BGH V ZR 208/14
Neues vom BGH zu Bindungsfristklauseln und Unternehmerbegriff

27.12.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
26.02.2016
V ZR 208/14
BeckRS 2016, 05828

Leitsatz | BGH V ZR 208/14

Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen der den Abschluss eines Bauträgervertrags Antragende an sein Angebot länger als drei Monate gebunden ist, sind auch dann mit § 308 Nr. 1 BGB unvereinbar, wenn dem Antragenden ein (inhaltlich beschränktes) Lösungsrecht eingeräumt wird.

Sachverhalt | BGH V ZR 208/14

Die Kläger machten der Verkäuferin und Bauträgerin ein notarielles Angebot zum Kauf einer Doppelhaushälfte. Die Kläger optierten in dem Angebot zur Umsatzsteuer, um eine Umsatzsteuerrückvergütung zu erlangen. Für die Dauer des Angebots wurde vertraglich vereinbart, dass sich der Käufer unwiderruflich bis zum Ablauf von drei Monaten daran gebunden hält. Weiterhin, dass das Angebot vom Veräußerer erst angenommen werden kann, wenn der Käufer dem Verkäufer schriftlich mitteilt, dass die Finanzierung „zu für ihn akzeptablen Bedingungen“ gesichert ist. Die Annahme erfolgte sechs Wochen nach Abgabe des Angebots. Das Angebot der Kläger für einen Darlehensvertrag nahm die finanzierende Bank an. Die Kläger verlangen von der Beklagten Zahlung von 342.012,90 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückverschaffung des lastenfreien Eigentums an dem veräußerten Grundbesitz sowie die Feststellung von deren Annahmeverzug.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger die genannten Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidung | BGH V ZR 208/14

Die Regelung, dass das Angebot vom Verkäufer erst angenommen werden kann, wenn der Käufer ihm schriftlich mitteilt, dass die Finanzierung „zu für ihn akzeptablen Bedingungen“ gesichert ist, vermag die daraus resultierende lange Bindungsfrist von drei Monaten im Sinne von § 308 Nr. 1 BGB nicht zu rechtfertigen.

Die Verpflichtung, in den ersten beiden Monaten nach Eingang des Angebots diese Mitteilung der Klägerin abzuwarten, bezeichnet der BGH als „Wartefrist“. Eine solche Wartefrist rechtfertigt eine von der gesetzlichen Annahmefrist abweichende Bindungsfrist aber nicht, denn durch eine solche „Wartepflicht“ ändert sich nichts an der überlangen Bindung des Antragenden und an dessen Ungewissheit, ob und wann der Empfänger das Angebot annehmen werde.

Auch wenn man in der Vertragsregelung ein – möglicherweise befristetes – einseitiges Lösungsrecht der Käufer verstehen will, kommt ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der langen Bindungsfrist von drei Monaten nicht zustande, denn es veränderte weder Geltung, Beginn und Länge der Annahmefrist noch die Bewertung der Bindungsfrist von drei Monaten. Damit weicht die Klausel von der gesetzlichen Regelung in § 146 BGB wesentlich ab und ist so nicht durch ein schutzwürdiges Interesse des Verwenders gerechtfertigt.

Der Ablauf der Annahmefrist führt zum Fortfall der Bindungswirkung und ebenso zum Fortfall des Angebots an sich. Der Zweck von § 146 rechtfertigt keine Ausnahme für auf unbestimmte Zeit nicht bindende Angebote. Solche zusätzlichen Fortgeltungsklauseln führten dazu, dass das Angebot auch nach Ablauf der Annahmefrist als jederzeit widerruflich bestehen bliebe. Die Widerruflichkeit ist eine Eigenart des dem Empfänger gemachten Angebots. Ein solches Angebot könnte auch dann noch angenommen werden, wenn der Antragende eine Annahme nicht mehr zu erwarten braucht. Er könnte nach Monaten mit einer Annahmeerklärung überrascht werden. Genau das soll § 146 BGB verhindern.

