BFH IX R 37/16
Veräußerung von Zweit-/Ferienwohnungen steuerbefreit

07.03.2018

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BFH
27.06.2017
IX R 37/16
RNotZ 2018, 118

Leitsatz | BFH IX R 37/16

1. Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG können deshalb auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden, fallen.

2. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken "im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren" (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG) liegt vor, wenn das Gebäude in einem zusammenhängenden Zeitraum genutzt wird, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie --mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahrs-- voll auszufüllen.

Sachverhalt | BFH IX R 37/16

Die Klägerin hatte zunächst hälftiges Miteigentum an einem bebauten Grundstück. Die Immobile nutze die Klägerin ab Dezember 2004 selbst als Ferienwohnung. Die andere Hälfte erwarb sie im Juni 2006 von ihrem Bruder und veräußerte dann im September 2006 die gesamte Immobilie. In der Einkommenssteuererklärung von 2016 gab die Klägerin den Veräußerungsgewinn nicht an. 2009 änderte das beklagte Finanzamt den Einkommenssteuerbescheid der Klägerin für das Jahr 2016 ab, indem nun der Veräußerungsgewinn als sonstige Einkünfte aus privatem Veräußerungsgeschäft berücksichtigt wurde. Einspruch und Klage waren erfolglos.

Entscheidung | BFH IX R 37/16

Der BFH gab der Klägerin Recht und änderte den Einkommenssteuerbescheid wieder ab, denn die Veräußerung sei von der Einkommensteuer gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ausgenommen. Die Klägerin habe die Immobilie zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Der Steuerpflichtige müsse das Gebäude zumindest auch selbst nutzen. Irrelevant sei, wenn es gemeinsam mit anderen bewohnt werde. Allerdings dürfe der Steuerpflichtige nicht die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlassen, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Ausreichend sei darüber hinaus eine nur zeitweilige Bewohnung, sofern die Immobilie dem Steuerpflichtigen in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung stehe. Weder müsse die Immobile als Hauptwohnsitz noch als Schwerpunkt des persönlichen und familiären Lebens des Steuerpflichtigen genutzt werden. Von der Steuerbefreiung erfasst seien folglich auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Weder aus Gesetz noch aus der dazugehörigen Gesetzesbegründung ergebe sich etwas anderes. Eine Abgrenzung nach Intensität der Nutzung wäre im Übrigen in der Praxis nicht nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand verbunden, sondern würde im Einzelfall auch zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen. Auch der Zeitraum des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG in Bezug auf den Miteigentumsanteil, den sie schon vorher hatte, sei erfüllt, denn im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung müsse die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht während des gesamten Kalenderjahrs vorgelegen haben. Die Klägerin habe ihren hälftigen Miteigentumsanteil von Dezember 2004 bis September 2006 selbst genutzt. Bezüglich des vom Bruder erworbenen Anteils greife § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 1. Alternative EStG.

Praxishinweis | BFH IX R 37/16

Der BFH klärt hier zwei äußerst praxisrelevante und bisher umstrittene Rechtsfragen. Dabei legt er sowohl den Begriff „eigene Wohnzwecke“ als auch die zeitlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG großzügig im Sinne der Steuerpflichtigen aus. Hätte der Gesetzgeber eine solche Anwendung nicht gewollt, hätte er wie in beispielsweise § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG andere Formulierungen wählen können. Die Entscheidung ist zu begrüßen, da sie in diesem Bereich Rechtssicherheit schafft.