OLG Düsseldorf I-22 U 37/15
Wettbewerbsverbot beim Unternehmenskauf

29.12.2016

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Düsseldorf
23.10.2015
I-22 U 37/15
EWiR 2016, 433

Leitsatz | OLG Düsseldorf I-22 U 37/15

1. Bei vertraglichen Unterlassungsansprüchen besteht das allgemeine bzw. das besondere Rechtsschutzbedürfnis gemäß § 259 ZPO, wenn zu besorgen ist, dass der Schuldner seiner vertraglichen Verpflichtung zuwider handeln wird. Daran können zwar Zweifel bestehen, wenn es noch nicht zu Zuwiderhandlungen gekommen ist, indes ist das gesamte Verhalten des Schuldners zu würdigen und auch, ob er den Bestand der vertraglichen Unterlassungspflicht in Abrede stellt.

2. Solange eine Vertragsverletzung oder der pflichtwidrig geschaffene Zustand andauert, kann sich aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben.

3. Bei Konkurrenz-/Mandantenschutzklauseln sind Unterschiede zwischen den Fallgruppen eines aus einer Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafters bzw. Geschäftsführers und eines Unternehmens- bzw. Mandanten-/Mandatkaufs bei der Bemessung der zulässigen Höchstdauer angemessen zu berücksichtigen.

4. Bei einem Mandanten-/Mandatskauf sind Wettbewerbsverbote regelmäßig in dem Ausmaß zulässig, das den berechtigten Interessen des Erwerbers bzw. des Veräußerers (unter Berücksichtigung von Art. 12 GG) entspricht, das Allgemeininteresse an einem funktionierenden Wettbewerb respektiert bzw. wenn und soweit das Wettbewerbsverbot notwendig ist, um den Erwerber vor der illoyalen Verwertung von (unter befristetem Konkurrenzschutz veräußerten) Arbeitserfolgen, die sich in den verkauften Mandaten widerspiegeln, durch den Veräußerer zu schützen.

5. Ein Wettbewerbsverbot des Verkäufers kann sich bei einem Unternehmens- bzw. Mandanten-/Mandatskauf bereits aus der kaufrechtlichen Verschaffungs-/Leistungspflicht des Verkäufers nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als ungeschriebene Nebenpflicht bzw. nachvertragliche Treuepflicht des Verkäufers auch ohne gesonderte Vereinbarung ergeben.

6. Ebenso wie bei einer Karenzentschädigung bei Ausscheiden aus einer Gesellschaft ist auch bei einem Unternehmens- bzw. Mandanten-/Mandatskauf zu berücksichtigen, dass im Kaufpreis regelmäßig der wirtschaftliche Wert des Wettbewerbsverbots (und zwar unter Berücksichtigung seiner konkreten – hier fünfjährigen – Dauer ab Ende der Überleitungsphase) von den Parteien mit einkalkuliert worden ist.

7. Bei einem zeitlichen Übermaß ist ein Wettbewerbsverbot im Wege geltungserhaltender Reduktion auf das zulässige Maß zu beschränken, soweit es nicht zugleich auch aus anderen Gründen als der unangemessenen Laufzeit sittenwidrig ist.

8. Die Androhung eines Ordnungsgeldes gemäß § 890 Abs. 2 ZPO setzt weder eine Zuwiderhandlung des Schuldners noch ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis der Gläubigerin voraus.


Sachverhalt | OLG Düsseldorf I-22 U 37/15

Der Beklagte hatte von der Klägerin eine Steuerberatungskanzlei gekauft. Die Klägerin macht nun einen Anspruch auf Unterlassung aufgrund einer Kundenschutzklausel in dem dazugehörigen Kaufvertrag geltend. Danach darf der Beklagte bis fünf Jahre nach Vertragsbeendigung nicht für explizit genannte Kunden steuerlich tätig werden.

Die Vorinstanz befand die Kundenschutzklausel als nichtig, da sie gemäß § 138 Abs. 1 BGB die Beschränkung der Berufsfreiheit zeitlich und gegenständlich unverhältnismäßig einschränkte.

Entscheidung | OLG Düsseldorf I-22 U 37/15

Das OLG Düsseldorf hält die Klausel für wirksam und bejaht den Unterlassungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB.

Das Gericht sieht eine Beschränkung gemäß § 138 BGB i.V.m. Art. 12 GG als sittenwidrig an, wenn für längere Zeit die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit ohne Ausgleich beeinträchtigt wird.
Eine Beschränkung sei nicht sittenwidrig, wenn sie durch schutzwürdige Interessen des Berechtigten geboten ist sowie örtlich, zeitlich und gegenständlich einen angemessen Umfang hat. Grundsätzlich sei eine Verbotsfrist von zwei Jahren angemessen, bei starken Kundenbindungen könne diese Frist auch länger sein. Karenzentschädigungen fallen nur in Ausnamefällen an. Ein Wettbewerbsverbot sei weiterhin zulässig, wenn es den funktionierenden Wettbewerb respektiert und vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge schützt.

In dem aktuellen Fall geht es um eine Steuerberatungskanzlei. Bei dieser Art von Unternehmen nimmt man eine enge Kundenbindung an. Aus diesem Grund sieht das Gericht die Fünf-Jahres-Frist nicht als sittenwidrig an.

Praxishinweis | OLG Düsseldorf I-22 U 37/15

In manchen Fällen ist es schwer zu beurteilen, ob ein Wettbewerbsverbot sittenwidrig ist. Es gibt keine allgemeingültige Lösung, da immer der Einzelfall beurteilt wird.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass beim Unternehmenskauf die wirtschaftlichen Werte des Wettbewerbsverbotes in den Kaufpreis einkalkuliert werden. Indem das OLG in der Kaufpreiszahlung auch eine Entschädigung sieht, schränkt es die Möglichkeit der analogen Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB ein.

Zudem muss beachtet werden, dass ein Wettbewerbsverbot schon alleine aus § 242 BGB begründet sein kann, auch ohne eine Vereinbarung getroffen zu haben.

Schließlich sollte man Kundenschutz auf einzelne Kunden definiert festlegen, um sicher zu gehen.