OLG Rostock 1 W 4/15
Bewertung von Unternehmen nach der sog. modifizierten Ertragswertmethode

01.08.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Rostock
19.05.2016
1 W 4/15
DB 2016, 2894

Leitsatz | OLG Rostock 1 W 4/15

1. Für die Kapitalerhöhung zur Durchführung der Verschmelzung gilt das Gebot der realen Kapitalaufbringung; der Unternehmenswert des übertragenden Rechtsträgers muss mindestens die Höhe des Nennbetrags erreichen.

2. Zur Prüfung der Kapitaldeckung ist der wahre Wert des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers entscheidend; betreibt dieser ein Unternehmen ist der nach allgemeinen Grundsätzen ermittelte Unternehmenswert maßgeblich.

3. Der wahre Wert ist demnach grundsätzlich der Ertragswert zuzüglich des Verkehrswerts des nicht betriebsnotwendigen Vermögens. Im Rahmen des Kapitalaufbringungsrechts bedeutet dies, dass Unternehmen bei Sachanlagen regelmäßig nicht nach dem Substanz- oder (Bilanz-)Buchwert, sondern nach der sog. modifizierten Ertragswertmethode zu bestimmen sind. Die Erträge müssen zunächst geschätzt und dann auf den Bewertungsstichtag abgezinst und dadurch zum Ertragswert kapitalisiert werden. Der so bestimmte Ertragswert ist, wenn vorhanden, um den Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens zu erhöhen.

Sachverhalt | OLG Rostock 1 W 4/15

Der übernehmende Rechtsträger vereinbarte mit dem übertragenden Rechtsträger (GmbH) eine Verschmelzung durch Aufnahme mit Kapitalerhöhung. Dem Alleingesellschafter des übertragenden Rechtsträgers sollte dabei als „Gegenleistung“ ein Geschäftsanteil in Höhe von 25.600 Euro an dem aufnehmenden Rechtsträger gewährt werden. Im Rahmen der Verschmelzung sollte zudem das Stammkapital des aufnehmenden Rechtsträgers durch Bildung eines neuen Geschäftsanteils von 25.600 Euro auf 51.200 Euro erhöht werden. Beide Gesellschaften stimmten dem Verschmelzungsvertrag zu.

Das Amtsgericht bemängelte die Werthaltigkeit des eingebrachten Rechtsträgers, dessen Eigenkapital nahezu verbraucht sei. Das geforderte Wertgutachten wurde von einer Steuerberatungsgesellschaft erstellt. Letztendlich hat das Amtsgericht die Anmeldung auf Erhöhung des Stammkapitals zurückgewiesen, da der übertragende Rechtsträger nicht werthaltig sei. An dieser Sicht änderte auch die Unternehmensbewertung nichts, da die Ermittlung des Vermögenswertes nicht schlüssig sei. Da die Kapitalerhöhung zum Zweck der Verschmelzung vorgenommen wurde und diese somit untrennbar verbunden seien, wurde auch die Verschmelzung zurückgewiesen.

Entscheidung | OLG Rostock 1 W 4/15

Die Eintragung wäre abzulehnen, wenn Sacheinlagen nicht unwesentlich überbewertet worden wären (§ 5a GmbHG i.V.m. § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG). Das Amtsgericht hat das Wertgutachten zu Recht angefordert, da der Bilanzverlust das buchmäßige Eigenkapital fast aufgezehrt hatte.

Für die Kapitaldeckung ist jedoch der wahre Wert des Vermögens der übertragenden Gesellschaft entscheidend. Der wahre Wert setzt sich grundsätzlich aus dem Ertragswert und dem nicht betriebsnotwendigen Vermögen zusammen. Somit ist das Unternehmen nach der sog. modifizierten Ertragswertmethode zu bewerten.

Die von der Steuerberatungsgesellschaft, welche das Wertgutachten erstellte, genutzte Ermittlungsmethode (vereinfachtes Ertragswertverfahren) ist nicht zu beanstanden, da sie auch aussagekräftiger ist, als der in der Bilanz ausgewiesene Buchwert. Zudem ist nicht zu beanstanden, dass der in der Bilanz enthaltene Verlustvortrag im vereinfachten Ertragswertverfahren nicht wertmindernd berücksichtigt wurde.

Das Registergericht hat nun zu prüfen, ob die Verschmelzung auf dieser Grundlage eingetragen werden kann.

Praxishinweis | OLG Rostock 1 W 4/15

Für die Kapitalerhöhung im Rahmen einer Verschmelzung ist das Gebot der realen Kapitalaufbringung maßgeblich. Dabei darf der Gesamtnennbetrag der Kapitalerhöhung nicht den Wert des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers übersteigen. Entscheidend für die Kapitaldeckung ist der wahre Wert des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers. Unternehmen sind somit grundsätzlich nach der sog. modifizierten Ertragswertmethode und nicht nach ihrem Substanz- oder Buchwert zu bewerten.