AG Berlin-Charlottenburg 99 AR 9466/15
Keine Eintragung einer deutschen GmbH nach Beurkundung der Gründung durch einen Schweizer Notar aus dem Kanton Bern

01.06.2016

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

AG Berlin-Charlottenburg
22.01.2016
99 AR 9466/15
GmbHR 2016, 223

Leitsatz | AG Berlin-Charlottenburg 99 AR 9466/15

Die Anmeldung einer deutschen GmbH in das Handelsregister durch einen Schweizer Notar aus dem Kanton Bern kann mangels Gleichwertigkeit der Beurkundung nicht im Handelsregister eingetragen werden.

Sachverhalt | AG Berlin-Charlottenburg 99 AR 9466/15

Mit Anmeldung vom 09.09.2015 wurde die Gründung der S-GmbH zum Handelsregister angemeldet. Mit der Anmeldung wurde eine mit Apostille versehene öffentliche Urkunde des im Kanton Bern dienstansässigen Notars N eingereicht.

Entscheidung | AG Berlin-Charlottenburg 99 AR 9466/15

Das AG Berlin-Charlottenburg hat die Anmeldung der Eintragung der Gesellschaft zurückgewiesen, da sie nicht ordnungsgemäß errichtet worden ist.

Gemäß § 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB ist hinsichtlich der gründungsbezogenen Formvoraussetzungen deutsches Recht anwendbar. Die Einhaltung der schweizerischen „Ortsform“ nach § 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB genügt aufgrund der besonderen materiellen Bedeutung des § 2 Abs. 1 GmbHG nicht.
Nach deutschem Recht bedarf die Errichtung einer GmbH der notariellen Beurkundung. Dazu ist nicht jeder, sondern grundsätzlich nur der deutsche Notar berufen, ohne dass dies im Gesetzeswortlaut explizit erwähnt werden müsste.

Gleichwohl genügt nach der Rechtsprechung des BGH auch eine Beurkundung durch einen ausländischen Notar, wenn diese der Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig ist. Dafür muss zum einen ein Verfahrensrecht angewendet worden sein, dass den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht. Zum anderen muss die Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine mit der Tätigkeit des deutschen Notars vergleichbare Funktion erfüllen.

Das im Kanton Bern zu beachtende Beurkundungsverfahren ist dem deutschen Beurkundungsverfahren nicht gleichwertig. Nach Art. 46 Abs. 1 der Notariatsverordnung vom 26.04.2006 (NV) liest der Schweizer Notar die Urkunde nur vor, soweit sie Willenserklärungen enthält. Anlagen müssen nach Art. 39 NV gar nicht verlesen werden. Im deutschen Recht ist dagegen die gesamte notarielle Niederschrift einschließlich Anlagen vorzulesen, §§ 9, 13 BeurkG. Die Vorlesungspflicht ist zentraler Bestandteil des deutschen Beurkundungsverfahrens und zwingendes Unterscheidungsmerkmal zur bloßen Beglaubigung. Verstöße hiergegen führen zur Nichtigkeit der Beurkundung.

Unbeachtlich ist insoweit, ob der ausländische Notar freiwillig das strengere deutsche Standesrecht angewendet hat. Entscheidend ist aus Gründen der Rechtssicherheit allein, ob eine entsprechende Verpflichtung des Notars hierzu besteht.

Schließlich äußert das AG Berlin-Charlottenburg Zweifel daran, ob an der Gleichwertigkeitstheorie für Gründungsakte überhaupt festzuhalten ist. Dagegen spricht nämlich, dass ein ausländischer Notar mangels vertiefter Kenntnisse im deutschen Gesellschaftsrecht seiner Belehrungs-, Beratungs- und Prüfungsfunktion nicht hinreichend nachkommen kann. Die Parteien können aber hierauf nicht verzichten, da § 17 Abs. 1 BeurkG insoweit als Muss-Vorschrift zu lesen ist. Auch unterliegt nur der deutsche Notar den Melde- und Kontrollpflichten wie etwa § 54 EStDV. Die Beschränkung der Beurkundung auf deutsche Notare würde auch nicht gegen die europäischen Grundfreiheiten verstoßen, da ein solches Erfordernis aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt wäre.

Praxishinweis | AG Berlin-Charlottenburg 99 AR 9466/15

Die vor allem aus Kostengesichtspunkten praxisrelevante Frage, ob die Gründung einer deutschen GmbH durch einen ausländischen Notar beurkundet werden darf, harrt bis heute einer höchstrichterlichen Entscheidung. Das AG Berlin-Charlottenburg hat die Frage nunmehr für das im Kanton Bern geltenden Beurkundungsverfahren mangels Gleichwertigkeit zum deutschen Verfahren verneint.

Angesichts der von Kanton zu Kanton unterschiedlichen Ausgestaltung der Beurkundungsvorschriften ist die Kernaussage der Entscheidung nicht ohne weiteres auf alle Kantone der Schweiz zu erstrecken. Erst recht scheidet eine Ausweitung auf sämtliche von ausländischen Notaren vorgenommene Gründungsakte aus.

Gleichwohl könnte der Beschluss richtungsweisenden Charakter für Folgeentscheidungen zur Vornahme von Beurkundungen durch ausländische Notare haben. Das nicht von der Hand zu weisende Argument, dass der ausländische Notar über keine vertieften Kenntnisse zum deutschen Gesellschaftsrecht verfügt und daher seinen Prüf- und Belehrungspflichten nicht nachkommen kann, lässt sich unschwer auf zahlreiche Fallkonstellationen übertragen. Gerade bei gründungsrelevanten Sachverhalten ist zudem eine materielle Richtigkeitsgewähr von besonderer Bedeutung, da insoweit auch das schutzwürdige Vertrauen Dritter in Rechnung zu stellen ist.

Der Praxis ist bis zur endgültigen höchstrichterlichen Klärung der Frage dringend davon abzuraten, die Beurkundung der Gründungssatzung von einem ausländischen Notar vornehmen zu lassen. Mögen Gebührenersparnisse dafür sprechen, so wiegt die damit verbundene Rechtsunsicherheit über die Wirksamkeit der Gründung erheblich schwerer. Hinzu kommt, dass bei Verweigerung der Eintragung durch das Registergericht noch einmal Kosten für die Beurkundung durch einen deutschen Notar hinzukommen, ohne dass die sinnlos aufgewendeten Gebühren für das ausländische Beurkundungsverfahren zurückverlangt oder zur Anrechnung gebracht werden könnten.