BGH II ZR 175/18
Wirksamkeitsvoraussetzungen bei Teilgewinnabführungsvertrag mit abführungspflichtiger GmbH

13.12.2019

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
16.07.2019
II ZR 175/18
DStR 2019, 2155

Leitsatz | BGH II ZR 175/18

  1. Teilgewinnabführungsverträge mit einer GmbH als abführungspflichtiger Gesellschaft unterliegen keinen besonderen Wirksamkeitsanforderungen, wenn sie keine satzungsüberlagernde Wirkung haben. Ob dies auch dann gilt, wenn ein Großteil oder zumindest überwiegender Anteil der Gewinne abzuführen ist, lässt der Senat offen.
  2. Erhält eine zur Teilgewinnabführung verpflichtete GmbH durch Formwechsel die Rechtsform einer Aktiengesellschaft, berührt dies den Fortbestand eines zuvor wirksam abgeschlossenen Teilgewinnabführungsvertrags nicht. Der Teilgewinnabführungsvertrag ist infolge des Formwechsels gem. § 294 Abs. 1 AktG zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Parteien des Teilgewinnabführungsvertrags sind aus dem bestehenden Vertragsverhältnis wechselseitig verpflichtet, die Eintragung herbeizuführen.

(amtliche Leitsätze)

Sachverhalt | BGH II ZR 175/18

Die Klägerin ging im Wege einer formwechselnden Umwandlung 1992 aus der LPG hervor. Die Beklagte wurde zunächst in der Rechtsform der GmbH gegründet. Die Parteien schlossen einen Teilgewinnabführungsvertrag. Darin verpflichtete sich die Beklagte, ihren Jahresüberschuss iHv 20 Prozent an die Klägerin abzuführen. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten stimmte der Erklärung einstimmig zu. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten für die Jahre 2010 und 2011 wurden angefochten und für nichtig erklärt. 2015 und 2016 kündigte die Beklagte die Erklärung fristlos aus wichtigem Grund. 2016 wurde die Beklagte durch Formwechsel in eine AG umgewandelt. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Abführung anteiliger Jahresabschlüsse für 2010 und 2011. Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Die dagegen gerichtete Revision blieb erfolglos.

Entscheidung | BGH II ZR 175/18

Der Teilgewinnabführungsvertrag sei wirksam abgeschlossen wurden. Er sei nicht von der Schriftform, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Beklagten durch notariell beurkundeten Beschluss und einer Eintragung in das Handelsregister abhängig. Zwar seien nach der BGH-Rechtsprechung auf Unternehmensverträge iSv § 291 Abs. 1 AktG, die mit einer GmbH als abhängiger bzw. abführungspflichtiger Gesellschaft abgeschlossen werden, die Formvorschriften zur Änderung des Gesellschaftsvertrags (§§ 53 f. GmbHG) anzuwenden. Denn der Unternehmensvertrag bewirke einen Eingriff in den Gesellschaftszweck, die Zuständigkeitskompetenz der Gesellschafter und ihr Gewinnbezugsrecht. Dadurch werde satzungsgleich die rechtliche Grundstruktur der GmbH geändert.

Ob diese Wirksamkeitsvoraussetzungen jedoch auch für Teilgewinnabführungsverträge nach § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG gelten, die mit einer GmbH als abführungspflichtiger Gesellschaft abgeschlossen werden, werde in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.

Das Berufungsgericht habe sich zu Recht der herrschenden Ansicht angeschlossen. Danach unterliegen Teilgewinnabführungsverträge mit einer GmbH als abführungspflichtiger Gesellschaft nur besonderen Wirksamkeitsanforderungen, wenn sie satzungsüberlagernde Wirkung haben. Die entsprechende Anwendung der für Satzungsänderungen geltenden Vorschriften des GmbHG auf Teilgewinnabführungsverträge sei nicht bereits erforderlich, weil die Pflicht zur Abführung eines Gewinnanteils in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter und die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung zur Entscheidung über die Ergebnisverwendung eingreife. In erster Linie begründe der Teilgewinnabführungsvertrag schuldrechtliche Ansprüche des anderen Vertragsteils. Er habe hingegen nicht notwendigerweise satzungsüberlagernde Wirkung. Bei außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses zu den Gesellschaftern versprochenen ereignisabhängigen Zahlungen handele es sich um Geschäftsunkosten, die den verteilungsfähigen Reingewinn der Gesellschaft mindern. Sie stellen keine Gewinnverteilung iSv § 29 GmbHG dar. Ebenso seien die Wirksamkeitserfordernisse gemäß § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG nicht für den Abschluss eines Teilgewinnabführungsvertrages geboten. Sinn und Zweck, weshalb bei der AG nicht allein der Vorstand über einen solchen Vertrag entscheiden können soll, seien nicht auf die GmbH übertragbar. Im Gegensatz zur AG seien die GmbH-Gesellschafter das zentrale Entscheidungsorgan, das in der Gesellschafterversammlung die für die Geschicke der Gesellschaft wesentlichen Entscheidungen treffen und durch Weisungen an die Geschäftsführer umsetzen könne. Bei der GmbH bedürfe es nicht dem zusätzlichen Schutz der Gesellschafter, indem die Leistungskompetenz der Organe bei einem Teilgewinnabführungsvertrag durch die Wirksamkeitserfordernisse nach §§ 291 ff. AktG analog begrenzt werde. Ob einem Teilgewinnabführungsvertrag satzungsüberlagernde Wirkung zukomme, sei im Einzelfall unter Berücksichtigung der Rechtsstellung des Berechtigten zu würdigen.

Ohne Rechtsfehler habe das Berufungsgericht angenommen, dass der streitgegenständlichen Vereinbarung keine satzungsüberlagernde Wirkung zukomme. Der Teilgewinnabführungsvertrag wurde auch nicht durch den Rechtsformwechsel unwirksam. Infolge des Formwechsels sei der Teilgewinnabführungsvertrag aber gem. § 294 Abs. 1 AktG zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Eintragung sei jedoch nur deklaratorisch. Der § 294 Abs. 2 AktG sei nicht anwendbar, da der Vertrag bereits vor dem Formwechsel wirksam war. So wäre es auch nicht hinnehmbar, wenn sich die verpflichtete Gesellschaft einseitig durch einen Formwechsel den Verpflichtungen aus dem Teilgewinnabführungsvertrag entziehen könnte.

Praxishinweis | BGH II ZR 175/18

Die Entscheidung unterscheidet klar zwischen der Struktur der GmbH und der Struktur der AG.

Dabei wird klargestellt, dass es besonderer Wirksamkeitsvoraussetzungen für einen Teilgewinnabführungsvertrag mit einer GmbH als abführungspflichtiger Gesellschaft nur bedarf, wenn der Vertrag satzungsüberlagernde Wirkung hat. Die Frage, ob dies ebenso gilt, wenn ein überwiegender oder ein Großteil der Gewinne abgeführt werden soll, bleibt jedoch ungeklärt.