BGH II ZB 19/15
Löschung einer ausländischen Gesellschaft im Gründungsstaat

07.08.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
22.01.2016
II ZB 19/15
NZG 2017, 347

Leitsatz | BGH II ZB 19/15

1. Eine Gesellschaft ausländischen Rechts, die in Folge der Löschung im Register ihres Heimatstaates durch eine behördliche Anordnung ihre Rechtsfähigkeit verliert, besteht für ihr in Deutschland belegenes Vermögen als Restgesellschaft fort.

2. Wenn einzelne Abwicklungsmaßnahmen in Betracht kommen, ist entsprechend § 273 Abs. 4 Satz 1 AktG ein Nachtragsliquidator und nicht entsprechend § 1913 BGB ein Pfleger zu bestellen.

Sachverhalt | BGH II ZB 19/15

Die Beteiligten sind Eigentümer mehrerer Grundstücke. Diese möchten sie verkaufen. Im Grundbuch ist allerdings noch eine Buchgrundschuld in beträchtlicher Höhe zugunsten einer Limited mit Sitz in Nassau (Bahamas) eingetragen. Diese wurde aus den dortigen Registern wegen nicht beglichener Gebühren gelöscht. Die Beteiligten regten nun eine Pflegschaft gem. § 1913 BGB beim Amtsgericht an. Dieses lehnte ab. Auch eine Beschwerde zum Landgericht wurde verworfen, aufgrund fehlender Beschwerdeberechtigung.

Entscheidung | BGH II ZB 19/15

Der BGH bestätigte die landgerichtliche Entscheidung. Die Beteiligten seien nicht nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt, denn das bloße rechtliche Interesse reiche grundsätzlich für die Anordnung einer Pflegschaft nicht aus. Es wäre nur ausnahmsweise zulässig, wenn dem Dritten effektiver Rechtsschutz gewährt werden müsse. Sei allerdings der rechtliche Träger des Vermögens bekannt und nur seine Organe verhindert oder unbekannt, sei zur weiteren Klärung der effektive Rechtsweg nicht abgeschnitten. Dies sei hier der Fall. Der rechtliche Träger ist bekannt, egal ob das Recht der Bahamas oder das deutsche Recht anwendbar sei.

Die Bahamas sind ein Drittstaat, da sie weder der EU noch dem EWR angehören. Außerdem bestehen keine völkerrechtlichen Verträge, die sie hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit gleichstellen. Maßgeblich sei daher, wo die Gesellschaft ihren letzten Verwaltungssitz hatte.

Befand sich dieser zuletzt auf den Bahamas, käme das Recht der Bahamas zur Anwendung. Verliere eine ausländische Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit, bestehe sie für das in Deutschland belegene Vermögen als Restgesellschaft fort. Die Gesellschafter bzw. die Gläubiger hätte immer noch ein Interesse am weiterbestehen des Rechtsträgers. Die bisherigen Organe seien aber mit Erlöschen der Gesellschaft nicht mehr vertretungsbefugt, sodass bei ursprünglich körperschaftlich strukturierten Gesellschaften bei einzelnen Abwicklungsmaßnahmen ein Nachtragsliquidator analog § 273 Abs. 4   S. 1 AktG zu bestellen sei. Dafür sei das Amtsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Grundstücke liegen.

Befand sich dagegen der letzte tatsächliche Verwaltungssitz in Deutschland, müsse die Vertretung nach deutschem Gesellschaftsrecht beurteilt werden. In diesem Fall blieben die Rechtsfähigkeit und der Fortbestand der Limited durch eine Löschung der Gesellschaft in den Registern der Bahamas unberührt. In Deutschland wäre sie dann mangels Eintragung im Handelsregister entweder als OHG, GbR oder als Einzelunternehmen je nach Organisationsausgestaltung zu behandeln.

Praxishinweis | BGH II ZB 19/15

Zum einen bestätigt der BGH die instanzgerichtliche Rechtsprechung, dass auf eine im Ausland gelöschte Gesellschaft die entwickelten Grundsätze über die Rest- und Spaltgesellschaft übertragbar sind und dies sogar bei einzelnen Abwicklungsmaßnahmen. Zum anderen klärt er die Frage, wie die Vertreterbestellung, nämlich durch eine Nachtragsliquidation analog § 273 Abs. 4 S. 1 AktG, zu erfolgen hat.

Außerdem wird die Rechtsprechung zum Gesellschaftsstatut von Drittstaaten, welche weder Mitglied der EU oder des EWR sind, noch auf der Grundlage von Verträgen in den Genuss der Niederlassungsfreiheit kommen, durch dieses Urteil fortgeführt. Relevanz wird diese künftig wohl vor allem für britischen private limited companies („Limited“) mit Verwaltungssitz in Deutschland nach dem „Brexit“ haben. Wird das Vereinigte Königreich durch den Austritt aus der EU zum Drittstaat („harter Brexit“), wird eine Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland als Personengesellschaft oder – bei nur einem Gesellschafter – als Einzelunternehmen zu betrachten sein. Zu beachten ist in diesem Fall insbesondere die unbeschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter bzw. des Einzelunternehmers.