BVerfG 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17
Keine Beschwerdeberechtigung ausländischer Partnerschaften im „VW-Dieselskandal“

15.11.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BVerfG
27.06.2018
2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17
AG 2018, 624

Leitsatz | BVerfG 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17

1. Eine ausländische juristische Person aus einem Drittstaat ist nicht beschwerdeberechtigt im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde, selbst wenn ein deutscher Standort von einer hoheitlichen Maßnahme betroffen ist. (nicht amtlich)

2. Etwas anders ergibt sich nicht aus der Anwendung des deutsch amerikanischen Freundschaftsvertrages, da dieser nur den Rang eines Bundesgesetzes einnimmt und damit unterhalb der Verfassung steht. (nicht amtlich)

Sachverhalt | BVerfG 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17

Eine Partnership nach dem Recht des US-amerikanischen Bundestaates Ohio legte beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden ein, die sich gegen eine Durchsuchung und die Sicherstellung von Dokumente und Daten ihres Münchner Standortes richteten. Dem lag zugrunde, dass sie von der Volkswagen AG mit der Beratung, Aufklärung und Vertretung hinsichtlich des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in den USA beauftragt wurden war. Mit diesem Mandat war auch deren Münchner Büro (sog. Partner-In-Charge) befasst. Bei den internen Ermittlungen wurden zahlreiche Dokumente zusammengetragen und viele Mit-arbeiter befragt. Letztendlich einigte sich die Volkswagen AG mit den US-amerikanischen Behörden auf eine Strafzahlung in Milliardenhöhe und bekannte sich schuldig durch eine Tochterfirma Dieselfahrzeuge mit unzulässigem Abgaskontrollvorrichtungen verkauft zu haben. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft in München Ermittlungen gegen das Unter-nehmen ein und beantragte einen Durchsuchungsbeschluss, der auch angeordnet wurde, für die Münchner Geschäftsräume der Beschwerdeführerin. Bei der Durchsuchung wurden zahlreiche Unterlagen und auch elektronische Daten sichergestellt.

Entscheidung | BVerfG 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an, da die Beschwerdeführerin nicht beschwerdeberechtigt sei.

Beschwerdeberechtigt sei derjenige, der Träger von Grundrechten ist. Dies seien grundsätzlich nur natürliche Personen. Für inländische juristische Personen gelten aber nach Art. 19 Abs. 3 GG die Grundrechte entsprechend, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar seien. Dies gelte ebenso für ausländische juristische Personen mit Sitz in der EU. Eine Ausdehnung auf juristische Personen aus Drittstaaten verbiete indes jedoch Wortlaut und Sinn des Art. 19 Abs. 3 GG. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG können sich diese juristischen Personen nur auf die grundrechtsähnlichen Rechte (Art. 101 Abs. 1 Satz 2, 103 Abs. 1 GG) berufen.

Fraglich war hier, ob eine inländische oder eine ausländische juristische Person vorliegt, da die Partnership mehrere Standorte in Deutschland bzw. auch in Europa hat. Entscheidend sei der Sitz der juristischen Person. Bei mehreren Standorten müsse dazu der Mittelpunkt der Tätigkeit bzw. der Hauptverwaltungssitz bestimmt werden. Dieser befinde sich dort, wo das oberste Verwaltungsorgan die Mehrheit der Entscheidungen über die Geschäftsführung treffe. Beschwerdeführerin sei die US-amerikanische Partnership, wo diese ihren Hauptverwaltungssitz habe, habe sie nicht dargelegt. Zumindest sei dieser offenkundig weder in Deutschland noch in Europa, denn nur 3 der 40 Standorte seien in Deutschland gelegen und lediglich 500 der über 2.500 Anwälte seien in Europa beschäftigt. Hinzu komme, dass die Gesellschaft nach ausländischem Recht gegründet wurden sei. Die Beschwerdeführerin habe außerdem nicht dargelegt, dass der Münchener Standort eine eigene organisatorische Stellung habe, denn dann habe das BVerfG bereits früher eine Gleichbehandlung angenommen (BVerfG v. 18.03.2009 – 2 BvR 1036/08).

Zuletzt ergebe sich auch nicht anderes aus dem Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Zustimmungsgesetz BGBl. II 1956, 487), da dieses im Rang unterhalb der Verfassung stehe. Das Gesetz sei nur dahingehend auszulegen, dass den US-amerikanischen Gesellschaften gleicher Zugang zu den Fachgerichten zu gewähren sei.

Praxishinweis | BVerfG 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17

Das BVerfG nahm ebenso die Verfassungsbeschwerden von Anwälten der international tätigen Rechtsanwaltskanzlei, die am Standort München tätig waren, wegen mangelnder Beschwerdebefugnis nicht zur Entscheidung an (BVerfG, Beschl. v. 27.6.2018 – 2 BvR 1562/17, NJW 2018, 2395). Der Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG komme nur dem Unternehmer als Nutzungsberechtigtem, nicht aber den einzelnen Arbeitnehmern zu. Auch die Verletzung sonstiger Grundrechte (Art. 12, 2 Abs. 1 GG) sei nicht gegeben. Auch die Verfassungsbeschwerde der Volkswagen AG die Durchsuchung betreffend wurde mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht zur Entscheidung angenommen und die Verfassungsbeschwerde betreffend der Sicherstellung wurde abgewiesen, da diese gerechtfertigt gewesen sei (BVerfG, Beschl. v. 27.6.2018 – 2 BvR 1405, 1780/17, NJW 2018, 2385).