OLG Schleswig 1 U 19/19
Unwirksamkeit einer Hinterlegungsklausel zur Schlussrate in Bauträgervertrag

24.06.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Schleswig
21.02.2020
1 U 19/19
NZBau 2020, 371

Leitsatz | OLG Schleswig 1 U 19/19

  1. Bei Bauträgerverträgen besteht ein erster Anschein für die Vorlage von AGB auch wenn das Vertragsformular im Auftrag des Bauträgers vom Notar entwickelt worden ist.
  2. Eine AGB-Klausel, die den Erwerber verpflichtet, die letzte Rate des Erwerbspreises auf ein Notaranderkonto zu zahlen, ist unwirksam, da sie dem Erwerber das Zurückbehaltungsrecht gemäß § 320 BGB versagt.
  3. Die Geltendmachung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung steht einer Kondizie-rung des aufgrund unwirksamer Vertragsklausel hinterlegten Betrags nicht entgegen.

Sachverhalt | OLG Schleswig 1 U 19/19

Der Beklagte kaufte vom klagenden Bauträger mehrere noch zu errichtende Eigentumswohnungen. In § 9 des Vertrags war geregelt, dass der Beklagte die letzte Rate des Erwerbspreises auf ein Notaranderkonto einzuzahlen hat. Der Notar sollte nach Erhalt des Abnahmeprotokolls an den Kläger auszahlen dürfen. Soweit im Abnahmeprotokoll Mängel benannt worden sind, sollte der Notar den von den Parteien festgelegten Schätzwert der Erledigungskosten in zweifacher Höhe einbehalten.

Nach Fertigstellung verlangte der Kläger die Auszahlung des hinterlegten Betrags gegenüber dem Notar. Der Beklagte verweigerte wegen verschiedener Baumängel die Freigabe und forderte seinerseits in gesondertem Verfahren einen Vorschuss zur Behebung der Mängel.

Entscheidung | OLG Schleswig 1 U 19/19

Dem Kläger stehen in der Sache keine Rechte am Guthaben auf dem Notaranderkonto zu. Der Beklagte kann gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB kondizieren. Er hat einen Anspruch auf Freigabe der hinterlegten Beträge durch den Kläger.

Die Regelung des Zwangs zur Hinterlegung der letzten Kaufpreisrate verstößt gegen § 309 Nr. 2 a) BGB und ist jedenfalls als unangemessene Benachteiligung des Beklagten gemäß § 307 I, II Nr. 1 BGB unwirksam.

Der Einwand des Klägers der Entwurf des Vertrages sei durch den Notar erfolgt und entsprechend keine vom Bauträger gestellten AGB iSv § 305 Abs. 1 BGB, schlägt nicht durch. Es besteht ein erster Anschein, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die vom Bauträger gestellt sind (vgl. BGHZ 118, 229 = NJW 1992, 2160). Soweit ein Notar im Auftrag einer Partei, hier eines Bauträgers das Vertragsformular entwirft und diese betroffene Partei bei dem entsprechenden Notar eine Vielzahl an Eigentumswohnungen veräußert, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass im Regelfall immer das gleiche Vertragsformular verwendet wird. Hier hatte der Beklagte allein schon drei Eigentumswohnungen mit gleichlautendem Vertragstext vom Bauträger erworben.

Die Regelung in § 9 des Vertrages, die den Beklagten zur Hinterlegung des Betrags der letzten Kaufpreisrate verpflichtet, hält der Kontrolle der §§ 305 ff. BGB nicht stand. Er nimmt dem Beklagten die Möglichkeit sein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 320 BGB wahrzunehmen. Der Kläger erwirbt durch die Hinterlegung ein gesichertes Anrecht auf die Auszahlung. Das Zurückbehaltungsrecht des § 320 BGB soll dem Erwerber die Möglichkeit einräumen, Druck auf den Bauträger auszuüben, potentielle Mängel zügig zu beseitigen. Durch die Hinterlegung kann der Erwerber die Auszahlung nicht mehr einseitig verhindern. Zwar ist in der vorliegenden Konstellation der Notar zum Einbehalt des zweifachen Schätzwertes der Beseitigungskosten verpflichtet worden. Jedoch besteht die Gefahr zu Lasten des Erwerbers, dass der Bauträger der Mängelbeseitigungsverpflichtung nicht in der gebotenen Schnelligkeit nachkommt. Zudem wird dem Erwerber die Möglichkeit genommen, die ausstehende Kaufpreisrate zur eigenständigen Mängelbeseitigung als Vorschuss im Sinne des § 637 BGB heranzuziehen. Dies stellt jedenfalls eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten (Erwerbers) dar.

