BGH VII ZR 112/14
Eine im britischen Register gelöschte Limited ist nicht mehr partei- oder prozessfähig

12.08.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
19.01.2017
VII ZR 112/14
GWR 2017, 138

Leitsatz | BGH VII ZR 112/14

1. Wird eine in Deutschland verklagte Limited nach Rechtshängigkeit im Gründungsstaat England gelöscht und verliert sie hierdurch nach englischem Recht ihre Rechtsfähigkeit, ist sie - vorbehaltlich einer Weiterführung als Rest-, Spalt- oder Liquidationsgesellschaft oder als Einzelunternehmer - nicht mehr partei- oder prozessfähig.

2. Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von §§ 239, 241 ZPO unterbrochen, sofern die Wiedereintragung der Limited betrieben wird oder betrieben werden kann.

Sachverhalt | BGH VII ZR 112/14

Der Kläger klagte im Februar 2012 gegen eine Limited auf Zahlung eines Architektenhonorars. Im April 2012 wurde diese Limited im Register des britischen Companies House gelöscht („striking off the register“). Danach wurde sie im Register unter dem Status „aufgelöst“ („dissolved“) bis zur erneuten Eintragung („restoration“) im August 2013 geführt.

Im Februar 2012 wurde vom Landgericht ein klagestattgebendes Versäumnisurteil erlassen, welches der Limited im Juni 2012 formell zugestellt wurde. Die beklagte Limited legte gegen dieses Urteil im August 2012 Einspruch ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, da sie die Zustellungen von der Klageschrift und auch dem Versäumnisurteil als nicht wirksam erachtet. Das Landgericht wies den Einspruch als unzulässig zurück und entsprach dem Wiedereinsetzungsantrag nicht. Auch in der zweiten Instanz scheiterte die Beklagte. Das OLG stütze sich darauf, dass die Limited so zu behandeln sei, als wäre sie nicht aus dem Register gelöscht worden, da die Wiedereintragung einer Limited nach britischem Recht rückwirkend (ex tunc) gilt. Dies bestätige die Zustellung des Versäumnisurteils als wirksam. Daraufhin legte die Beklagte eine Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Entscheidung | BGH VII ZR 112/14

Für die Beurteilung der Rechtsfähigkeit der Beklagten ist grundsätzlich britisches Rechts als Gesellschaftsstatut maßgebend. Nach englischem Recht verliert eine Limited ihre Rechtsfähigkeit, wenn sie im Register gelöscht wird. Diese erlangt sie durch eine Wiedereintragung nachträglich wieder. Das Berufungsgericht hatte aber versäumt zu berücksichtigen, dass sich die verfahrensrechtlichen Wirkungen im Zusammenhang mit dem Verlust und der Wiedererlangung der Rechtsfähigkeit nach der lex fori richten. Da der Zivilprozess in Deutschland lief, war somit die deutsche ZPO maßgeblich. Dadurch hat es verkannt, dass das Verfahren entsprechend den §§ 239, 241 ZPO unterbrochen war, da die Limited aufgrund der Löschung im Register nicht mehr partei- und rechtsfähig war. Der Kenntnis der Parteien von der Unterbrechung bedarf es dabei nicht. Der Wegfall der Partei-, Rechts- und Prozessfähigkeit ist in diesem Fall nur vorübergehend. Handelt ein Gericht während der Unterbrechung mit Außenwirkung (wie hier bei der Zustellung), ist dies grundsätzlich unwirksam (§ 249 ZPO), da ein Urteil in diesem Zeitraum weder erlassen noch wirksam zugestellt werden kann. Alle prozessualen Fristen beginnen erst mit der Wiedereintragung (wieder) zu laufen an (§ 250 ZPO).

Im vorliegenden Fall war die Zustellung des Versäumnisurteils nicht wirksam und die zweiwöchige Einspruchsfrist somit nicht versäumt. An der Unzulässigkeit der prozessualen Maßnahmen ändert auch die nachträgliche Wiedereintragung der Limited in das Register nichts, auch wenn sie nach englischem Recht eine ex-tunc Wirkung entfaltet.

Praxishinweis | BGH VII ZR 112/14

Der BGH klärte im vorliegenden Fall die ungewisse Frage, wie die Partei- und Prozessfähigkeit einer Limited nach einer Löschung und einer späteren Wiedereintragung bei einem anhängigen Prozess in Deutschland zu beurteilen ist. Berücksichtigt man den bevorstehenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, würde es durch einen „harten Brexit“ als Drittstaat betrachtet werden. Für die Rechts- und Parteifähigkeit einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland würde nach ihrer Löschung im britischen Register das deutsche Gesellschaftsrecht maßgeblich sein. Die Löschung hätte in diesem Fall keine Auswirkung auf die Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft. (BGH, NZG 2017, 394, 397 m. Anm. Otte-Gräbener).

Demjenigen, der eine Forderung gegen eine Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland hat, wird zudem empfohlen, sicherheitshalber das Bestehen der Limited zum Zeitpunkt der Entstehung der Forderung zu bestreiten. Die Gesellschafter der Limited haften für den Fall, dass die Existenz nicht bewiesen werden kann, neben dem handelnden Director persönlich und gesamtschuldnerisch (§ 128 HGB, § 179 BGB analog). Sie können neben der Limited verklagt und ein Urteil gegen sie durchgesetzt werden, wenn die Gesellschaft im Prozess nicht (mehr) existiert. (Miras, GWR 2017, 138, 138)