BGH II ZR 77/16
Wirksamkeit der Abberufung oder Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers nur bei tatsächlichem Vorliegen des wichtigen Grundes im Zeitpunkt der Beschlussfassung

01.11.2017

Leitsatz | BGH II ZR 77/16

Bei der gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen, die die Abberufung oder die Kündigung des Anstellungsvertrags eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH aus wichtigem Grund betreffen, ist darauf abzustellen, ob tatsächlich ein wichtiger Grund im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorlag oder nicht. Das Vorliegen des wichtigen Grunds hat im Rechtsstreit derjenige darzulegen und zu beweisen, der sich darauf beruft.

Sachverhalt | BGH II ZR 77/16

An der Beklagten GmbH sind der Alleingeschäftsführer zu 51 % und der Kläger zu 49 % beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag ist geregelt, dass die Gesellschafterversammlung über die Abberufung und Bestellung von Geschäftsführern entscheidet. Außerdem obliegt die Leitung und Feststellung der Abstimmungsergebnisse dem Mehrheitsgesellschafter.

Auf einer Gesellschafterversammlung begehrte der Kläger die sofortige Abberufung und fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages des Geschäftsführers aus wichtigem Grund und seine eigene Bestellung zum Geschäftsführer. Der Kläger stimmte für die Anträge und der Geschäftsführer dagegen. Sodann stellte der Geschäftsführer als Versammlungsleiter die Ablehnung fest.

Der Kläger hat die Beschlüsse angefochten und positive Beschlussfeststellung beantragt. Die Klage wurde abgewiesen und auch die Berufung und Revision wurde zurückgewiesen.

Entscheidung | BGH II ZR 77/16

Die Gesellschafterbeschlüsse seien wirksam, da im Zeitpunkt der Beschlussfassung tatsächlich kein wichtiger Grund zur Abberufung des Geschäftsführers und zur Kündigung seines Anstellungsvertrages vorlag. Ein wichtiger Grund liege vor, wenn die weitere Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft, insbesondere aufgrund grober Pflichtverletzungen, unzumutbar geworden sei. Dies müsse durch eine Abwägung der betroffenen Interessen aufgrund aller Umstände des Einzelfalls festgestellt werden. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des wichtigen Grundes, trage der, der sich darauf beruft. Das Revisionsgericht überprüfe die tatrichterliche Wertung dann nur darauf, ob der Rechtsbegriff des wichtigen Grundes richtig erkannt wurde und keine Ermessensfehler ausgeübt wurden. Die tatrichterliche Entscheidung sei nicht zu beanstanden.

Ob der Geschäftsführer einem Stimmverbot unterlag, da sich der Beschlussinhalt zugleich auf seinen persönlichen Rechtskreis auswirke, sei irrelevant. Damit sei der Meinungsstreit, wann der Versammlungsleiter ein Stimmverbot anzunehmen hat und die Stimme des Geschäftsführers nicht mitzählen dürfe, hier nicht zu entscheiden gewesen.

Praxishinweis | BGH II ZR 77/16

Hier zeigt sich der wesentliche Unterschied zur AG, denn dort reichte dem BGH (Urt. v. 15.11.2016 – II ZR 217/15, ZIP 2017, 278) beim Widerruf der Vorstandsbestellung der sachgrundlose Vertrauensentzug.

Zu bedauern ist, dass der BGH den Streit nicht zu entscheiden hatte, wann der GmbH-Geschäftsführer einem Stimmverbot unterliegt (dazu: Altmeppen, ZIP 2017, 1185; Hippeli, EWiR 2017, 391; Kunkel/Kunkel, jurisPR-HaGesR 6/2017 Anm. 2; Schmidt, GmbHR 2017, 670).

Um ähnlichen Streitigkeiten vorzubeugen, ist zu empfehlen, in der Satzung festzulegen, dass bei solchen Beschlüssen ein unabhängiger Dritter zum Versammlungsleiter bestellt wird (so: Kunkel/Kunkel, jurisPR-HaGesR 6/2017 Anm. 2).