BGH IX ZR 161/15
Keine notwendige Aufrechterhaltung einer zugunsten des Geschäftsführers abgeschlossenen Haftpflichtversicherung durch den Insolvenzverwalter

17.01.2017

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
14.04.2016
IX ZR 161/15
NZG 2016, 838

Leitsatz | BGH IX ZR 161/15

Der Insolvenzverwalter einer GmbH ist deren Geschäftsführer gegenüber nicht verpflichtet, eine zu dessen Gunsten abgeschlossene Geschäftsführerhaftpflichtversicherung aufrechtzuerhalten, um ihn von einer Inanspruchnahme wegen verbotener Zahlungen zu befreien.

Sachverhalt | BGH IX ZR 161/15

Der Kläger war Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der D-GmbH. Der Beklagte, Geschäftsführer der D-GmbH (Schuldnerin), soll zugelassen haben, dass nach Insolvenzreife des Unternehmens eine Einzahlung in Höhe von 2.729.934,93 € auf das Geschäftskonto der D-GmbH mit dem Debetsaldo der Bank verrechnet wurden ist. Der Insolvenzverwalter klagte darum gegen den Geschäftsführer der D-GmbH und nimmt diesen gem. § 64 GmbHG auf Erstattung verbotener Zahlungen in Rückgriff.

Der Beklagte wiederum verlangte im Wege der Drittwiderklage ihn von dieser Verbindlichkeit freizustellen und anstelle dessen den Insolvenzverwalter persönlich auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Dieser habe eine von der Schuldnerin abgeschlossene, Ansprüche aus § 64 GmbHG abdeckende, Geschäftsführerhaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von
3 Mio. € je Versicherungsfall nach Insolvenzverfahrensöffnung beendet.

Entscheidung | BGH IX ZR 161/15

Der BGH stellte zunächst fest, dass die erhobene Drittwiderklage, vorliegend in Form eines Teilurteils, zulässig ist.

Weiterhin stellte der BGH fest, dass die Drittwiderklage unbegründet ist. Der Geschäftsführer als Schuldner der Masse gehört nicht zu dem durch § 60 Abs. 1 S. 1 InsO geschützten Personenkreis und hat somit keinen Schadensersatzanspruch daraus. Der Insolvenzverwalter ist gem. § 60 Abs. 1 S. 1 InsO allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Darunter fallen alle Pflichten, die ihm in Ausübung seines Amtes durch die Vorschriften der Insolvenzordnung übertragen sind. Solche Pflichten bestehen gegenüber dem Schuldner und insbesondere gegenüber den Insolvenzgläubigern, Massegläubigern und den Aussonderungs- und Absonderungsberechtigten. Ferner hat er für eine möglichst gleichmäßige Befriedung der Insolvenzforderungen zu sorgen. Dem Insolvenzverwalter obliegen somit Pflichten gegenüber der Schuldnerin, jedoch nicht gegenüber deren Organe, sei es der Vorstand einer AG oder der Geschäftsführer einer GmbH. Pflichten werden lediglich begründet, wenn das jeweilige Organ als Vertreter für die Schuldnerin auftritt. Ein wegen verbotener Zahlung in Anspruch genommener Geschäftsführer des insolventen Unternehmens ist ausschließlich Schuldner der Masse und somit nicht schutzbedürftig.

Ein Schadensersatzanspruch wegen versäumter Anfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters gem. §§ 129 ff. InsO besteht daher nicht, auch wenn diese den Erstattungsanspruch gegen den Geschäftsführer gemindert hätten.

Es besteht auch keine Versicherungspflicht für den Insolvenzverwalter, es sei denn, es liegt im Interesse des Schuldners und dessen Gläubigern. So kann es für den Schuldner und den Gläubiger von Vorteil sein, eine Versicherung aufrecht zu erhalten, z.B. wenn der Anspruch gegen den haftenden Geschäftsführer auf Grund mangelnder finanzieller Mittel nicht durchsetzbar wäre. Eine Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters wird allerdings nicht begründet.

Dem Geschäftsführer kommt auch kein Anspruch aus § 60 Abs. 1 S. 1 InsO zugute, weil er, wie von ihm behauptet, durch die Kündigung in einem ihm zustehenden Absonderungsrecht gem. § 110 VVG beeinträchtigt worden sei. Das Absonderungsrecht gem. § 110 VVG entsteht bei Vorliegen eines Schadensfalls mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des versicherten Schädigers, auch wenn der Haftpflichtanspruch für den Versicherer noch nicht bindend festgestellt ist. Diese Regelung ist nicht einschlägig, weil dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch gegen die Schuldnerin zusteht. Der Schaden auf Seiten der Schuldnerin wurde vielmehr durch den Beklagten verursacht.

Praxishinweis | BGH IX ZR 161/15

Der Insolvenzverwalter hat gegenüber dem Geschäftsführer eines insolventen Unternehmens keine Pflicht für den Erhalt einer Haftpflichtversicherung, auch wenn dieser verbotene Zahlungen tätigte. Insofern kann der Insolvenzverwalter eine Haftpflichtversicherung aufkündigen, auch wenn diese den Geschäftsführer der Schuldnerin von seiner Inanspruchnahme freistellen könnte.

Das bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht dem Insolvenzverwalter eine generelle Erlaubnis zur Kündigung von Geschäftsführerhaftpflichtversicherungen erteilt hat. Es ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Einzelfall das Gericht eine Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers verneint. Daraus resultierend leitet der BGH ab, dass für den Insolvenzverwalter keine Pflichten gegenüber dem Geschäftsführer der Schuldnerin bestehen und ein Schadensersatzanspruch daher ausgeschlossen ist. Ob der Geschäftsführer als Vertreter der Schuldnerin auftritt (und damit Schutzpflichten für den Insolvenzverwalter begründet werden) oder als Schuldner der Masse (und damit keine Pflichten begründet werden), ist stets eine Einzelfallentscheidung. Daher wird der Insolvenzverwalter nach wie vor eine Abwägung treffen müssen, ob er solche Haftpflichtversicherungen aufkündigt oder nicht.
Für den Geschäftsführer bleibt die Frage offen, ob er von einer Kündigung der Versicherung informiert werden müsste oder inwieweit er selbstständig in den Versicherungsvertrag eintreten könnte, um eine Haftungspflicht auszuschließen. Im Normalfall enthalten Haftpflichtversicherungen auch Nachhaftungszeiträume, die trotz Kündigung noch eine Eintrittspflicht begründen. Daher sollte sich der Geschäftsführer darüber frühzeitig informieren, um dem Ergebnis des vorliegenden Falles vorzubeugen.