OLG Dresden 5 U 151/19
Kündigung bei Abweichung von vereinbarter Quadratmetermiete

24.01.2020

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Dresden
10.07.2019
5 U 151/19
BeckRS 2019, 15352

Leitsatz | OLG Dresden 5 U 151/19

  1. Die Parteien eines Mietvertrags vereinbaren eine sog. echte Quadratmetermiete, wenn sie im Mietvertrag festlegen, dass sich die Miete aus der Größe des Mietobjekts in Quadratmetern multipliziert mit einem pro Quadratmeter zu zahlendem Mietpreis ergibt.  
  2. Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart, dann bestimmt sich der Betrag der geschuldeten Miete unmittelbar auf der Grundlage der tatsächlichen Fläche, ohne dass es dabei entscheidend auf die Frage ankommt, ob die dem Mieter nachteilige Flächenabweichung unmittelbar zu einer Reduzierung der Miete führt oder ein Mangel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB auch unterhalb einer Flächenabweichung von 10 % angenommen wird.
  3. Führt eine dem Mieter nachteilige Flächenabweichung bei Vereinbarung einer echten Quadratmetermiete zu einer Reduzierung der Miete, sind regelmäßig auch die Voraussetzungen des benannten Regelbeispiels für eine außerordentliche Kündigung in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB erfüllt. Sowohl bei der Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB als auch bei der außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB kommt es auf die Wesentlichkeit der Gebrauchsbeeinträchtigung an.

(amtl. Leitsätze)

Sachverhalt | OLG Dresden 5 U 151/19

Die klagende Vermieterin begehrt von der beklagten Mieterin die Zahlung rückständiger Mieten für den Zeitraum von April 2011 bis August 2012 aus einem mittlerweile beendeten Gewerbemietraumverhältnis. 2008 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über das Objekt zum Betrieb eines Cafés. Das Mietverhältnis sollte bis Ende Mai 2014 laufen.

In § 1 Nr. 1 des Mietvertrages war geregelt: „Die vermietete Fläche beträgt insgesamt ca. 177 m². Die Mietfläche ist in den als Anlage 1 beigefügten Grundrissen rot markiert. Diese Lagepläne sind Bestandteil des Mietvertrages.“

Weiter hieß es in § 4 Nr. 3 des Mietvertrages: „Für die Berechnung der Kaltmiete wird die in § 1 angegebene Mietfläche als verbindlich und zutreffend zugrunde gelegt.“

Am 11.04.2011 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis außerordentlich zum 30.06.2011. Sie führte aus, die überlassene Mietfläche habe nur eine Größe von 154,175 m². Das ergebe eine Minderfläche von 12,9 % gegenüber der im Mietvertrag enthaltenen 177 m². Die Klägerin wies die Kündigung zurück und meinte, es läge jedenfalls keine Flächenabweichung zu Lasten der Beklagten von über 10 % vor. Dennoch fand die Klägerin einen Nachmieter, der das Objekt ab dem 01.09.2012 bezog.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung rückständiger Mieten. Sie hält die außerordentliche Kündigung für unwirksam.

Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung rückständiger Mieten mit der Begründung, die Klägerin könne aus dem Mietvertrag eine um 9 % geminderte Miete bis August 2012 verlangen, da die außerordentliche Kündigung unwirksam sei. Die BGH-Rechtsprechung, nach der eine Minderfläche von über 10 % zur außerordentlichen Kündigung berechtige, greife nicht. Die Minderfläche betrage nur 9 %. Die noch bestehende Mietzinsforderung sei daher um 9 % zu mindern. Gegen das Urteil legte die Beklagte Berufung ein.

Entscheidung | OLG Dresden 5 U 151/19

Die Berufung hatte Erfolg. Die Zahlung rückständiger Mieten stehe der Klägerin nicht zu, da das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten zum 30.06.2011 beendet worden sei nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB.

