BGH I ZB 60/16
Bindung des Insolvenzverwalters an Schiedsklausel

28.06.2019

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
29.06.2017
I ZB 60/16
NZG 2019, 395

Leitsatz | BGH I ZB 60/16

Die Bestimmung des § 116 InsO steht der Bindung des Insolvenzverwalters an eine vom Schuldner in einem Geschäftsbesorgungsvertrag vereinbarte Schiedsklausel nicht entgegen.

Sachverhalt | BGH I ZB 60/16

Die Antragsgegnerin schloss im Mai 2005 einen Bereederungsvertrag mit der Schuldnerin als Eignerin des Schiffs C.M. Der Vertrag sollte bei einem Verkauf des Schiffs automatisch enden. Als Vergütung sollte die Antragsgegnerin Leistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf des Schiffs i. H. v. 1,5 % (zzgl. etwaiger MwSt.) des Kaufpreises erhalten. Der Vertrag enthält eine Schiedsvereinbarung nach den Regeln der German Maritime Arbitration Association (GMAA).

Der Antragsteller wurde im Dezember 2013 zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Im März 2014 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsteller zum Insolvenzverwalter ernannt.

Der Antragsteller zeigte der Antragsgegnerin seine Bestellung an und erklärte für alle zwischen der Schuldnerin und der Antragsgegnerin bestehenden Vertragsverhältnisse die Nichterfüllung gem. §§ 103 ff. InsO. Nur fünf Tage nach Insolvenzeröffnung verkaufte der Antragsteller das Schiff für 12,5 Mio. US-$. Nach dem Verkauf des Schiffs machte die Antragsgegnerin einen Anspruch i. H. v. 1,5 % des erzielten Kaufpreises (187.500 US-$) geltend. Sie leitete wegen dieses Anspruchs ein Schiedsverfahren ein.

Durch Zwischenentscheid vom 10. 2. 2016 erklärte sich das Schiedsgericht für zuständig. Diesen Bescheid hob das OLG Hamburg auf, da die Schiedsklausel den Insolvenzverwalter für Fragen der Anwendung der §§ 115, 116 InsO – wie des § 103 InsO – nicht binde, die Rechtsfolgen abschließend in der InsO geregelt und „insolvenzspezifisch“ seien.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

Entscheidung | BGH I ZB 60/16

Der BGH gab der Beschwerde statt. Der Antragsteller sei als Insolvenzverwalter grundsätzlich an die von der Schuldnerin mit der Antragsgegnerin vereinbarte Schiedsklausel gebunden.

Der BGH führt aus, dass der Bereederungsvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag iSv § 116 S. 1 InsO zwar mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 116 S. 1 iVm § 115 Abs. 1 InsO ex nunc erloschen sei. Es handele sich um einen Dienstvertrag, durch den sich der Auftragnehmer verpflichte, entgeltlich ein Geschäft des Auftraggebers zu besorgen. Aufgrund der in § 116 InsO bestimmten entsprechenden Anwendung von § 115 Abs. 1 InsO würden Geschäftsbesorgungsverträge durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen.

Die Schiedsklausel im Streit über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts sei aber gem. § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln. Die Schiedsvereinbarung sei weder ein gegenseitiger Vertrag noch ein Auftrag. Der Verwalter könne daher weder die Erfüllung ablehnen, noch erlösche der Schiedsvertrag durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Die Antragsgegnerin mache vor dem Schiedsgericht einen Anspruch auf Vergütung aus Notgeschäftsführung nach Beendigung des Bereederungsvertrags gem. § 115 Abs. 2 InsO geltend. Die Vorschrift regele, dass der Beauftragte, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen habe, bis der Insolvenzverwalter anderweitig Fürsorge treffen könne. Der Auftrag gelte insoweit als fortbestehend. Der Anspruch umfasse die vertraglich vereinbarte Vergütung für die im Rahmen berechtigter Notgeschäftsführung erbrachten Leistungen. Diese Streitigkeit werde von der Schiedsklausel erfasst.

Der BGH ist der Auffassung, dass die §§ 115 Abs. 2, 3, 116 InsO die Vertragsinteressen des Geschäftsbesorgers schützten und kein insolvenzspezifisches Recht des Insolvenzverwalters begründeten, welches der Bindung an die Schiedsvereinbarung entgegenstünde. Der sich aus § 115 Abs. 2 InsO ergebende Vergütungsanspruch aus Notgeschäftsführung stehe im Zusammenhang mit dem Geschäftsbesorgungsvertrag und beruhe darauf, dass dieser nach § 115 Abs. 2 S. 2 InsO als fortbestehend gelte.

Es sei unerheblich, dass die Rechte des Beauftragten an das Erlöschen von Aufträgen und Geschäftsbesorgungsaufträgen aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anknüpften. Der BGH nimmt eine Unterscheidung vor zwischen einer kraft Gesetzes eintretenden Rechtsfolge und dem Gestaltungsrecht oder einem schuldrechtlichen Anspruch des Insolvenzverwalters. Insbesondere sei es nicht entscheidend, dass sich die Rechtsfolgen der §§ 115, 116 InsO nicht aus dem Vertrag ergäben, sondern abschließend im Gesetz geregelt würden. Auch nach § 166 Abs. 2 InsO führe für das Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters nicht zur Loslösung von einer zuvor getroffenen Schiedsvereinbarung.

