BGH IX ZR 95/16
Schadensersatzpflicht aus einer Patronatserklärung nach Insolvenzanfechtung

08.08.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
12.01.2017
IX ZR 95/16
NZG 2017, 397

Leitsatz | BGH IX ZR 95/16

1. Übernimmt eine Muttergesellschaft gegenüber einem Gläubiger ihrer Tochtergesellschaft eine harte Patronatserklärung, ist sie dem Gläubiger zur Schadensersatzleistung verpflichtet, wenn ihn die Tochtergesellschaft befriedigt, er diese Zahlung jedoch im Wege der Insolvenzanfechtung erstatten muss.

2. Erweist sich die Befriedigung des aus einer harten Patronatserklärung gesicherten Gläubigers als anfechtbar, kann der Gläubiger gegenüber dem Patron die ihm aus der Patronatserklärung zustehenden Rechte geltend machen.

Sachverhalt | BGH IX ZR 95/16

Die Klägerin belieferte die S-GmbH, eine Tochtergesellschaft der Beklagten, mit Gas. Die Beklagte erteilte der Klägerin wegen Zahlungsrückständen der S-GmbH eine zeitlich befristete Patronatserklärung. Darin verpflichtet sie sich als alleinige Gesellschafterin der S-GmbH, dieser finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit diese die Verpflichtungen gegenüber der Klägerin einhalten kann. Über das Vermögen der S-GmbH wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Zahlungen gegenüber der Klägerin wurden angefochten, woraufhin die Klägerin vergleichsweise 2 Mio. € an den Insolvenzverwalter zahlte. Die Klägerin begehrt nun aufgrund der Patronatserklärung Schadensersatz von der Beklagten. Das LG gab der Klage in voller Höhe satt. Das OLG verminderte den zugesprochenen Betrag auf 940.000 €.

Entscheidung | BGH IX ZR 95/16

Der BGH wies die auf volle Klageabweisung gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde zurück.

Die Beklagte habe eine harte, externe Patronatserklärung abgegeben. Diese begründe eine rechtsgeschäftliche Einstandspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin. Die Beklagte hafte neben ihrer Tochtergesellschaft für dieselbe Leistung als Ganze und im Falle der Uneinbringlichkeit auf Schadenersatz. Diese Verpflichtung habe die Beklagte nicht erfüllt, wenn die durch interne Mittelzufuhr veranlassten Zahlungen anfechtbar seien. Nach der Insolvenz der Tochtergesellschaft wandle sich die Patronatserklärung in einen direkten Zahlungsanspruch. Aufgrund der erfolgreichen Anfechtung sei die Forderung der Klägerin uneinbringlich und die Beklagte schadensersatzpflichtig.

Auch die zeitliche Befristung stehe dem Anspruch nicht entgegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten müsse diese für sämtliche Verbindlichkeiten, die während der Laufzeit der Patronatserklärung entstanden sind, ebenso nachträglich aufkommen. Ansonsten könne sich der Patronat, durch Nichtzahlung während der Laufzeit, seiner Verpflichtung entziehen.

Dafür spreche ebenso § 144 Abs. 1 InsO. Sei die Patronatserklärung ein akzessorisches Sicherungsrecht, lebe die Sicherheit nach erfolgreicher Anfechtung wieder auf. Auch wenn die Patronatserklärung nicht akzessorisch sei, bestehe die Verpflichtung fort. Wäre die Verpflichtung mit den Zahlungen der S-GmbH untergegangen, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, eine neue Sicherung zu bestellen. Die Beklagte habe kein schützenswertes Interesse, durch eine Anfechtung der Zahlungen der S-GmbH von der Sicherung befreit zu werden. Aus § 242 BGB ergebe sich, dass sich die Beklagte nicht auf das Nichtbestehen des Sicherungsrecht berufen könne.

Praxishinweis | BGH IX ZR 95/16

Bei Abgabe solcher Patronatserklärungen ist wegen der weitreichenden Folgen also vorsichtig geboten. Eine doppelte Zahlung kann vermieden werden, indem anstatt interne Mittel zuzuführen, direkt an den Gläubiger gezahlt wird.