OLG Frankfurt a.M. 20 W 148/14
Befugnis des persönlich haftenden KGaA-Gesellschafters zur Antragsstellung nach §104 Abs. 1 AktG

08.02.2016

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt a.M.
08.09.2015
20 W 148/14
NZG 2015, 1154

Leitsatz | OLG Frankfurt a.M. 20 W 148/14

1. Der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA ist im Gegensatz zur Gesellschaft selbst zur Antragstellung nach § 104 Abs. I, II AktG (gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats) berechtigt.

2. Bei der Überprüfung der diesbezüglichen erstinstanzlichen Entscheidung ist das OLG als Beschwerdegericht weitere Tatsacheninstanz (§ 65 Abs. III FamFG) und damit nicht auf die Feststellung von Ermessensfehlern beschränkt, sondern kann sein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der zum Aufsichtsrat zu bestellenden Personen in vollem Umfang an die Stelle des Ausgangsgerichts setzen (Abgrenzung zu OLG Hamm, NZG 2013, 1099).

3. Zu den nach § 104 Abs. I, II AktG im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigenden Umständen.

4. Bei erheblichen Interessengegensätzen innerhalb einer Gesellschaft, die im Wesentlichen in zwei untereinander zerstrittene Aktionärslager aufgespalten ist, kommt auch die gerichtliche Bestellung von „neutralen“, nicht von den Beteiligten vorgeschlagenen Personen zu Aufsichtsräten in Betracht.

Sachverhalt | OLG Frankfurt a.M. 20 W 148/14

Eine KGaA mit zerstrittenem Aktionärskreis will ihren Vorstand neu besetzen. Auf Antrag des Hauptaktionärs bestellt das AG Frankfurt, die vom Hauptaktionär vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder und wies alle weiteren Anträge der persönlich haftenden Gesellschafterin sowie der Gesellschaft selbst ab.

Gegen die Bestellung einiger Aufsichtsratsmitglieder legte die Gesellschaft sowie die Komplementärin Beschwerde beim OLG ein.

Entscheidung | OLG Frankfurt a.M. 20 W 148/14

Die Komplementärin ist, im Gegensatz zur Gesellschaft selbst, gem. §104 I,II AktG antragsbefugt.

„(1) Gehört dem Aufsichtsrat die zur Beschlußfähigkeit [sic] nötige Zahl von Mitgliedern nicht an, so hat ihn das Gericht auf Antrag des Vorstands, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines Aktionärs auf diese Zahl zu ergänzen.“ – §104 Abs. 1 S.1 AktG

Beschwerde auch zulässig, da andere als die von der antragsbefugten Komplementärin vorgeschlagenen Aufsichtsräte bestellt worden sind, §§104 i.V.m. 278 AktG.

Weiter ist das OLG als Tatsacheninstanz nicht an Anträge der Beteiligten gebunden. Primär müssen durch die gerichtliche Aufsichtsratsbestellung die Interessen der Gesellschaft gewahrt werden. Die Verpflichtung des Aufsichtsrats zur Überprüfung gesetzlicher und satzungsgemäßer Regelungen ist oberste Pflicht. Diese können durch eine neutrale Person besser geschützt werden, als durch einen „einseitig“ vorgeschlagenen Aufsichtsrat. Die gerichtliche eingesetzte, neutrale Person kann zusätzlich eher als Vermittler zwischen den Parteien dienen als ein bereits bei der Bestellung argwohnhervorrufender „einseitiger“ Aufsichtsrat.

Praxishinweis | OLG Frankfurt a.M. 20 W 148/14

Für die Praxis ermöglicht dieses Urteil den Gerichten eine dezidiertere Prüfung der Person des Aufsichtsrats und kann auch selbstständig „gesellschaftsfremde“ Personen bestellen.

Im Fall des zerstrittenen Aktionärskreis sollte das Gericht öfters von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, um ein in der Führungsriege in Lager gespaltenes Unternehmen wieder zusammenzuführen. Erfahrungsgemäß stellen Probleme persönlicher Art zwischen den Gesellschaftern regelmäßig die Gesellschaft selbst vor Probleme, da wichtige wirtschaftliche Maßnahmen nicht oder nur verspätet durch Gesellschafterbeschlüsse ergriffen werden können.

In diesen Fällen fehlt oft die „ordnende Hand“, diese kann ein gerichtlich neutral bestellter Aufsichtsrat besser ausfüllen als eine „einseitige“ Bestellung und die dadurch verbundene Stärkung eines der Gesellschafterlager.