§ 308 Nr. 1 BGB erfasst zwar nach dem Wortlaut nur Vorbehalte von unangemessen langen oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots. Sie ist aber weit auszulegen und gilt damit für alle vorformulierten Erklärungen, mit denen sich der Verwender über den in § 147 Abs. 2 BGB bestimmten Zeitpunkt hinaus die Annahme vorbehält. Dem Sinn nach führen solche Klauseln zu einem unangemessen lange dauernden Schwebezustand, welcher gerade, im Interesse des Vertragspartners, vermieden werden soll.

Den Antragenden bindet sein Angebot schon vor dem Wirksamwerden der Bedingung, er kann nicht ohne weiteres von seinem Angebot Abstand nehmen, im Gegenteil, er muss sich - wenn der Eintritt der Bedingung (wie es hier der Fall war) von seinem Verhalten abhängt – vielmehr um ihren Eintritt bemühen. Bliebe er untätig, wertet der BGH an dieser Stelle ein solches Verhalten als treuwidrige Verhinderung des Bedingungseintritts.

Gegenüber der bisherigen Rechtsprechung erweitert der BGH den Begriff des Unternehmers i.S.d. § 14 BGB. Die Käufer hatten zur Umsatzsteuer optiert, da sie eine Vermietung des Objekts unter Nutzung der Umsatzsteuerrückvergütung anstrebten. Das lässt sich nur erreichen, wenn die Immobilie von den Klägern zur gewerblichen Vermietung eingesetzt wird. An diesen Sachverhalt knüpft der BGH hier die Folge, dass die Käufer zu Unternehmern auch im Sinne von § 14 BGB werden. Der BGH schätzt den Vertrag demnach so ein, dass er nicht als Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 Satz 1 BGB, sondern als Unternehmervertrag im Sinne von § 310 Abs. 1 Satz 1 anzusehen ist; die Kläger haben den Kaufvertrag nicht als Verbraucher, sondern als Existenzgründer geschlossen.

Die Klausel hält auch dem dann an die Inhaltskontrolle richtigerweise anzulegenden Maßstab der §§ 310 Abs. 1 S. 2, 307 Abs. 2 BGB nicht stand, denn auch danach ergibt sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners. Im Geschäftsverkehr mit Unternehmern kommt solchen Klauseln dann dahingehende Indizwirkung zu,  für die der BGH dann hohe Anforderungen an ihre Erschütterung stellt.

Die von dem anderen Teil zur Erfüllung vorgenommenen Handlungen wie etwa die Kaufpreiszahlung oder auch die Entgegennahme der Auflassung sind grundsätzlich nicht als schlüssige Annahmeerklärung auszulegen .

Praxishinweis | BGH V ZR 208/14

Das Urteil des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil die erforderlichen Feststellungen fehlen. Sie ist deshalb unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Besonders der dritte Leitsatz zum Unternehmerbegriff wird in der Literatur kritisiert und dürfte in der Praxis zu großer Verunsicherung führen, denn mit dieser Entscheidung hat der BGH erstmals ausgesprochen, dass in der Einstufung einer mit dem Objekt geplanten Vermietung als umsatzsteuerpflichtige Unternehmertätigkeit der Betroffene kein Verbraucher im Sinne des BGB mehr ist.

Dieser Schlussfolgerung wird in der Literatur ganz entschieden widersprochen. Die mit dem Urteil verbundenen praktischen Weiterungen werden als zumindest kurios bezeichnet.

Bisher entsprach es der ganz h. A., dass die Verwaltung (das schließt die Vermietung mit ein) eigenen Vermögens im Regelfall keine unternehmerische Tätigkeit darstellt. Dazu wird sie erst, wenn damit ein organisatorischer und zeitlicher Aufwand einhergeht, der nach den Umständen des Einzelfalles einen planmäßigen Geschäftsbetrieb darstellt.