OLG Frankfurt a. M. 21 W 29/18
Soll-Zustand entscheidend für mitbestimmungsrechtliche Zusammensetzung des Aufsichtsrates bei Umwandlung einer AG in SE

12.11.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt a. M.
27.08.2018
21 W 29/18
ZIP 2018, 1874

Leitsatz | OLG Frankfurt a. M. 21 W 29/18

Bei § 35 Abs. 1 SEBG ist auf den rechtlich gebotenen Soll-Zustand und nicht auf den praktizierten Ist-Zustand zum Zeitpunkt der Umwandlung der Gesellschaft von einer Aktiengesellschaft in eine SE abzustellen.

Sachverhalt | OLG Frankfurt a. M. 21 W 29/18

Eine AG beschloss die Umwandlung in eine SE. Die Umwandlung wurde sodann angemeldet und eingetragen. Im Aufsichtsrat der AG saßen lediglich Vertreter der Kapitalseite. Ein Aktionär war jedoch der Ansicht, dass ein mitbestimmter Aufsichtsrat nach MitbestG oder DrittelbG gebildet werden müsste. Ausschlaggebend sei nämlich nicht die tatsächlich praktizierte Mitbestimmung, sondern die Rechtslage, die zum Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung bestanden habe. Das LG Frankfurt a.M. entschied am 23.11.2017 (Parallelbeschl. v. 21.12.2017 – 3-05 O 81/17, GWR 2018, 276), dass der Antrag nicht begründet sei. Mit der Umwandlung seien die deutschen Mitbestimmungsregeln nicht mehr anwendbar, sondern das SEBG. Danach blieben die Regelungen zur Mitbestimmung zwar erhalten, die vor der Umwandlung galten, allerdings komme es auf die tatsächliche Handhabung in der Gesellschaft an und eben nicht, wie vorgebracht, auf die abstrakte Rechtslage. § 35 Abs. 1 SEBG gehe sogar soweit, dass zu Unrecht praktizierte Vorschriften anwendet wurden seien. Der gesetzeswidrige Zustand müsse vor dem Statusverfahren korrigiert werden, das folge aus dem Kontinuitätsprinzip nach § 96 Abs. 4 AktG. In einem ganz ähnlichen Fall schloss sich das LG München I am 26.06.2018(Az.: 38 O 15760/17, ZIP 2018, 1546) im Ergebnis dieser Ansicht an.

Entscheidung | OLG Frankfurt a. M. 21 W 29/18

Das OLG Frankfurt a.M. hob am 27.08.2018 die Entscheidung des Landesgerichts jedoch auf, denn es folgt der Ansicht, dass der rechtliche Soll-Zustand maßgeblich sei. Das Wort „Regelung“ in § 35 Abs. 1 SEBG sei dahingehend zu verstehen, dass auf die Gesellschaft vor ihrer Umwandlung anzuwendende Gesetzeslage weiterhin gelten solle. Dies stehe im Einklang mit dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 1 SEBG, der von „Bestimmungen“ also von Normen spreche. Etwas anderes folge auch nicht aus § 96 Abs. 4 AktG (Kontinuitätsprinzip). Dieser Paragraf nenne die gesetzlichen Vorschriften zur Zusammensetzung des Aufsichtsrates und gebe nicht selbst eine solche vor. Außerdem könne sich durch das Status-verfahren die tatsächliche Zusammensetzung noch ändern. Darüber hinaus sprächen Sinn und Zweck des SEBG und SE-Richtlinie 2001/86/EG für die vertretene Auffassung. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SEBG ist Ziel des Gesetzes die erworbenen Rechte der Arbeitnehmer zu sichern. Der Gesetzgeber sah die Arbeitnehmer als besonders schutzwürdig an. Es sollen auch Rechte geschützt werden, die bisher nicht wahrgenommen, erkannt oder ausgeübt wurden. Beim Abstellen auf den Ist- Zustand führe dies somit, zu einer Verkürzung und eben nicht zu einer Sicherung der erworbenen Rechte. Des Weiteren unterstützen Erwägungen der Rechtssicherheit die Meinung. Fraglich sei ansonsten nämlich, was bei eingeleiteten Statusverfahren gelte. Hier sei es so, dass bis zum Abschluss des Verfahrens der Aufsichtsrat in seiner konkreten Zusammensetzung rechtmäßig bleibe. Die Gegenansicht würde zudem zu willkürlichen Ergebnissen führen, denn die Gesellschaft könne bspw. unbegründete Rechtsmittel in einem Statusverfahren einlegen. Auch so hätten die Parteien keinen Einfluss auf die Dauer solcher Verfahren, sodass es vom Zufall abhinge, wann die Perpetuierung eintrete.

Praxishinweis | OLG Frankfurt a. M. 21 W 29/18

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da die Frage der Auslegung des § 35 Abs. 1 SEBG strittig, nicht höchstrichterlich geklärt und für eine Vielzahl von Fällen erheblich sei. Deshalb bleibt mit Spannung Abzuwarten, ob die SE hier in Beschwerde geht und sodann höchstrichterliche Klärung herbeigeführt wird.