit in aller Regel die Schlussbilanz des übertragenen Unternehmens genüge. Unbeanstandet wäre dagegen geblieben, wenn das Registergericht in Anlehnung an die Vorschriften zur Gründung der GmbH die Vorlage eines Sachgründungsberichts gefordert hätte.

Auch könne die Vorlage eines Gutachtens auch nicht mit der Begründung gefordert werden, dass die konkrete Höhe des nach § 3 des Ausgliederungsvertrags gutzubringenden Darlehens nicht vermerkt und nicht bekannt sei. Zwar sei bei einer gemischten Sacheinlage zu fordern, dass auch dem Einleger gewährte Gegenleistungen, also nicht nur der Betrag der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht, sondern auch der dem Einleger in Form eines Darlehensanspruchs zu vergütende Teil in dem für die Eintragung notwendigen Formalien festzuhalten ist, wobei es ausreichen könne, das der Schätzwert zum durch die §§ 9 Abs. 1, 9c Satz 2, 56 Abs. 2, 57c GmbHG festgelegten Zeitpunkt angegeben werde. Diese Angaben seien jedoch im Gesellschaftsvertrag (beziehungsweise den sonstigen für die Anmeldung notwendigen förmlichen Urkunden) zu vermerken, sodass das vom Registergericht geforderte Gutachten insoweit weder erforderlich noch ausreichend sei.

Praxishinweis | OLG Stuttgart 8 W 295/19

Der erste Leitsatz steht im Widerspruch zu der bisherigen herrschenden Rechtsprechung, in der es freilich an einer höchstrichterlichen Entscheidung fehlt. Das OLG Stuttgart stellt sich der h.M. entgegen und schließt sich damit einem Beschluss des OLG Karlsruhe aus dem Jahr 2019 an. Hier wäre eine Klärung durch den BGH wünschenswert, zumal die Argumentation des Beschwerdegerichts vor dem Hintergrund der Systematik der §§ 38 Abs. 1 Satz 1, 382 Abs. 3 und 4 Sätze 1 und 2 FamFG durchaus als stringent bezeichnet werden kann.

Den Ausführungen des OLG Stuttgart zu der Ermittlung der Reichweite der Amtsermittlungspflicht des Registergerichts vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen dem Gebot hinreichender Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall und dem Eintragungsanspruch der Beteiligten und ihrem Interesse an einer zügigen und kostengünstigen Eintragung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Insbesondere erscheint es diesem Spannungsverhältnis angemessen, eine Vorlage eines Gutachtens in der vom Registergericht geforderten Art erst bei besonderen Anhaltspunkten für eine Fehlerhaftigkeit der Angaben in Betracht zu ziehen.