OLG Köln 18 U 153/14
Unwirksame Kündigung des Geschäftsführers einer US-Tochtergesellschaft aufgrund fehlender Vollmachturkunde

03.05.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Köln
13.08.2015
18 U 153/14
GmbHR 2016, 304

Leitsatz | OLG Köln 18 U 153/14

1. Die Vertretungsverhältnisse einer corporation nach US-amerikanischem Recht können keinem öffentlichen Register entnommen werden, sodass dann, wenn die corporation durch einen ihrer officer handelt, bei deren Teilnahme am Rechtsverkehr eine Situation vorliegt, die derjenigen eines rechtsgeschäftlich bestellten Vertreters entspricht, was die Anwendung von § 174 BGB rechtfertigt. Ein Zurückweisungsrecht besteht nicht nur, wenn eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht nicht vorgelegt wird, sondern auch dann, wenn die Rechtsmacht des Vertreters auf einer Ermächtigung beruht, die von einer eingetragenen organschaftlichen Vertretungsmacht abweicht.

2. Die Bekanntgabe der Abberufung kann zumindest dann in entsprechender Anwendung des § 174 BGB zurückgewiesen werden, wenn sie nicht durch die Gesellschafterversammlung als dem zuständigen Gremium selbst, sondern in deren Auftrag von einer davon verschiedenen dritten Person vorgenommen wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. November 2003, 15 U 225/02). Entsprechendes gilt, wenn – wie hier – die organschaftlichen Rechte in einer GmbH, deren Alleingesellschafterin eine corporation nach US-amerikanischem Recht ist, nicht von dem board of directors als einheitlichem Kollegialorgan nach dem Prinzip der Gesamtvertretung als Geschäftsführungsmaßnahme, sondern von einem ihrer officer wahrgenommen werden.

Sachverhalt | OLG Köln 18 U 153/14

Zwischen dem Kläger und der beklagten GmbH besteht mit Wirkung zum 01.09.2011 ein Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis. Alleinige Gesellschafterin der GmbH ist die T-Software Inc., eine nach dem Recht des Staates Delaware gegründete corporation. N ist Senior Vice President, General Counsel und Secretary der T-Software Inc.

Durch N wurde dem Kläger mit Wirkung zum 31.12.2013 ordentlich gekündigt. Gleichzeitig wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen. Der Kläger wies die Kündigung zwei Tage nach Zugang mit der Begründung zurück, dass N bei Übergabe keine Vollmachtsurkunde vorgelegt habe. Er habe zwar gewusst, dass N für die Alleingesellschafterin der beklagten GmbH tätig gewesen sei, er habe aber nicht gewusst, dass dieser zu seiner Kündigung befugt gewesen sei.

Entscheidung | OLG Köln 18 U 153/14

Die Kündigung ist gem. § 174 S. 1 BGB unwirksam, weil ihr keine Vollmachturkunde zugrunde lag und der Kläger die Kündigung unverzüglich zurückgewiesen hat.

Der Anwendungsbereich des § 174 S. 1 BGB ist entgegen der Ansicht der Beklagten eröffnet. Nach dem Wortlaut gilt die Vorschrift zwar nur für rechtsgeschäftlich bevollmächtigte Vertreter, allerdings hat der BGH die Anwendung auch dann bejaht, wenn ein alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter einer GbR eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung abgibt und weder eine Vollmacht der anderen Gesellschafter, noch den Gesellschaftsvertrag, noch eine Erklärung der anderen Gesellschafter beifügt, aus der sich die Befugnis des handelnden Gesellschafters zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft ergibt (BGH v. 09.01.2001 – LwZR 4/01). Begründet wird dies damit, dass der Gesellschafter in einem derartigen Fall vom Gesetz abweichende Regelungen für sich in Anspruch nimmt. Daran gemessen ist ein Zurückweisungsrecht nach § 174 S. 1 BGB auch für eine corporation nach US-amerikanischem Recht, die durch einen ihrer officer vertreten wird, zu bejahen. Corporations werden zwar beim secretary of state angemeldet, aus diesem ergeben sich aber keine Vertretungsbefugnisse, weswegen das Handeln des officers einem Handeln eines rechtsgeschäftlich bestellten Vertreters entspricht, was die Anwendung des § 174 BGB rechtfertigt. Der inländische Empfänger hat vielfach keine Kenntnis der Vertretungsverhältnisse. Den sicheren Nachweis der Vertretungsmacht können nur Abschriften von Beschlüssen des board of directors oder der bylaws erbringen. Diese Abschriften müssen vom secretary beglaubigt und mit dem Gesellschaftssiegel versehen werden. Außerdem muss vom secretary bescheinigt werden, dass der im Wortlaut wiederzugebende Beschluss auf einer ordnungsgemäß einberufenen und geführten Sitzung des board mit einer erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.

Der Kläger kam der Pflicht zum unverzüglichen Handeln im Sinne des § 174 S. 1 BGB nach. Die beiden Tage zwischen Zugang und Zurückweisung sind als angemessene Überlegungsfrist und Frist zur Einholung von Rechtsrat anzusehen.

Das Zurückweisungsrecht ist nicht gem. § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen. Der Kläger ist nicht ausreichend in Kenntnis darüber gesetzt worden, wer zur Kündigung seines Anstellungsverhältnisses berechtigt ist, was die Vollmachtsurkunde hätte ersetzen können. Daran ändert auch ein übersandter Verhaltenskodex der T-Software Inc. nichts, in welchem festgehalten ist, dass der General Counsel die Befugnis zur Einstellung von Mitarbeitern hat. Es ist nicht klar, dass seine Befugnis sich auch auf die Abberufung von Geschäftsführern erweitert.

Auch die Abberufung als Geschäftsführer ist durch die Zurückweisung stillschweigend erfolgt und ebenso durch die fehlende Vollmachtsurkunde unwirksam.

Praxishinweis | OLG Köln 18 U 153/14

Die Befugnis zur Vertretung einer Gesellschaft muss durch eine Vollmachtsurkunde nachgewiesen werden, wenn es sich um eine ausländische Gesellschaft handelt und deren Vertretungsverhältnisse nicht in einem mit dem deutschen Handelsregister zu vergleichenden Register eingesehen werden können. Die häufigsten Fälle in der Praxis betreffen dabei die Vertretung der in Deutschland auftretenden Limited, da das britische companies house, ebenso wie das amerikanische secretary of state, nicht den ausreichenden Nachweis der Vertretungsverhältnisse erbringen.