KG 2 U 80/19
Treuwidriger Einziehungs- oder Abtretungsbeschluss im Fall einer Anteilspfändung durch die Gesellschaft

13.05.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
09.03.2020
2 U 80/19
NZG 2020, 460

Leitsatz | KG 2 U 80/19

Sieht die Satzung einer GmbH die Möglichkeit der Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung eines Gesellschaftsanteils für den Fall seiner Pfändung vor, kann ein entsprechender Einziehungs- oder Abtretungsbeschluss gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen und anfechtbar sein, wenn die Gesellschaft die betreffenden Geschäftsanteile selbst im Wege der Sicherungsvollstreckung nach § 720 a ZPO aufgrund eines nicht rechtskräftigen Titels wegen einer zwischen den Parteien umstrittenen Forderung gepfändet hat.

Sachverhalt | KG 2 U 80/19

Die Parteien streiten um die Zuordnung eines Widerspruchs zu einer Gesellschafterliste. Der klagende Gesellschafter übernahm 2016 im Rahmen einer Kapitalerhöhung Geschäftsanteile an der beklagten GmbH. Zusätzlich zur Zahlung der Einlagen verpflichtete er sich zur Leistung eines unechten Agios iHv 125.000 Euro. Die Einlageverpflichtung betreffend die Geschäftsanteile sowie einen Teil des Agios iHv 75.000 Euro erbrachte der Kl. durch Barzahlung. Hinsichtlich des verbleibenden Betrags in Höhe von weiteren 50.000 Euro ist zwischen den Parteien streitig, ob die Forderung durch Verrechnung mit Anwaltsleistungen erloschen ist, die der Kl. für die Bekl. erbracht hat. Nachdem die Bekl. wegen der Zahlungsverpflichtung aus dem verbleibenden Agio ein Zahlungsurteil gegen den Kl. erwirkt hatte, betrieb sie im Wege der Sicherungsvollstreckung nach § 720 a ZPO die Pfändung der Geschäftsanteile des Kl.. In einer notariell beurkundeten Gesellschafterversammlung vom 2019 beschloss die Bekl. sodann die Zwangsabtretung der Geschäftsanteile des Kl. an sich selbst. Schließlich reichte die beurkundende Notarin eine Gesellschafterliste bei dem Registergericht ein, welche die Bekl. als Inhaberin der ursprünglich dem Kl. zustehenden Geschäftsanteile ausweist.

Der Kl. hat den Gesellschafterbeschluss betreffend die Zwangsabtretung seiner Geschäftsanteile angefochten. Ferner hat er beantragt, der geänderten Gesellschafterliste im Wege einer einstweiligen Verfügung einen Widerspruch zuzuordnen. Das LG hat die einstweilige Verfügung zunächst antragsgemäß erlassen. Aufgrund des Widerspruchs der Bekl. hat es die einstweilige Verfügung mit dem angefochtenen Urteil wieder aufgehoben und den Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen. Der Kl. erstrebt mit seiner Berufung eine Bestätigung der durch das LG ursprünglich erlassenen einstweiligen Verfügung.

Entscheidung | KG 2 U 80/19

Nach Auffassung des Kammergerichts liegen die Voraussetzungen für die Zuordnung eines Widerspruchs gegen die Gesellschafterliste im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor. Es könne gemäß § 16 Abs. 3 S. 4 GmbHG davon ausgegangen werden, dass die eingereichte Gesellschafterliste materiell unrichtig ist, da erhebliche Gründe dafür sprechen, dass der gefasste Beschluss zur Zwangsabtretung der Geschäftsanteile des Kl. gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstößt und deshalb anfechtbar ist, so dass die von dem Kl. erhobene Anfechtungsklage letztlich Erfolg haben dürfte.

