BGH XII ZR 108/16
Bewertung von Unternehmen mittels Ertragswertverfahren im Zugewinnausgleich

30.05.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
08.11.2017
XII ZR 108/16
ZNotP 2018, 25

Leitsatz | BGH XII ZR 108/16

1. Zur Anwendung des Ertragswertverfahrens bei der Unternehmensbewertung im Zugewinnausgleich.

2. Bei der Bemessung des im Rahmen der modifizierten Ertragswertmethode von den Erträgen abzusetzenden Unternehmerlohns ist auch eine nicht unternehmensleitende Tätigkeit zu berücksichtigen, die der Unternehmer für das Unternehmen erbringt.

3. Zur sekundären Darlegungslast des Ausgleichsschuldners für in die Wertermittlung einzubeziehende Umstände, wenn der Ausgleichsgläubiger außerhalb des insoweit maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den rechtserheblichen Sachverhalt nicht von sich aus ermitteln kann.

Sachverhalt | BGH XII ZR 108/16

Der Beklagte (Bekl.). gründete im Jahr 1994 zusammen mit 3 weiteren gleichberechtigten Gesellschaftern eine GbR, die 6 Jahre später durch Anwachsung auf eine, von allen Gesellschaftern gegründete GmbH übertragen wurde. Diese wurde auf eine, ebenfalls von allen 4 Gesellschaftern gegründete, nicht börsennotierte Aktiengesellschaft (AG) verschmolzen. Jeder der Gesellschafter hielt 25 % der Aktien.

Gestritten wurde über die Bewertung der Unternehmensbeteiligung im Rahmen einer Zugewinnausgleichforderung nach Beendigung der Ehe des Bekl. Die Klägerin (Kl.) begehrte Zugewinnausgleich, der Bekl. hatte daraufhin, im Wege einer Widerklage, seinerseits Zugewinnausgleich begehrt.

Entscheidung | BGH XII ZR 108/16

Bei der Berechnung des Zugewinns ist der objektive Wert der Vermögensgegenstände maßgeblich, um das Endvermögen zu bewerten. Das Ertragswertverfahren ist dazu geeignet, den Wert der Beteiligung an der AG vom Bekl. zu ermitteln. Da sich die Ertragsprognose bei Inhabergeführten Unternehmen aber selten von der Person des Inhabers trennen lässt und der Inhaber auch erheblichen Einfluss auf den Ertrag hat, ist ein reines Ertragswertverfahren nicht ausreichend. Es bedarf der Modifizierung dahingehend, dass die individuelle Arbeitskraft des Inhabers als Unternehmerlohn berücksichtigt werden muss. Dieser wird dann von den durchschnittlichen Erträgen abgezogen, an denen sich die modifizierte Ertragswertmethode orientiert.

Der Bekl. war zum Zeitpunkt der Scheidung Aktionär einer AG, an der keine Inhaberbezogenheit ersichtlich war. Diese AG ging aber aus einer GbR hervor und führe deren Geschäftsbetrieb fort, sodass die letzten Geschäftsjahre der GbR in die Wertermittlungen einbezogen wurden, um einen Ausgangswert für den künftig zu erwartenden Ertrag zu erhalten. Die Leistungen der 4 Gesellschafter für die sie statt mit Gehalt mit Entnahmen am Unternehmenserfolg der GbR entlohnt wurden, müssen jedoch dahingehend berücksichtigt werden, als dass die Ergebnisse der GbR um die Beiträge angepasst werden, die die AG aufwenden musste, um die, das Betriebsergebnis reduzierende Vergütung der Gesellschafter zu bezahlen.

Wird ein Gesellschafter ohne Vergütung für seine Gesellschaft tätig, ist ein kalkulatorischer Unternehmerlohn anzusetzen, der sich nach dem objektiven Wert der erbrachten Leistungen berechnet. Einbezogen werden sämtliche Leistungen für die Gesellschaft, nicht nur solche zur Unternehmensleitung.

Die Darlegungs- und Beweislast für den Wertansatz von Gütern im Endvermögen liegt bei dem Ausgleichsgläubiger. Diesem steht jedoch nur ein Anspruch auf einen Sachverständigen zu, der die Bewertung vornimmt. Ist diese Bewertung nach Meinung des Ausgleichsschuldners unzutreffend, beispielsweise weil nicht alle Umstände berücksichtigt wurden, ist er in der Pflicht, die noch einzubeziehenden Umstände darzulegen. Insbesondere dann, wenn der Ausgleichsgläubiger keine Möglichkeit hat, die ausschlaggebenden Geschehensabläufe der Gesellschaft selbstständig festzustellen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach oder kann er den genauen Umfang der für die Gesellschaft unternommenen Tätigkeit nicht nachweisen oder dazu keine Angaben machen, kann ein angemessener kalkulatorischer Unternehmerlohn nicht ermittelt werden und im Verfahren keine Berücksichtigung finden.

Ebenfalls muss das Stichtagsprinzip gewahrt bleiben. Bei Ausgleichsansprüchen im Rahmen einer Scheidung ist der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags entscheidend für die Höhe des Zugewinns.

Praxishinweis | BGH XII ZR 108/16

Der kalkulatorische Unternehmerlohn ist für alle Tätigkeiten der Gesellschafter für die Gesellschaft anzusetzen. Um diesen angemessen zu bestimmen, bedarf es der genauen Darlegung von Umfang und Gegenstand der ausgeübten Tätigkeiten. Diese sollten so genau wie möglich festgeschrieben oder zumindest nachvollziehbar aufgeführt sein.

Um von vornherein Streitigkeiten über den Ausgleichsanspruch zu vermeiden, sind Eheverträge zur Regelung oder zum Ausschluss möglicher Ansprüche aus selbstständiger unternehmerischer Tätigkeit und auch zum Schutz des nicht unternehmerischen Teils im Falle einer Insolvenz, zu empfehlen.