BGH KZR 90/13
Wirksamer Erwerb der Gesellschafterstellung bei kartellwidrigem GmbH-Beitritt

21.01.2016

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
27.01.2015
KZR 90/13
NZG 2015, 478

Leitsatz | BGH KZR 90/13

Wird der Erwerb eines Geschäftsanteils an einer GmbH nach § 16 I GmbHG aF ordnungsgemäß bei der Gesellschaft angemeldet, gilt der Gesellschaft gegenüber der Erwerber auch dann als Gesellschafter, wenn durch den Beitritt die Voraussetzungen für eine Freistellung der Gesellschaft vom Verbot des § 1 GWB entfallen sind.

Sachverhalt | BGH KZR 90/13

Die GmbH (Beklagte) ist eine Einkaufskooperation, die als Mittelstandskartell vom BKartA vom Verbot des § 1 GWB freigestellt wurde. 2001 erwirbt die Klägerin einen Geschäftsanteil an der Beklagten. Mit ihrem Beitritt kamen Zweifel auf, ob die Voraussetzungen der Beklagten für die kartellrechtliche Freistellung noch vorliegen. Das BKartA erklärte der Beklagten, sie müsse sich von der Klägerin trennen, damit der kartellrechtlich unbedenkliche Zustand wieder hergestellt würde. 2008 wurde mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Geschäftsanteil der Klägerin eingezogen. Die Klägerin hält die Beurteilung des BKartA für falsch und reicht Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen den Einziehungsbeschluss ein. Im Laufe der ersten Instanz stellt die Klägerin ihre Klage um. Sie macht sich den Standpunkt der Beklagten zu Eigen und erklärt ihren Beitritt für kartellrechtswidrig. Durch den dadurch von Anfang an nichtigen Beitritt verlangt die Klägerin, alle gegenseitigen Leistungen bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln (1,64 Mio. €). Das LG wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab der Klage teilweise statt. Die Beklagte verfolgt in der Revision den Klageabweisungsantrag im vollen Umfang. Die Klägerin schließt sich der Revision an, um den Zahlungsantrag im vollen Umfang zu erreichen.

Entscheidung | BGH KZR 90/13

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Ersatz einer ungerechtfertigten Bereicherung. Die Anschlussrevision ist zurückzuweisen.

Das Berufungsgericht hat den Ansprüchen der Klägerin gegen die Beklagte wegen ungerechtfertigter Bereicherung iHv 812.000 € stattgegeben. Der Beitritt der Klägerin ist von Anfang an nichtig gewesen gem. § 134 BGB, denn ihr Beitritt führte aufgrund einer nun fehlenden Voraussetzung zu einem Verstoß gegen § 1 GWB. Die Klägerin, zu einem finnischen Konzern gehörend, ist nach dem Kartellrecht kein kleines oder mittleres Unternehmen. § 16 I GmbHG aF steht der Anwendung von Bereicherungsrecht nicht entgegen; § 134 BGB setzt sich aufgrund der Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch.

Die Ausführungen halten in einem Punkt der Revisionsprüfung nicht stand.

Wie das Berufungsgericht vertritt der BGH die Ansicht, dass die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, in der eine trotz Gründungsmangel in Vollzug gesetzte Gesellschaft als wirksam erachtet wird, beim Erwerb eines Geschäftsanteils einer GmbH nicht anwendbar ist, denn das Gesetz sieht speziellere Regeln vor. Im Verhältnis Anteilserwerber – Gesellschaft wird die Gesellschaft durch § 16 I GmbHG aF geschützt, denn danach gilt bei einer Anteilsübertragung der Gesellschaft gegenüber derjenige als Erwerber, dessen Erwerb bei den Geschäftsführern unter Nachweis des Übergangs angemeldet ist. In der Revision wird die Anmeldung der durch die Klägerin erworbenen Geschäftsanteile bei den Geschäftsführern der Beklagten unterstellt. Ob § 16 I GmbHG aF bei Nichtigkeit der Geschäftsanteilsübertragung gem. § 134 BGB, § 1 GWB Anwendung findet, ist umstritten. Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an, die eine Anwendung des § 16 I GmbHG aF mit der bezweckten Rechtssicherheit begründet. Die Gesellschaft dürfe und müsse unabhängig von der wahren Rechtslage jedermann, dessen Anteilserwerb bei ihr nachgewiesen und angemeldet wurde, als Gesellschafter behandeln. Bei einem unwirksamen Beitritt soll für die Gesellschaft, den Erwerber und Veräußerer durch Fiktion einer wirksam erworbenen Gesellschafterstellung Rechtssicherheit geschaffen werden. Zudem werden die Gläubiger der Gesellschaft geschützt, indem ihr Vertrauen in die gesellschaftsrechtlichen Bindungen der angemeldeten Gesellschafter gestärkt wird. Dieses Schutzbedürfnis aller besteht auch trotz eines Verstoßes gegen § 1 GWB. § 16 I GmbHG aF ändert bei kartellrechtswidrigen Beitritten zu einer GmbH an der Nichtigkeit des Erwerbsvorgangs nichts. Gerade bei Nichtigkeit wird vom Gesetz angeordnet, dass gegenüber der Gesellschaft der (Schein) Erwerber als Erwerber gilt. Somit ist regelmäßig gewährleistet, dass die Anwendung des GmbH-Rechts keine durch das Kartellrecht angeordnete Nichtigkeitsfolge aufhebt. Nach Auslegung des § 16 I GmbHG aF durch den BGH gilt der Erwerber im Verhältnis zur Gesellschaft in allen Beziehungen als Gesellschafter. Hat sich jemand gegenüber der Gesellschaft als Erwerber ausgewiesen, so soll die Gesellschaft berechtigt und verpflichtet sein, unabhängig von der wahren Rechtslage den Erwerber so lange wie einen Gesellschafter zu behandeln, bis eine Rechtsänderung der Gesellschaft etwas anderes nachweist und anmeldet. Danach gehen alle von der Klägerin mit Rechtsgrund geleisteten Zahlungen auf Rechtsbeziehungen nach § 16 I GmbHG aF zurück, sodass kein Anspruch aus Bereicherungsrecht besteht.