Das KG betont zunächst, dass der satzungsmäßige Einziehungsgrund zur Pfändung des Geschäftsanteils durch einen Gläubiger nicht ausschließe, dass es sich bei diesem Gläubiger auch um die Gesellschaft selbst handelt. Die Einziehung/ Zwangsabtretung der Gesellschaftsanteile gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters muss jedoch stets ultima ratio bleiben, weil sie den Kernbereich der Mitgliedschaft betrifft. Auch deswegen dürfe der unfreiwillige Verlust der Gesellschafterstellung nicht in das freie Ermessen der übrigen Gesellschafter gestellt werden, sondern ist grundsätzlich nur bei Vorliegen eines hinreichenden sachlichen Grundes zulässig. Zudem dürfe der Beschluss auch nicht gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen, sonst ist er anfechtbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn der in der Satzung geregelte Grund für die Zwangseinziehung letztlich nur als Vorwand dient, um sich eines unliebsamen Gesellschafters zu entledigen.

Für einen solchen Treupflichtverstoß liegen hier nach Ansicht des Senats erhebliche Anhaltpunkte vor, welche bei einer summarischen Prüfung und Folgenabwägung die Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste rechtfertigen. Die Zwangseinziehung gegen den Willen des Gesellschafters rechtfertigt sich regelmäßig mit dem Schutz des Gesellschafterkreises und der Verhinderung des Eindringens fremder Dritter in die Gesellschaft. Im vorliegenden Fall war die Zwangsabtretung der Geschäftsanteile des Kl. jedoch ersichtlich nicht erforderlich, um ein ansonsten drohendes Eindringen außenstehender Dritter abzuwehren, da Pfandgläubiger die Gesellschaft selbst war. Die Pfändung der Geschäftsanteile habe gemäß dem KG ihre Ursache hier offenkundig in den Meinungsverschiedenheiten der Parteien hinsichtlich der Zahlung des Agios. Zwar könne auch ein tiefgreifendes Zerwürfnis die Ausschließung eines Gesellschafters bzw. die Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung seines Geschäftsanteils rechtfertigen, wenn das Zerwürfnis zumindest überwiegend von dem Auszuschließenden verursacht worden ist, bei den übrigen Gesellschaftern nicht ebenfalls Ausschließungsgründe vorliegen und die Zusammenarbeit in der Gesellschaft unzumutbar geworden ist. Allerdings müsse ein entsprechender Gesellschafterbeschluss dann auch auf den wichtigen Grund in der Person des Auszuschließenden gestützt werden. Es ist aber nicht zulässig, diese strengen Voraussetzungen dadurch zu umgehen, dass ein anderer Grund vorgeschoben wird.

Praxishinweis | KG 2 U 80/19

Die Entscheidung des KG ist zu begrüßen und verdeutlicht, wie die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, die missbräuchliche Ausnutzung von satzungsgemäßen Schutzmechanismen verhindert. So ist das „Vorschieben“ oder Konstruieren eines Einziehungsgrundes an dieser Schwelle zu messen. Andernfalls würde jede vertragliche Leistungsbeziehung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft für diesen das Risiko eines Anteilsverlustes bergen, sollte es aufgrund unterschiedlichster Gründe zu einem (vorübergehenden) Zahlungsverzug kommen.

Sinnvoller erscheint die offene Kommunikation und klare Formulierung von Einziehungsgründen. Unabhängig davon, wie die tatsächliche Vereinbarung zur Leistung des Agios im vorliegenden Sachverhalt ausgestaltet war, sollte bei Gesellschafterstreitigkeiten, die eine gemeinsame Fortsetzung der Gesellschaft unmöglich erscheinen lassen, dies auch als wichtiger in der Person des betroffenen Gesellschafter liegender Grund offen als für die Einziehung ursächlich benannt werden. Ob die Einziehung demnach auch zulässig ist, muss im Zweifel wiederum im Rahmen einer gerichtlichen Untersuchung geklärt werden. Es bestehen hier jedoch im Zweifel höhere Erfolgschancen, da der Beschluss nicht bereits an der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht scheitert.

In der Praxis haben gerade beim Eintritt von Investoren in Start-up-Unternehmen Verpflichtungen zur Zahlung eines Agios eine große Bedeutung. Es muss aus Sicht der Gründer, der Gesellschaft, aber auch der Investoren/ Risikokapitalgeber geprüft werden, ob die Nichtzahlung des Agios eine Einziehung rechtfertigt (vgl. auch NJW-Spezial 2020, 240).