Dem Vorbringen, zwischenzeitliche Änderungen des BGB würden die Sicherung des Kaufpreisanspruchs präferieren (vgl. § 650 f BGB) und dem Bauträger einen Sicherungsanspruch einräumen, ist insoweit zu begegnen, dass die Sicherung in ausreichender Form über Bürgschaft oder eine Hypothek erfolgen kann, ohne dass der Erwerber in seinem Zurückbehaltungsrecht beschnitten wird. Nach der gesetzlichen Wertung ist das Entgelt Zug-um-Zug zu leisten. Die Möglichkeit gemäß § 641 III BGB, der jedenfalls in Teilen auf Bauverträge Anwendung findet, einen entsprechend des Mangels bestehenden Betrag einzubehalten, wird durch eine Hinterlegungsklausel zu Lasten des Erwerbers konterkariert. Dem Erwerber muss nach Auffassung des Gerichts die Möglichkeit verbleiben, die Mangelbeseitigung auch einseitig durchsetzen zu können und gegebenenfalls auf sein Recht zur Ersatzvornahme aus Mitteln des Entgelts zurückgreifen zu können. Dieses wird hingegen erschwert, wenn der für die Mangelbeseitigung einbehaltene Betrag nur nach Zustimmung durch den Vertragspartner ausbezahlt werden kann.

Zudem besteht keine gesetzliche Pflicht zur Vorleistung des Erwerbers. Insoweit kann er nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zurückfordern.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte (Erwerber) in gesondertem Verfahren vom Kläger (Bauträger) einen Vorschuss zur Mangelbeseitigung verlangt. Zwar kann der Vorschuss grundsätzlich nur für den über dem Einbehaltenen liegenden Betrag geltend gemacht werden. Soweit der einbehaltene Betrag hingegen beim Notar hinterlegt ist, kann der Erwerber diesen eben nicht ohne Freigabe durch den Bauträger zur Mangelbeseitigung einsetzen. Dem Erwerber steht keine andere Möglichkeit zu, als den vollständigen Vorschussanspruch im Wege der Klage im gesonderten Verfahren geltend zu machen. Der Bauträger ist auch nicht über Gebühr benachteiligt, obwohl er den Vorschuss nun zunächst aus eigener Tasche vollständig zahlen muss und nicht mit der entgegenstehenden Werklohnforderung in Teilen aufrechnen kann. Denn die unwirksame Hinterlegungsklausel ist vom Bauträger gestellt worden und ein Abwarten bis zur Freigabe nach Mangelbeseitigung ist, auch mit Hinblick auf die Möglichkeit der Freigabe der hinterlegten Beträge zu Gunsten des Beklagten, zumutbar.

Praxishinweis | OLG Schleswig 1 U 19/19

Das OLG Schleswig stärkt mit der Entscheidung die ohnehin einschlägige Rechtsprechung zum Schutz der Empfänger gestellter AGB. Der Verwender / der Bauträger muss für das einseitige Vorgeben bestimmter vertraglicher Klauseln, aus seiner Position eines möglichen Nachfrageüberschusses heraus, das Risiko der Unwirksamkeit in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht tragen. Dem Erwerber darf gegenüber dem Bauträger die Möglichkeit zur einseitigen Durchsetzung seiner vertraglichen und gesetzlichen Ansprüche nicht durch AGB des Bauträgers genommen werden. Die Entscheidung des OLG Schleswig überrascht indes nicht, soweit die Beurteilung des unangemessenen Nachteils zu Gunsten des Erwerbers ausfällt. Der Erwerber hat im Regelfall keine Möglichkeit auf Kaufverträge und die darin enthaltenen Regelungen Einfluss zu nehmen, soweit es sich für den Bauträger um ein Projekt mit einer Vielzahl an Verkaufsobjekten handelt und die Nachfrage am Markt in Niedrigzinsphasen besonders hoch ist. Auf die Prüfung von Bauträgerverträgen wird zukünftig auch nach erfolgter Neuregelung der Vorschriften im BGB besonderes Augenmerk gelegt werden müssen.