Die Anschlussrevision ist unbegründet.

Das Berufungsgericht hat die Klage auf Rückzahlung der Umsatzsteuer mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte, aufgrund des Abführens der Steuer an das Finanzamt, sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann. Die Anschlussrevision wehrt sich dagegen ohne Erfolg – die Beklagte kann sich auch bei Ansprüchen aus § 812 I 1 Alt.1 BGB auf den Wegfall der Bereicherung gem. § 818 III BGB berufen. Das Berufungsgericht hat die Klage auf Erstattung der „Gemeinschaftskosten“ abgewiesen. Diese Gemeinschaftskosten sind ein Entgelt für die von der Beklagten zu leistenden Angebote. Eine Saldierung der gegenseitigen Leistungen führt zu einem ausgeglichenen Ergebnis auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Marktwert und gezahltem Preis für die Gegenleistungen, sodass die Klage unbegründet ist. Auch alle weiteren Gesellschafter haben gleich hohe Preise für die bereitgestellten Leistungen gezahlt. Der Einwand, für die Klägerin seien die Gegenleistungen wertlos, da sie diese nicht oder nicht im beachtlichen Umfang in Anspruch genommen hat, wird vom Berufungsgericht als lebensfremd bezeichnet. Es reiche aus, dass die Leistungen überhaupt zur Verfügung gestellt wurden. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Grundsätze der Saldotheorie gelten auch hier, obwohl das Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft nicht als einer auf Leistungsaustausch gerichteter, gegenseitiger Vertrag einzustufen ist. Jedoch können im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses Leistungsbeziehungen bestehen, die als Austauschvertrag zu beurteilen sind. Die von der Beklagten gegen Entgelt zur Verfügung gestellten Leistungen, sind als eine Leistungsbeziehung zu verstehen und unterliegen bei bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung der Saldierung. In der durch das Berufungsgericht Gebrauch gemachten Schätzungsmöglichkeit nach § 278 ZPO sind nach dem Revisionsgericht keine Fehler ersichtlich. Zudem macht die Anschlussrevision erfolglos geltend, die Klägerin hat die angebotenen Leistungen der Beklagten nicht oder nur im geringen Umfang in Anspruch genommen. Hier stellte das Berufungsgericht zutreffend darauf ab, dass sich die Vergütungspflicht schon aus dem Bereitstellen der Leistung ergibt und die übrigen Gesellschafter ebenfalls unabhängig von der Leistungsinanspruchnahme gezahlt haben.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben, sofern es zum Nachteil der Beklagten entscheidet. Die Sache wird an das Berufungsgericht zurückgewiesen, welches festzustellen hat, ob die Klägerin wirksam als Erwerberin des Geschäftsanteils bei den Geschäftsführern der Beklagten angemeldet worden ist.

Praxishinweis | BGH KZR 90/13

Das Urteil des BGH verdeutlicht, dass die Rechtsscheinwirkung des § 16 I GmbHG aF auch dann Anwendung findet, wenn ein Verstoß gegen das Kartellverbot vorliegt. Das ergangene Urteil bezieht sich zwar nur auf die Altfassung des § 16 I GmbHG, jedoch ist es auf § 16 I GmbHG nF zu übertragen: ist jemand in die Gesellschafterliste eingetragen, so gilt er auch bei Vorliegen einer Verletzung des § 1 GWB der Gesellschaft gegenüber als Gesellschaft. Diese Entscheidung kann Anknüpfungspunkt für den nach § 16 III GmbHG gutgläubigen Erwerb eines Geschäftsanteils sein, denn der Rechtsschein, der durch Aufnahme des Gesellschafters in die Gesellschafterliste entsteht, wird bei einem Verstoß gegen § 1 GWB nicht vernichtet.