KG 23 U 67/15
Zwingende Beurkundung und Handelsregistereintragung eines Gesellschafterbeschlusses zur Errichtung eines fakultativen Aufsichtsrats bei einer GmbH aufgrund einer in der Satzung enthalten Öffnungsklausel

03.10.2018

Leitsatz | KG 23 U 67/15

1. Ist eine rechtkräftige, einstweilige Verfügung ergangen, die untersagt, dass eine Gesellschafterliste eingereicht wird, die einen Gesellschafter, dessen Anteile zwangsweise eingezogen worden sind, nicht mehr ausweist, und wird eine solche (gleichwohl ob verschuldet oder unverschuldet) in den Registerordner aufgenommen, so sind Gesellschafterbeschlüsse, die aufgrund einer Nichtladung des Gesellschafters beschlossen wurden, wegen eines Einberufungsmangels nichtig. § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG steht dem nicht entgegen, da sich die Gesellschaft insoweit rechts- und treuwidrig gem. § 242 BGB verhält, denn sie wäre verpflichtet gewesen, entweder die Zurückstellung einer solchen Liste zu veranlassen oder eine korrigierende Liste einzureichen.

2. Um einen fakultativen Aufsichtsrat bei einer GmbH ohne Aufsichtsrat zu errichten, bedarf es zum einen einer Öffnungsklausel in der Satzung, die eindeutige Vorgaben hinsichtlich der Kompetenzen des Aufsichtsrates enthält. Zum anderen ist ein Gesellschafterbeschluss aufgrund der Öffnungsklausel allein nicht ausreichend. Der Gesellschafterbeschluss muss notariell beurkundet (§ 53 Abs. 2 GmbHG) und in das Handelsregister eingetragen werden (§ 54 Abs. 3 GmbHG).

Sachverhalt | KG 23 U 67/15

Die beklagte GmbH steht, seit dem es im Jahr 2014 zu einem Streit zwischen den Gesellschaftern kam, immer wieder im Mittelpunkt gerichtlicher Entscheidungen. Zentrum der Streitigkeiten ist hier die zwangsweise Einziehung der Geschäftsanteile des Mehrheitsgesellschafters. Dieser erwirkte u. a. eine einstweilige Verfügung, die es der Beklagten untersagt, eine Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen, die den Mehrheitsgesellschafter nicht mehr ausweist. Trotzdem fand eine solche Liste Einzug in den Registerordner.

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es allerdings um die Wirksamkeit der Beschlüsse über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und die Kündigung seines Anstellungsvertrages durch einen per Beschluss, der allerdings weder notariell beurkundet noch in das Handelsregister eingetragen wurde, eingerichteten Aufsichtsrat. Die Satzung der GmbH sah die Möglichkeit der Einrichtung eines Aufsichtsrates durch Mehrheitsbeschluss vor.

Das Landgericht stellte in erster Instanz fest, dass die vom Aufsichtsrat gefassten Beschlüsse nichtig seien. Die Beklagte, vertreten durch einen zweiten Geschäftsführer, über dessen Stellung ebenso ein Rechtsstreit anhängig ist, legte Berufung ein. Der Kläger selbst stellte als Vertreter der Beklagten den Antrag auf Berufungsrücknahme. Außerdem hatte die Beklagte durch Umlaufbeschluss, an dem der (ehemalige) Mehrheitsgesellschafter nicht beteiligt wurde, einen besonderen Vertreter bestimmt, der ebenfalls die Berufungsrücknahme erklärte.

Entscheidung | KG 23 U 67/15

Das KG entschied, dass die Berufung nicht wirksam zurückgenommen wurde und die Beklagte durch den zweiten Geschäftsführer weiterhin vertreten werde. Der Kläger könne die Berufung nicht zurücknehmen, da einer solchen Vertretung das Verbot des Insichgeschäfts im Prozess entgegenstehe. Des Weiteren sei der Beschluss über die Bestellung des besonderen Vertreters nichtig und dessen erklärte Rücknahme somit unwirksam. Die Nichtbeteiligung des (ehemaligen) Mehrheitsgesellschafters am Umlaufverfahren führe zur Nichtigkeit des Umlaufbeschlusses. Grundsätzlich müssten nur die in der aktuell beim Handelsregister verwahrten Gesellschafterliste aufgeführten Gesellschafter beteiligt werden, § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG. Die Beklagte verhalte sich jedoch recht- und treuwidrig (§ 242 BGB), da sie wisse, dass der nicht mehr aufgeführte Gesellschafter aufgrund der rechtskräftigen einstweiligen Verfügung noch in der Gesellschafterliste hätte aufgeführt sein müssen. Selbst, wenn die Beklagte nicht selbst gegen das Verbot der einstweiligen Verfügung verstoßen habe, wäre sie verpflichtet gewesen, die Zurückstellung der Liste zu veranlassen oder eine korrigierende Liste einzureichen.