§ 103 InsO und §§ 115, § 116 InsO seien zwar insoweit vergleichbar als sie die Frage zum Gegenstand hätten, wie sich das Insolvenzverfahren auf die Erfüllung der vom Schuldner begründeten Rechtsgeschäfte auswirke. Die §§ 115, 116 InsO verliehen dem Verwalter jedoch kein Recht, was sie von § 103 InsO unterscheide. Vergütungsansprüche nach § 115 Abs. 2, Abs. 3 InsO beträfen vertragliche Ansprüche des Auftragnehmers bzw. des Geschäftsbesorgers. Auch das BGB enthielte z.B. in §§ 1472 Abs. 4, 1698b, 1497 Abs. 2, 1893 Abs. 1 und 727 Abs. 2 BGB Regelungen zur Notgeschäftsführung. Diese sei damit Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, nicht einer insolvenzspezifischen Regelung.

Der Vergütungsanspruch verliert nach BGH auch nicht dadurch seinen vertraglichen Charakter, dass sich der Insolvenzverwalter zur Abwehr von Ansprüchen grds. auf das Erlöschen des Bereederungsvertrags gem. § 116 i.V.m. 115 Abs. 1 InsO berufen kann. Dies führe zu keiner stärkeren insolvenzrechtlichen Prägung des Sachverhalts als die Abwehr von Ansprüchen aus Ab- oder Aussonderungsrechten durch den Insolvenzverwalter, bei der eine Bindung an eine vom Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossene Schiedsvereinbarung bestehe. Eine Klage des Insolvenzverwalters auf Feststellung des Erlöschens des Geschäftsbesorgungsvertrags unterliege ebenfalls der Schiedsbindung. Für die Annahme eines von der Bindung an die Schiedsvereinbarung befreienden insolvenzspezifischen Rechts reiche es nicht aus, dass sich der Insolvenzverwalter auf bestimmte in der Insolvenzordnung geregelte Rechtsfolgen berufen könne, wenn er Ansprüchen ausgesetzt ist, die ihre Grundlage in nach der Insolvenzordnung erloschenen Verträgen finden.

Praxishinweis | BGH I ZB 60/16

Das Urteil wird in der Literatur unterschiedlich bewertet (positiv Anm. Bryant, in: NZI 2018, 62, 64, abl. EWiR 2017, 729 (Tintelnot); Buntenbroich/Kaul, in: SchiedsVZ 2018, 127, 132). Einerseits wird begrüßt, dass der BGH die Reichweite der Bindung eines Insolvenzverwalters an eine Schiedsklausel weiter konkretisiert. Er reiht sich ein in die Linie der Entscheidungen, die sich in jüngerer Zeit mit dem (Spannungs-)Verhältnis von Schiedsverfahrens- und Insolvenzrecht beschäftigt haben z.B. OLG Saarbrücken (v. 23.11.2017 – 4 U 44/16, GWR 2018, 215) und OLG Köln (v. 23.9.2016 – 19 Sch 9/16, NZI 2017, 509 m. Anm. Poertzgen). Poertzgen nennt dies nicht von ungefähr die „Gretchenfrage“ an der Grenze zwischen Insolvenz- und Schiedsrecht. Insgesamt sei hier ein Trend zur Anerkennung der vom Schuldner getroffenen Schiedsabrede zu erkennen. Eine Privilegierung des Insolvenzverwalters solle nur in aufgrund der Besonderheiten des Insolvenzrechts begründeten Ausnahmefällen in Frage kommen. Ansonsten sei der Insolvenzverwalter wie der Schuldner selbst zu behandeln und an die Vereinbarung des Schuldners gebunden.

Sollte der BGH an seiner Rechtsprechung festhalten, ist in Zukunft eine klare Trennung zwischen Auftrags- und Geschäftsbesorgungsverhältnissen einerseits und Dienst-/Werkverträgen andererseits vorzunehmen. Dies ist in der Praxis nicht immer einfach. Handelt es sich um Dienst-/Werkverträge ist das Wahlrecht nach § 103 InsO ein insolvenzspezifisches Recht des Insolvenzverwalters und von einer im Vertrag enthaltenen Schiedsvereinbarung ausgenommen. Die Rechtsfolgen der §§ 116 InsO fallen nun in den Anwendungsbereich einer Schiedsvereinbarung.

Trotz allem werden deswegen, so die Auffassung in der Literatur, erhebliche Unsicherheiten bei der Reichweite der Schiedsbindung bestehen bleiben. Jeder Fall ist einzeln zu betrachten und zu klären, ob ein insolvenzspezifisches „Recht“ des Insolvenzverwalters streitgegenständlich ist.

Problematisch werden weiterhin solche Fälle sein, die insolvenzrechtliche Vorschriften betreffen, zu denen noch keine Rechtsprechung des BGH vorliegt. Genannt werden hier z.B. die äußerst praxisrelevanten Regelungen des § 104 InsO (sog. Close-Out-Netting).