OLG Stuttgart 8 W 336/15
Ausschluss eines Erben ohne Erbeinsetzung mittels Pflichtteilsstrafklausel

08.08.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Stuttgart
09.08.2017
8 W 336/15
MittBayNot 2018, 363

Leitsatz | OLG Stuttgart 8 W 336/15

Enthält ein Erbvertrag eine Pflichtteilsstrafklausel mit einer aufschiebend bedingten Enterbung, so kann ein Pflichtteilsverlangen auf den Tod des zuerst Versterbenden nur bis zum Tode des Letztversterbenden zum Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge führen.

Sachverhalt | OLG Stuttgart 8 W 336/15

Die Eheleute schlossen im Jahr 1951 einen Erbvertrag, indem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Es wurde auch ein Geldvermächtnis, je zugunsten der 2 noch lebenden Abkömmlinge, im Wert des gesetzlichen Erbteils, aufgenommen, welches nach dem Erstversterbenden anfalle, aber erst nach dem Tod des Überlebenden fällig sein. Die Erbschaft nach dem Letztversterbenden sei ausgeschlossen, wenn einer der Abkömmlinge unter Ausschlagung des Vermächtnisses den Pflichtteil nach dem Erstversterbenden verlangt, außer, es sei nur noch ein Abkömmling am Leben. Diese Verfügung könne vom Überlebenden einseitig widerrufen werden. Eines der zwei noch lebenden Kinder (B1) hatte nach Versterben der bereits verwitweten Ehefrau einen Erbschein beantragt, der sie und das zweite noch lebende Kind je zu einem Halb als Erben auswies.

Dagegen hatte das zweite Kind (B2) mittels einem Schreiben an das Nachlassgericht Einwendungen kund getan. Dieses beantragte die Feststellung und Zahlung des Pflichtteils nach dem Erstverstorbenen. B1 trägt dagegen vor, dass Pflichtteilsansprüche bestritten worden wären und B2, mit Hervorbringen des Verlangens nach dem Pflichtteil, von dem Erbe des Letztversterbenden ausgeschlossen sei. B2 habe auch schon vor Versterben der Mutter mit einem Schreiben versucht, Pflichtteilsansprüche und Pflichtteilsergänzungsansprüche aus dem Erbe ihres Vaters geltend zu machen. B1 beantragte nunmehr einen Erbschein, welcher ihn als Alleinerben ausweist.

B2 beruft sich auf mangelnde juristische Kenntnisse. Sie habe nicht gewusst, wie sich ein Pflichtteilsverlangen auf die Erbschaft auswirke und zog den Antrag auf den Pflichtteil zurück.

Das Nachlassgericht erachtete die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Erbscheines, der B1 als alleinigen Erben ausweist, für gegeben. B2 hat dagegen Beschwerde eingelegt.

Entscheidung | OLG Stuttgart 8 W 336/15

Die Beschwerde der B2 hat Erfolg. Die Kinder der Eheleute wurden durch den Erbvertrag zwar Vermächtnisnehmer, sie wurden aber nicht als Schlusserben eingesetzt. Es erfolgte keine Einsetzung, daher greift nach dem Tod des Überlebenden die gesetzliche Erbfolge. Die Pflichtteilstrafklausel stellt daher auch keine auflösende Bedingung der Erbeinsetzung auf den Überlebenden dar, sondern regelt eine aufschiebend bedingte Enterbung ohne Erbeinsetzung (§ 1938 BGB), da sie den Ausschluss von der Erbschaft bei Eintreffen der genannten Bedingungen regelt.

Diese Bedingungen wurden nach der Auffassung des OLG Stuttgart zu keinem Zeitpunkt durch B2 erfüllt. Die Enterbung ist nicht eingetreten, weder durch andere Erklärungen durch B2 zu Lebzeiten, noch durch das Schreiben an das Nachlassgericht nach Versterben der Mutter.

Vorherige Erklärungen der B2 gingen zum einen nicht an den richtigen Empfänger, welcher nach § 2180 Abs. 2 Satz 1 BGB die Alleinerbin des Verstorbenen Mannes, also die Mutter gewesen wäre. Zweitens ließen sie ebenfalls einen zielgerichteten Willen auf Ausschlagung des Vermächtnisses nicht zweifelsfrei erkennen. Letzteres gilt auch für das Schrieben an das Nachlassgericht, denn alleine in der Geltendmachung des Pflichtteils ist noch kein Ausschlagen des Vermächtnisses zu sehen. Die Regelungen des § 2307 BGB zur Zuwendung von Vermächtnissen bleiben unbeachtet. Auch wenn, nach Aussage von B1, B2 so viel wie möglich vom Erbe haben wollte und auch wenn B2 bewusst in Kenntnis der Verwirklichungsklausel handelte, kann es, mangels Vorliegens einer Schlusserbeneinsetzung mit Pflichtteilsstrafklausel, darauf nicht entscheidend ankommen. Es kommt die gesetzliche Erbfolge zum Tragen, die mit Eintritt des Erbfalls feststeht und nicht mehr von späteren Ereignissen abhängig sein kann.

Eine Bedingung der Enterbung kann nur dergestalt erfolgen, dass sie von einem Ereignis abhängig gemacht wird, das vor dem Erbfall eingetreten ist. Sonstige Bedingungen oder Befristungen sind grundsätzlich nicht möglich.

Es konnte also nur bis zum Tod des Letztversterbenden zu einer Enterbung aufgrund der Strafklausel kommen. Hauptzweck solcher Strafklauseln ist zumeist ja gerade, dass dem Überlebende der Nachlass ungeschmälert verbleibt.

Praxishinweis | OLG Stuttgart 8 W 336/15

Die Gerichte überprüfen nicht alle Testamente und Erbverträge auf das tatsächlich Gewollte der Erblasser. Es ist umso wichtiger, seinen letzten Willen eindeutig und klar zu formulieren, um ungewolltes, doppeltes Abkassieren von Personen zu vermeiden. Dabei hilft Ihnen gerne der Notar.