Die Berufung sei aber zurückzuweisen, denn die erste Instanz habe in der Sache richtig entschieden. Der Beschluss des Aufsichtsrates sei nichtig, denn der Aufsichtsrat wurde ermächtigt Geschäftsführer von § 181 BGB zu befreien, während die in der Satzung enthaltene Öffnungsklausel dies nicht vorsah. Folglich bestehe eine Diskrepanz zwischen Beschlussfassung und Öffnungsklausel. Außerdem war in der Satzung nicht geregelt, wie viele Mitglieder und welche Kompetenzen der Aufsichtsrat im Einzelnen haben soll. Deshalb sei die Öffnungsklausel zu unbestimmt.

Im obiter dictum bestätigte das KG überdies seine Ansicht (Urt. v. 23.7.2015 – 23 U 18/15), dass der Aufsichtsrat nicht wirksam bestellt sei, da die zwingend erforderliche notarielle Beurkundung (§ 53 Abs. 2 GmbHG) und Handelsregistereintragung (§ 54 Abs. 3 GmbHG) des Beschlusses fehle. Bei Einrichtung eines Aufsichtsrates handele es sich um eine tiefgreifende Änderung des Gesellschaftsvertrages, also um eine Satzungsänderung. Die §§ 53 und 54 GmbHG seien dabei nicht dispositiv. Lediglich das in § 53 Abs. 2 GmbHG enthaltende Mehrheitserfordernis könne durch antizipierte Zustimmung übergangen werden.

Praxishinweis | KG 23 U 67/15

Gerade das obiter dictum entfacht wieder die Diskussion über Öffnungsklauseln in GmbH-Satzungen. Allgemein anerkannt sind Öffnungsklauseln bezüglich der Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB), vom gesetzlichen Wettbewerbsverbot und in Bezug auf die Gewinnverteilung.

Bei Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrates ist man sich überwiegend auch einig, dass eine Öffnungsklausel zulässig ist, diese allerdings Regelungen über die innere Ordnung, Kompetenzen und Verfahrensweise enthalten muss (a. A. Ott GmbHR 2018, 367, 368). Die Einhaltung der §§ 53, 54 GmbHG ist dagegen sehr umstritten. Priester (NZG 2016, 774, 776), der gegen die zwingende Einhaltung der Vorschriften ist (zustimmend Reichard GWR 2018, 271), bringt hervor, dass die Einrichtung eines Aufsichtsrates zwar ein „signifikanter Eingriff“ sei, die Gesellschafter diesem jedoch bereits in der Satzungserrichtung zugestimmt hätten. Auch eine notarielle Belehrung habe in diesem Zusammenhang schon stattgefunden. Folglich seien die Gesellschafter ausreichend geschützt. Darüber hinaus seine ebenso künftige Gesellschafter geschützt, denn sie können in der Satzung die Öffnungsklausel sehen und daraufhin nachfragen, ob eine Aufsichtsrat gebildet wurde. Zuletzt sei auch der Rechtsverkehr durch Einreichung einer aktuellen Aufsichtsratsmitgliederliste zum Handelsregister gem. § 52 Abs. 3 S. 2 GmbHG ausreichend informiert. M. E. ist dem KG Recht zu geben (siehe auch Heckschen, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 4. Aufl. 2018, Kap. 4 Rn. 745 ff.). Insbesondere muss zum Schutze des Rechtsverkehrs nach außen sofort erkennbar sein, ob ein Aufsichtsrat bei der GmbH existiert. Dem wird die Aufsichtsratsmitgliederliste nach § 52 Abs. 3 S. 2 GmbHG nicht ausreichend gerecht (zustimmend Schodder EWiR 2018, 457, 458).

Eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Thematik ist bedauerlicherweise jedoch nicht zu erwarten, da diese Frage nicht streitentscheidend war und die Revision vom KG nicht zugelassen wurde. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist wohl trotzdem beim BGH anhängig (Az.: II ZR 406/17).