Mit § 1 Nr. 1 des Mietvertrages, der auf den in Anlage 1 beigefügten Grundriss und die mit Rot gekennzeichnete Mietfläche verweist, sei eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Größe und den Zuschnitt des Mietobjekts getroffen worden. In Summe ergeben die in der Anlage 1 gekennzeichneten Flächen 164,25 m², was 12,75 m² weniger seien als in der Beschaffenheitsvereinbarung angegeben. Die tatsächlich überlassene Mietfläche sei zu Lasten der Beklagten um 7,2 % geringer als die vereinbarte Mietfläche. Liege eine erhebliche Flächenabweichung zum Nachteil des Mieters vor, spreche eine tatsächliche Vermutung für eine (erhebliche) Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit, sodass in diesem Fall kein gesonderter Nachweis über eine konkrete Beeinträchtigung zu führen sei. Eine erhebliche Flächenabweichung zu Lasten des Mieters könne angenommen werden, wenn die tatsächlich überlassene Fläche 10 % weniger als die vertraglich vereinbarte Größe betrage. Dies gelte auch für Mietverträge über Gewerberäume.

Die Parteien eines Mietvertrages vereinbaren eine echte Quadratmetermiete, wenn sie im Mietvertrag festlegen, dass sich die Miete aus der Größe des Mietobjektes in Quadratmetern multipliziert mit einem pro Quadratmeter zu zahlendem Mietpreis ergebe. Nach diesen Kriterien sei vorliegend mit § 4 Nr. 3 des Mietvertrages eine echte Quadratmetermiete vereinbart worden. Damit brachten die Parteien eine gewollte Verknüpfung zwischen der überlassenen Mietfläche und der Berechnung der Miethöhe zum Ausdruck. Dies sei Grundlage für die Annahme einer echten Quadratmetermiete. 

Wegen dieser Vereinbarung im Mietvertrag bestimme sich der Betrag der geschuldeten Miete auf Grundlage der tatsächlichen Fläche. Es komme hingegen nicht darauf an, ob die dem Mieter nachteilige Flächenabweichung unmittelbar zu einer Reduzierung der Miete führe oder ein Mangel des Mietobjektes auch unterhalb einer Flächenabweichung von 10 % zu Lasten des Mieters angenommen werde. Daraus, dass bei einer Flächenabweichung von mehr als 10 % zu Lasten des Mieters eine tatsächliche Vermutung für eine erhebliche Beeinträchtigung spreche, ergebe sich im Umkehrschluss, dass eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit ebenso im Einzelfall gegeben sein kann, wenn die Flächendifferenz weniger als 10 % betrage. In diesem Fall müsse der Mieter nur darlegen, dass die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch erheblich beeinträchtigt sei.

Ob sich die Flächenabweichung auf die Tauglichkeit des Mietobjekts zum vertragsgemäßen Gebrauch auswirke, hänge davon ab, was die Parteien im Vertrag vereinbart haben. Danach könne eine erhebliche Flächenabweichung auch weniger Gewicht haben, wenn davon im Vertrag als Nebenflächen gekennzeichnete Flächen betroffen seien. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Die Miete sei daher im Ergebnis um 7,2 % gemindert, auch wenn die Flächenabweichung unterhalb von 10 % liege.

Zudem sei bei einer festgestellten Flächenabweichung über 7 % eine erhebliche Beeinträchtigung der Tauglichkeit des Mietobjekts zum vertragsgemäßen Gebrauch gegeben i.S.v. § 534 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB. Es liege kein ausreichender Vortrag der Klägerin vor, dass ausnahmsweise trotz dieser Abweichung die Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten sei.

Praxishinweis | OLG Dresden 5 U 151/19

Zu beachten ist, dass eine solche Zusicherung gemäß § 536 Abs. 2 BGB in der Flächenangabe nur zu sehen ist, wenn der Vermieter ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck gebracht hat, für die angegebene Flächengröße und alle Folgen einer dem Mieter nachteiligen, auch geringfügigen, Abweichung garantiemäßig einstehen zu wollen (BGH, Urt. 04.05.2005 – XII 254/01, NZM 2005, 500). Diese Voraussetzung wird grundsätzlich und vor allem bei „ca“-Angaben nicht gegeben sein.

In seiner bisherigen Rechtsprechung ließ der BGH offen, ob der Mieter, der Räume ohne Beanstandung übernimmt, benutzt und später Kenntnis von der kleineren Mietfläche erlangt, wegen einer wesentlichen Gebrauchsbeeinträchtigung kündigen oder nur mindern kann. Dass eine wesentliche Gebrauchsbeeinträchtigung vorliegt, wird nach der Auffassung des BGH erst bei einer zehnprozentigen Abweichung vermutet. In diesem Fall lag die Abweichung aber darunter. Folglich hätte die Mieterin konkret darlegen müssen, weshalb die ihr lange Zeit unerkannt gebliebene Minderfläche, den Gebrauch erheblich beeinträchtigen soll.