OLG München 31 Wx 229/19; 31 Wx 230/19; 31 Wx 231/19
Wirksamkeit von Testamenten auf eingerissenem Notizzettel

16.07.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG München
28.01.2020
31 Wx 229/19; 31 Wx 230/19; 31 Wx 231/19
NJW-Spezial 2020, 263

Leitsatz | OLG München 31 Wx 229/19; 31 Wx 230/19; 31 Wx 231/19

Eine mindere Qualität des Materials zur Testamentsniederschrift steht dem Testierwillen im Einzelfall nicht entgegen und ist nicht per se als Entwurf zu werten. Ein Einriss des Materials lässt entgegen eines Durchreißens ohne weitere Anhaltspunkte auch nicht auf einen Vernichtungswillen schließen.

Sachverhalt | OLG München 31 Wx 229/19; 31 Wx 230/19; 31 Wx 231/19

Der Erblasser beschreibt bei einem Krankenhausaufenthalt die Rückseite eines Notizzettels mit „Mein Testament“ und verteilt sein Vermögen unter seinen Geschwistern gerecht. Die durch vormaliges handschriftliches Testament zur Alleinerbin eingesetzte Schwester wendet sich mit der Beschwerde zum OLG München gegen die Zurückweisung ihres Alleinerbscheinsantrag.

Entscheidung | OLG München 31 Wx 229/19; 31 Wx 230/19; 31 Wx 231/19

Die Beschwerde bleibt erfolglos. Die alleinige Verwendung eines Notizzettels als Grundlage für die Errichtung eines handschriftlichen Testaments lässt trotz minderer Qualität des Materials nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass lediglich ein Entwurf gefertigt werden sollte und es insoweit am Testierwillen fehle. Vielmehr habe der Erblasser hier ein formgerechtes Testament errichtet, sodass auf den Testierwillen des Erblassers ohne weitere Anhaltspunkte zu schließen sei. Heranzuziehen seien hier auch die Umstände, dass sich der Erblasser im Krankenhaus befand und auch andere Kommunikation vor Ort mittels Nachrichten auf den Notizzetteln vollzogen habe. Ein geringer Einriss spreche bei der Beschaffenheit des Materials auch nicht für einen Vernichtungswillen (§ 2255 Abs. 1 BGB). Vielmehr sei es ohne weitere Anzeige von Umständen wahrscheinlicher, dass der Zettel ohne Einwirkung des Erblassers bei üblicher Benutzung (z.B. Abreißen des Notizzettels vom Block) eingerissen worden sei. Bei einer Vernichtungsabsicht wäre der Notizzettel wahrscheinlich bewusst durchgerissen worden.

Praxishinweis | OLG München 31 Wx 229/19; 31 Wx 230/19; 31 Wx 231/19

Das OLG München bestätigt mit diesem Beschluss die gängige Rechtsprechung, dass es für die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen nicht auf die Materialbeschaffenheit ankommt. Zwar kann dies ein Indiz für das Vorliegen eines Entwurfes sein. Soweit die Errichtung hingegen formgemäß erfolgt ist, spricht dieses zunächst für den Testierwillen des Erblassers. Dies ist auch konsequent. Soweit keine anderen Umstände gegen den Testierwillen des Erblassers sprechen, ist sein letzter Wille anzuerkennen. Hat der Erblasser jedoch keinen Zugriff, z.B. weil er sich im Krankenhaus oder ggf. in einer Krisenregion befindet, so muss es ihm dennoch möglich sein, seinen letzten Willen ordnungsgemäß festzuhalten. Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Anforderungen an die Materialbeschaffenheit ausdrücklich keine Anforderungen vorgenommen.