BGH II ZR 426/17
Keine Sittenwidrigkeit der Veräußerung von betriebsnotwendigem Vermögen durch gewinnabführungspflichtige GmbH

26.02.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
16.07.2019
II ZR 426/17
ZIP 2019, 1907

Leitsatz | BGH II ZR 426/17

Die Veräußerung von betriebsnotwendigem Vermögen durch eine GmbH, die aufgrund eines Teilgewinnabführungsvertrags verpflichtet ist, 20 % ihres Jahresüberschusses abzuführen, an eine Gesellschaft mit im Wesentlichen gleichen Gesellschaftern gegen eine angemessene Gegenleistung begründet nicht ohne Weiteres eine den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründende Verletzung der Leistungstreuepflicht.

(amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | BGH II ZR 426/17

Die Klägerin ging im Wege einer Umwandlung aus einer LPG hervor. Sie schloss mit der DG-Bank in Bezug auf Altverbindlichkeiten der LPG eine Rangrücktrittsvereinbarung. Die Beklagte, die als GmbH im Zuge der Umstrukturierung gegründet worden war und die von der Klägerin verschiedene Wirtschaftsgüter der ehemaligen LPG zur landwirtschaftlichen Produktion übernahm, trat den Altverbindlichkeiten in der Weise bei, dass sie sich gegenüber der Klägerin zur Abführung ihres Jahresüberschusses in Höhe von bis zu 20 % verpflichtete. Die Beklagte verkaufte und übereignete landwirtschaftliche Nutzflächen an die L. GmbH und die A. GmbH, deren Gesellschafter bei deren Errichtung weitgehend mit den Gesellschaftern der Beklagten identisch waren.

Entscheidung | BGH II ZR 426/17

Der BGH hat entschieden, dass die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts die Annahme der Sittenwidrigkeit der Grundstückskaufverträge und der sie vollziehenden Geschäfte nicht tragen.

Ein Rechtsgeschäft sei sittenwidrig im Sinne von § 138 I BGB, wenn es nach seinem Inhalt oder Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Bei einem sittenwidrigen Verhalten gegenüber der Allgemeinheit oder Dritten müsse das Rechtsgeschäft objektiv nachteilig für den Dritten sein und die Beteiligten müssen subjektiv sittenwidrig handeln. Sittenwidrigkeit könne darin begründet sein, dass die Beteiligten mit einem Rechtsgeschäft den Zweck verfolgen, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken schuldrechtliche Ansprüche Dritter zu vereiteln.

Nach diesen Grundsätzen ließen die Feststellungen des Berufungsgerichts schon einen Verstoß gegen die der Beklagten aus dem Teilgewinnabführungsvertrag obliegenden Leistungstreuepflicht nicht hinreichend erkennen.

Allein die Veräußerung von Grundstücken, die der Beklagten die Grundlage für die Erwirtschaftung von Gewinnen aus der Unterhaltung eines landwirtschaftlichen Betriebes entziehen, führe nicht zu einem solchen Verstoß. Ein Verstoß liege nur dann vor, wenn die angemessenen Gegenleistungen nicht ihrerseits für die Erwirtschaftung von Gewinnen eingesetzt werden sollten oder solche für die Zukunft erwarten ließen. Zwar ergebe sich aus den Kaufverträgen, dass die Kaufpreise zu einem wesentlichen Anteil durch die Übernahme von Verbindlichkeiten der Klägerin erbracht wurden. Dies besage aber noch nichts darüber, welche Auswirkungen die Grundstücksveräußerungen auf die Ertragssituation der Beklagten hatten bzw. haben werden. Hiervon ausgehend würden sich auch die objektiven Nachteile, die die Klägerin durch den Verkauf der Grundstücke erlitten hat und zukünftig erleiden wird, nicht beziffern und nachvollziehen.

Überdies sei der enge Zusammenhang zwischen der Gewinnabführungsverpflichtung einerseits und der Bewältigung der Altschuldenproblematik andererseits zu berücksichtigen. Denn angesichts der Behauptung der Beklagten, dass die Klägerin die abgeführten Beträge nicht zur Tilgung der Altschulden eingesetzt habe, hänge die Beurteilung nicht nur von den formalen Regelungen in der Rangrücktrittsvereinbarung über die Pflicht der Klägerin zur Tilgung der Altschulden ab. Vielmehr hänge die Beurteilung der Sittenwidrigkeit auch davon ab, welchen Anteil der Altschulden die Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtung im Hinblick auf die von ihr übernommenen Wirtschaftsgüter zu tragen hat und welcher Anteil angesichts der bisherigen Gewinnabführungen bereits getragen wurde.

Praxishinweis | BGH II ZR 426/17

Mit dieser Entscheidung stellt der BGH klar, dass der objektive Nachteil, an den der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bei Rechtsgeschäften zum Nachteil Dritter anknüpft, bezifferbar und nachvollziehbar sein muss. Die allgemeine Erwägung, dass mit der Veräußerung betriebsnotwendigen Vermögens die Grundlage zur Erwirtschaftung von Gewinnen entzogen wurde, genügt nicht. Vielmehr bedarf es konkreter Feststellungen zu einer Verschlechterung der Ertragssituation infolge der Veräußerung, die einen objektiven Nachteil begründen könnte.