BGH II ZR 217/15
Vertrauensentzug eines Vorstandsmitglieds einer AG

11.12.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
15.11.2016
II ZR 217/15
ZIP 2017, 278

Leitsatz | BGH II ZR 217/15

1. Der Beschluss der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, einem Vorstandsmitglied das Vertrauen zu entziehen, ist nicht schon dann offenbar unsachlich oder willkürlich, wenn sich die Gründe für den Vertrauensentzug als nicht zutreffend erweisen.

2. Der Hauptversammlungsbeschluss, mit dem einem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzogen wird, muss nicht begründet werden.

3. Die Anhörung des Vorstandsmitglieds ist grundsätzlich keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Widerruf der Bestellung.

Sachverhalt | BGH II ZR 217/15

Der Kläger war Vorstandsvorsitzender der beklagten AG. In einer außerordentlichen Haupt-versammlung wurde beschlossen ihm das Vertrauen zu entziehen. Daraufhin beschloss der Aufsichtsrat die Vorstandsbestellung des Klägers zu widerrufen und seinen an die Organstellung gekoppelten Dienstvertrag zu kündigen. Der Kläger erhob sodann Klage. Der Grund auf dem der Vertrauensentzug beruhte konnte vor Gericht nicht bewiesen werden. Vor dem LG hatte die Klage Erfolg, die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen.

Entscheidung | BGH II ZR 217/15

Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies an das OLG zurück.

Der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung sei nicht schon deshalb offenbar unsachlich oder willkürlich, wenn sich die Gründe als nicht zutreffend erwiesen. Der Vertrauensentzug als solcher, sei ein wichtiger Grund, es sei denn er beruhe auf offensichtlich unsachlichen Gründen. Dafür trage das abberufene Vorstandsmitglied dann die Beweislast. Es genüge also nicht, wenn das Gericht keinen sachlichen Grund feststellen könne. Der Hauptversammlungsbeschluss muss auch nicht begründet werden, da es das Gesetz nicht voraussetzt. Zudem überprüfe nochmals der Aufsichtsrat in eigener Verantwortung, ob er aufgrund des Beschlusses tatsächlich die Bestellung widerrufe. Zur Wirksamkeit des Widerrufs bedarf es grundsätzlich auch keiner Anhörung des Vorstandsmitglieds. Es handele sich hier nicht um eine Verdachtskündigung, bei der dies möglicherweise anders wäre. Abberufungsgrund sei eben nicht pflichtwidriges Verhalten des Klägers, sondern der Vertrauensentzug. Zurückverwiesen wurde das Urteil, weil noch keine Feststellungen getroffen wurden, ob der Beschluss willkürlich war. Der Kläger müsste dazu noch beweisen, dass der Beschluss nur dazu gedient hat, sich von den Ver-pflichtungen aus „zum Nulltarif“ aufgrund der Kopplungsklausel zu befreien.

Praxishinweis | BGH II ZR 217/15

Damit kommt der Hauptversammlung eine große Entscheidungsmacht zu.

Hier zeigt sich der wesentliche Unterschied zur GmbH, denn dort entschied der BGH (Urt. v. 04.04.2017 - II ZR 77/16, GmbHR 2017, 701), dass der wichtige Grund zum Zeitpunkt der Beschlussfassung tatsächlich vorliegen müsse.