BGH VII ZR 49/15
Unwirksamkeit einer Klausel über die Bindung von Erwerbern an eine durch frühere Erwerber bereits erfolgte Abnahme des Gemeinschaftseigentums

28.07.2016

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
25.02.2016
VII ZR 49/15
DNotI-Report 2016, 53

Leitsatz | BGH VII ZR 49/15

1. Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbs-vertrages verwendete Klausel, die die nach Entstehen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft und Abnahme des Gemeinschaftseigentums vertragsschließenden Erwerber („Nachzügler“) an eine durch frühere Erwerber bereits erfolgte Abnahme des Gemeinschaftseigentums bindet, ist wegen mittelbarer Verkürzung der Verjährung gemäß § 309 Nr. 8 lit. b) sublit. ff) BGB unwirksam.

2. Dem Bauträger ist es als Verwender dieser von ihm gestellten, unwirksamen Formularklausel nach Treu und Glauben verwehrt sich darauf zu berufen, dass der Vertrag sich noch im Erfüllungsstadium befinde und deshalb ein Anspruch aus § 637 Abs. 3 BGB nicht bestehe.

Sachverhalt | BGH VII ZR 49/15

Nachdem ein Bauträger eine Wohnungseigentumsanlage errichten ließ, fand im November bzw. Dezember 2004 Teilabnahmetermine mit mehreren Eigentümern und der Verwalterin statt. Zwei Jahre später im November 2006 kauften die Erwerber vom Bauträger eine Penthouse-Wohnung in der Wohnanlage und äußerten Sonderwünsche, die vom Bauträger sodann erfüllt wurden. Hinsichtlich der Bauabnahme wurde zwischen den Parteien folgendes vereinbart:

„Das Bauwerk ist durch die Vertragsparteien oder mit schriftlicher Vollmacht ausgestatteter Vertreter förmlich abzunehmen. Der Abnahmetermin wird vom Veräußerer bestimmt. (…) Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums ist bereits erfolgt. Der Verkauf gilt nach Maßgabe dieser Abnahme als vereinbart.“

Nach der Fertigung eines Nachabnahmeprotokolls wurde die Wohnung den Erwerbern übergeben. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat in der Folgezeit Mängel hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums gerügt. Sie nimmt den Bauträger nach Abtretung der Gewährleistungsansprüche der Erwerber u.a. auf einen Kostenvorschuss zur Beseitigung der Mängel in Anspruch.

Entscheidung | BGH VII ZR 49/15

Die Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte Erfolg. Sie hat einen Anspruch auf einen Vorschuss zur Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB.

Dieser Anspruch der Erwerber ist nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs insbesondere nicht verjährt, weil die Klausel zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums gegen § 309 Nr. 8 lit. b sublit. ff BGB verstößt. Die Klausel ist dahingehend zu verstehen, dass die Erwerber die von den übrigen Erwerbern erklärte Abnahme des Gemeinschaftseigentums und auch den dadurch bewirkten Beginn der Verjährungsfrist als sog. „Nachzügler“ gegen sich gelten lassen müssen. Durch die Anknüpfung an die Abnahme der übrigen Erwerber wird der Beginn der Verjährung von Mängelansprüchen betreffend des Gemeinschaftseigentums auf einen Zeitpunkt vorverlagert zu dem die Erwerber selbst das Werk weder erworben hatten noch es ihnen übergeben war. Dies stellt eine mittelbare Verkürzung der Verjährungsfrist dar, mit der Folge, dass die Klausel unwirksam ist.

Im Übrigen ist es dem Bauträger nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag aufgrund fehlender Abnahme des Gemeinschaftseigentums noch im Erfüllungsstadium befinde. Denn durch das Stellen der Klausel hat der Bauträger den Eindruck erweckt, dass eine Abnahme erfolgt sei und das Erfüllungsstadium dementsprechend beendet ist.

Praxishinweis | BGH VII ZR 49/15

In den letzten Jahren haben die Gerichte eine Vielzahl von Abnahmeklauseln für unwirksam erklärt, wenn dem Erwerber nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, das Gemeinschaftseigentum selbst abzunehmen.

Das Urteil schließt sich der bisherigen Rechtsprechung an im Hinblick auf das Auseinanderfallen des Gewährleistungsrechts für den Bauträger. Der Erwerber muss grundsätzlich bereits erfolgte Abnahmen des Gemeinschaftseigentums nicht gegen sich gelten lassen. Die faktisch verlängerte Haftung des Bauträgers resultiert dementsprechend aus dem Beginn der Verjährungsfrist der Gewährleistungsansprüche mit der jeweiligen Abnahme jedes einzelnen Käufers.

In Bezug auf den Nachzügler ist somit nun ebenfalls festgestellt, dass dieser durch den Bauträgervertrag nicht an die Abnahme anderer Erwerber gebunden werden kann, da dies zu einer mittelbaren Verjährungsverkürzung führt.

Der Praxis ist daher anzuraten, das Gemeinschaftseigentum durch den jeweiligen Erwerber stets gesondert abnehmen zu lassen. Hierbei ist es empfehlenswert, mit jedem Käufer eine Abnahmebegehung des Sonder- als auch Gemeinschaftseigentums durchzuführen und ein jeweiliges Abnahmeprotokoll durch den Erwerber unterzeichnen zu lassen.