KG 22 W 64/15
Grenzüberschreitender Formwechsel einer französischen SARL in eine GmbH

21.02.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

KG
21.03.2016
22 W 64/15
NZG 2016, 834

Leitsatz | KG 22 W 64/15

Die Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels einer französischen GmbH in eine deutsche GmbH ist nach den deutschen Vorschriften über den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine GmbH zu beurteilen. Die Vorschriften über den grenzüberschreitenden Sitzwechsel einer Europäischen Aktiengesellschaft finden keine Anwendung.

Sachverhalt | KG 22 W 64/15

Die Beteiligte ist eine nach französischem Recht gegründete „Société à responsabilité limitée“ mit Sitz in Paris. Mit Beschluss vom 24.12.2014 beschloss der Alleingesellschafter die Erhöhung des Stammkapitals, die Verlegung des Geschäftssitzes von Paris nach Berlin und die Verabschiedung einer neuen Satzung der Gesellschaft in Form einer Gesellschaft deutschen Rechts. Mit notariell beurkundetem Beschluss beschloss der Alleingesellschafter anschließend eine formwechselnde Umwandlung der Gesellschaft in eine deutsche GmbH. Am 30.03.2015 wurde die Umwandlung angemeldet. Das AG wiederum hat die Anmeldung am 30.04.2015 zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass auf einen derartigen grenzüberschreitenden Formwechsel die Vorschriften des Art. 8 SE-VO anzuwenden seien und damit einhergehend die Voraussetzungen nicht eingehalten worden seien. Dagegen legte die Beteiligte Beschwerde ein.

Entscheidung | KG 22 W 64/15

Die Beschwerde gegen die Zurückweisung war zulässig und begründet. Gemäß
§ 382 Abs. 4 S. 1 FamFG darf ein auf Eintragung in das Handelsregister gerichteter Antrag nach § 12 Abs. 1 S. 1 HGB nicht zurückgewiesen werden, wenn er lediglich unvollständig ist oder ein anderes durch den Antragsteller behebbares Hindernis entgegensteht. Das AG hätte insofern eine Zwischenverfügung mit angemessener Frist zur Beseitigung der Hindernisse erlassen müssen, da keine nicht behebbaren Hindernisse vorlagen.

Das KG stellte fest, dass die Vorschriften der §§ 191, 226 UmwG, die eigentlich alle Formwechselbemächtigten Rechtsträger benennen, europarechtsfreundlich auszulegen sind, gem. Art. 49, 54 AEUV. Demnach kann einer Gesellschaft, welche dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegt, der Formwechsel nicht verwehrt werden, wenn ein solcher Formwechsel für Gesellschaften nach deutschem Recht ¬möglich ist. Nach den Vorschriften des UmwG würde eine Ungleichbehandlung bestehen. Es ist daher eine Anpassung des deutschen Sachrechts erforderlich, da die SARL französischen Rechts vergleichbar mit einer GmbH deutschen Rechts ist. Entgegen der Auffassung des Registergerichts sind daher nicht die Vorschriften des grenzüberschreitenden Sitzwechsels einer Europäischen Aktiengesellschaft anzunehmen, da die supranationale Rechtsform der SE auf Großunternehmen zugeschnitten ist. Damit einhergehend würden für einen Wechsel mit den Vorschriften der SE in eine GmbH wesentlich strengere Regeln verbunden, als dass für einen Wechsel einer Kapitalgesellschaft in eine GmbH nach dem UmwG der Fall wäre. Dies zeigt sich etwa an den auf Arbeitnehmer und deren Mitbestimmungsrechte bezogenen Regelungen (Art. 1 Abs. 4, Art. 12 Abs. II SE-VO) und an den deutlichen Abweichungen von Regelungen zum deutschen Umwandlungsrecht für eine formwechselwillige GmbH, etwa wenn es um die Erstellung eines Umwandlungsplans oder die stets erforderliche Verfassung eines Umwandlungsberichts und deren besondere Bekanntmachung geht. Eine derartige Schlechterstellung ist nach den Artikeln 49, 54 AEUV nicht zu rechtfertigen. Daher findet das UmwG Anwendung.

Der notariell beurkundete Gesellschaftsvertrag der GmbH entsprach jedoch nicht den über
§ 197 S. 1 UmwG anwendbaren Gründungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, weil Zahl- und Nennbeträge der Geschäftsanteile nicht enthalten waren. Entsprechend § 5 Abs. 4 S. 1 GmbHG wäre weiterhin aufzunehmen gewesen, dass die Kapitalaufbringung der Gesellschaft im Rahmen der Gründung bzw. während der Existenz einer nach dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates gegründeten Gesellschaftsform erfolgt ist. Auch eine Prüfung der Kapitalaufbringung hätte stattfinden müssen, da von einer Gesellschaftsform mit weniger strenger Prüfung in eine Rechtsform mit strengerer Prüfung umgewandelt wird (Kapitalaufbringungsvorschriften sind in Deutschland deutlich strenger). Es wäre auch ein Nachweis zu erbringen gewesen, dass das Aktivvermögen der Gesellschaft nach wie vor die Höhe des festgesetzten Stammkapitals entspricht. Eine notariell beglaubigte Versicherung des Geschäftsführers wäre hier ausreichend gewesen. Alle einzureichenden Unterlagen müssen in der notwendigen Form gem. § 12 Abs. 2 S. 1 HGB elektronisch eingereicht werden. Das Registergericht hätte zur Beseitigung der Hindernisse eine Zwischenverfügung mit angemessener Frist zur Nachbesserung erlassen müssen, nicht aber die Anmeldung direkt zurückverweisen dürfen.

Praxishinweis | KG 22 W 64/15

Der EuGH hat die Zulässigkeit eines grenzüberschreitenden Formwechsels bereits im Jahr 2012 anerkannt, gleichwohl fehlte es bislang an entsprechenden Ausführungsvorschriften.
Das Gericht hat jetzt die Frage geklärt, welche Vorschriften bei einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung mit Änderung der Gesellschaftsform anzuwenden sind. Zumindest für die Hineinverlegung des Sitzes nach Deutschland ist jetzt klar, dass die Vorschriften für den innerstaatlichen Formwechsel auf einen grenzüberschreitenden Formwechsel entsprechende Anwendung finden. Damit entfällt insbesondere die Notwendigkeit der vorherigen Aufstellung eines Umwandlungsplans und dessen amtliche Bekanntmachung. Die Umsetzung von Umstrukturierungen wird in der Praxis damit erheblich erleichtert.

Zu beachten ist, dass das Gericht die Entscheidung z.B. von der Vergleichbarkeit des Unternehmens mit einer GmbH abhängig macht. Das bedeutet, dass die Entscheidung bei einem größeren Unternehmen auch anders hätte getroffen werden können.

Weiterhin ist zu betonen, dass die Entscheidung lediglich auf die Hineinverlegung des Geschäftssitzes nach Deutschland Bezug nimmt. Eine Hinausverlegung des Geschäftssitzes ins europäische Ausland stellt wiederum eine andere Hürde dar und es ist fraglich, ob mit der Argumentation der Schlechterstellung (in Bezug auf Art. 49, 54 AEUV) auch in anderen Mitgliedsstaaten eine Nichtanwendbarkeit der SE-VO begründet werden kann. Die sehr differenziert beurteilte Frage, ob in diesen Fällen eine analoge Anwendung des Art. 8 SE-VO möglich ist, bleibt damit offen. Es wäre in diesem Sinne wünschenswert gewesen, wenn man den Fall dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt hätte, um auch für den Fall des Hinausverlegens Rechtssicherheit zu erhalten.