OLG Köln 2 Wx 337/19
Bei Wegfall der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers hilft § 878 BGB nicht

02.03.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Köln
18.11.2019
2 Wx 337/19
ZEV 2020, 35

Leitsatz | OLG Köln 2 Wx 337/19

§ 878 BGB findet keine analoge Anwendung bei Wegfall der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers.

(amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | OLG Köln 2 Wx 337/19

Die Erblasserin erwarb den Grundbesitz 1995 zu einem Preis von 465.000 DM. Im Grundbuch waren nach der Erblasserin die Erben als Eigentümer des Grundbesitzes eingetragen, wobei Testamentsvollstreckung angeordnet war. Zunächst verkaufte der Testamentsvollstrecker in dieser Eigenschaft unter gleichzeitiger Erklärung der Auflassung mit notariellem Vertrag unter dem 05.03.2018 den Grundbesitz zu einem Kaufpreis von 225.000 EUR an den Erwerber. Die Eintragung lehnte das Grundbuchamt allerdings ab, da der Grundbesitz unter Wert verkauft werde, sodass es sich nicht um eine voll entgeltliche Verfügung handele. Die Veräußerung bedürfe daher der Zustimmung aller Erben und Vermächtnisnehmer. Am 06.06.2019 änderten der Testamentsvollstrecker und der Erwerber den notariellen Vertrag vom 05.03.2018 unter erneuter Erklärung der Auflassung dahin ab, dass der Kaufpreis auf 326.500 EUR erhöht werde. Der Eintragungsantrag wurde unter Beifügung eines Sachverständigengutachtens, das den ermittelten Verkehrswert des Grundstückes zum 22.10.2017 und 05.03.2018 enthielt, gestellt. Am 03.09.2019 wurde der Testamentsvollstrecker aus seinem Amt entlassen. Bis dahin war die Eintragung nicht erfolgt. Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung wiederum u.a. deshalb ab, weil die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers mit seiner Entlassung aus dem Amt vor Eintragung des neuen Eigentümers weggefallen sei.

Entscheidung | OLG Köln 2 Wx 337/19

Das OLG hat entschieden, dass eine analoge Anwendbarkeit des § 878 BGB in diesem konkreten Fall nicht in Betracht komme. Daher müsse die grundsätzliche Streitfrage, ob § 878 BGB – vom Einzelfall losgelöst – auf den Wegfall der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers entsprechend anzuwenden ist, wie es das OLG bereits in der Vergangenheit verneint habe, nicht erneut entschieden werden.

Der Testamentsvollstrecker habe mit der Entlassung aus dem Amt seine Verfügungsbefugnis gemäß § 2205 S. 2 BGB über den Grundbesitz verloren. Grundsätzlich müssen aber die Voraussetzungen für den Eigentumsübergang bis zum Zeitpunkt der Eintragung vorliegen, also auch die Verfügungsbefugnis.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 878 BGB. Eine unmittelbare Anwendung komme nicht in Betracht, weil es sich bei dem Testamentsvollstrecker nie um den Berechtigten im Sinne von § 878 BGB gehandelt habe.

Eine analoge Anwendung auf den Verlust der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers sei von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung bisher nicht angenommen worden. Vielmehr habe sich u.a. das OLG gegen eine analoge Anwendung mit der Begründung ausgesprochen, dass der Verlust der Verfügungsbefugnis über das Vermögen eines Dritten aus einer Amtsstellung dem Verlust der Rechtsinhaberschaft, auf den § 878 BGB gerade nicht anzuwenden sei, gleichzusetzen sei. In der Literatur werde dagegen eine analoge Anwendung bejaht. Zwar sei der Verlust der Verfügungsbefugnis über das Vermögen eines Dritten dem Verlust der Rechtsinhaberschaft, vor dem § 878 BGB nicht schütze, gleichzustellen. Allerdings sei die Interessenlage im Falle der Beendigung einer Amtsstellung identisch mit der bei Entziehung der Verfügungsbefugnis des Berechtigten. Die Schutzbedürftigkeit des Begünstigten sei in beiden Fällen die gleiche, weil es nur von der Dauer des Grundbucheintragungsverfahrens abhänge, ob die Verfügung wirksam werde oder nicht. Im Übrigen würde andernfalls der Grundstücksverkehr lahmgelegt, da einem Erwerber vor seiner Eintragung die Entrichtung seiner Gegenleistung, dem Verwalter hingegen vor Erhalt der Gegenleistung die Erklärung der Einigung und die Eintragungsbewilligung nicht zugemutet werden könne.

Das OLG könne indes offenlassen, ob es sich der Literatur anschließe und seine bisherige Rechtsprechung aufgebe. Denn im vorliegenden Fall seien weder der Testamentsvollstrecker noch die Erwerberin schutzbedürftig. Schließlich habe der Erwerber mit dem notariellen Vertrag vom 05.03.2018 versucht, den Grundbesitz für einen Kaufpreis von 225.000 EUR zu erwerben, der ein deutliches Missverhältnis zum Verkehrswert des Grundstückes von mindestens 326.500 EUR aufgewiesen habe. Dieses Missverhältnis, der Missbrauch der Befugnisse durch den Testamentsvollstrecker und die damit drohende Entlassung aus dem Amt habe beiden bewusst sein müssen.

Praxishinweis | OLG Köln 2 Wx 337/19

Das OLG hat die grundsätzliche Streitfrage, ob § 878 BGB auf den Verlust der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers entsprechend anzuwenden ist, ausdrücklich offengelassen und die entsprechende Anwendung hier allein mit Erwägungen zur Schutzbedürftigkeit der Beteiligten im vorliegenden Fall abgelehnt. Dementsprechend bleibt es weiterhin erforderlich, im Grundstücksverkehr mit Testamentsvollstreckern entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen.