BGH II ZB 21/18
Leiharbeitnehmer und Unternehmensmitbestimmung

06.12.2019

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
25.06.2019
II ZB 21/18
ZIP 2019, 1661

Leitsatz | BGH II ZB 21/18

  1. § 14 II 6 AÜG ist arbeitsplatzbezogen auszulegen.
  2. Daraus folgt, dass Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer gem. § 1 I Nr. 2 MitbestG vom 4.5.1976 (BGBl. I, S. 1153) dann mitzuzählen sind, wenn sie auf Arbeitsplätzen eingesetzt werden, die als solche in der Regel über sechs Monate hinaus bestehen und besetzt werden.

(amtliche Leitsätze)

Sachverhalt | BGH II ZB 21/18

Die Parteien streiten über die Verpflichtung zur Bildung eines Aufsichtsrates nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes. Entscheidend ist dabei die Frage, ob für die Ermittlung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer die Zahl der beschäftigten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen ist.

Die Antragsgegnerinnen in der Gestalt einer GmbH tragen vor, hinsichtlich der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer unterhalb der mitbestimmungspflichtigen Schwelle zu bleiben. Der antragsstellende Gesamtbetriebsrat verlangt hingegen die Feststellung, dass unter Einbeziehung der beschäftigten Leiharbeitnehmer eine Verpflichtung zur Bildung eines Aufsichtsrates besteht.

Entscheidung | BGH II ZB 21/18

Der BGH hat entschieden, dass im vorliegenden Fall ein paritätisch zu besetzender Aufsichtsrat zu bilden ist.

Für die Frage der Bemessung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer komme es darauf an, inwiefern auch Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung von Schwellenwerten zur Mitbestimmung im Unternehmen zu berücksichtigen sind.

Nach § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG sind Leiharbeitnehmer in diesem Rahmen nur zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer einen Zeitraum von sechs Monaten übersteigt. Der BGH hatte insoweit über die Frage zu entscheiden, worauf bei der Bemessung der Einsatzdauer abzustellen ist.

Einerseits wird vertreten, es müsse auf die individuelle Einsatzdauer des einzelnen Arbeitnehmers abgestellt werden, d.h. die Bemessung habe arbeitnehmerbezogen zu erfolgen.

Andere wiederum ermitteln die Dauer anhand einer arbeitsplatzbezogenen Auslegung, sodass ohne Belang ist, ob ein Arbeitsplatz mit einem konkreten Leiharbeitnehmer besetzt ist oder lediglich wechselnder Besetzung durch Leiharbeitnehmer unterliegt.

Nach höchstrichterlicher Entscheidung komme es für die Mindesteinsatzdauer auf eine arbeitsplatzbezogene Auslegung an.

Der Gesetzeswortlaut gebe zwar wenig Aufschluss darüber, welche Auslegung heranzuziehen sei. Allein vom Sinn und Zweck her diene aber die Leiharbeit dazu, einen nur zeitlich begrenzten Arbeitskräftebedarf zu decken.

Auch die Gesetzessystematik spreche für eine arbeitsplatzbezogene Auslegung. Zudem treffe § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG eine Regelung zur Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer im Rahmen des Mitbestimmungsgesetzes, welches seinerseits auf eine arbeitsplatzbezogene Betrachtung abstellt.

Der für die Mitbestimmung maßgebliche Schwellenwert sei ein Indiz für eine gewisse Größe des Unternehmens, die zum Schutz der Arbeitnehmerinteressen die Bildung eines Aufsichtsrates notwendig mache. Dafür sei es ohne Belang, von wem ein konkreter Arbeitsplatz besetzt werde, sondern lediglich, dass eine ständige Besetzung durch Leiharbeitnehmer erfolge und der Leiharbeitnehmer dadurch für die Größe des Unternehmens ebenso prägend ist wie ein unmittelbar beim Unternehmen angestellter Arbeitnehmer.

Die persönliche Bindung eines einzelnen Leiharbeitnehmers spiele keine Rolle bei der Frage der Bestimmung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl eines Unternehmens.

Zudem bestehe bei einer personenbezogenen Auslegung die Gefahr einer Umgehung des Mitbestimmungsrechts durch wechselnde Besetzung eines Arbeitsplatzes durch Leiharbeitnehmer für einen Zeitraum unterhalb von sechs Monaten. Ziel des Gesetzgebers war es, durch Ermöglichen einer nur vorübergehenden Bedarfsdeckung, die nötige Flexibilität zu gewährleisten, gleichzeitig jedoch die Kernfunktion der Arbeitnehmerüberlassung nicht aus den Augen zu verlieren: nämlich als Instrument zur vorübergehenden Deckung des Arbeitskräftebedarfs in Zeiten einer erhöhten Nachfrage und damit wachsender Auftragslage.

Praxishinweis | BGH II ZB 21/18

Die Entscheidung des BGH ist konsequent, um Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zur Mitbestimmung im Unternehmen zu sichern und einem möglichen Missbrauch der Leiharbeitnehmerschaft vorzubeugen. Darüber hinaus hat der BGH nun Klarheit geschaffen, indem eine intensive Diskussion zu einem Ergebnis geführt wird und die nötige Rechtssicherheit wiederhergestellt wird.