OLG Frankfurt a.M. 21 W 67/14
Erbeinsetzung ambulanter Pflegedienste in Hessen unzulässig

28.12.2015

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

OLG Frankfurt a.M.
12.05.2015
21 W 67/14
BeckRS 2015, 09398

Leitsatz | OLG Frankfurt a.M. 21 W 67/14

Wird die Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes in Hessen durch eine zu pflegende Person letztwillig zur Erbin berufen, wird vermutet, dass die Erbeinsetzung im Zusammenhang mit den Pflegeleistungen steht und somit nach § 7 HGBP unwirksam ist.

Sachverhalt | OLG Frankfurt a.M. 21 W 67/14

Eine Erblasserin wurde jahrelang vor ihrem Tod von einem ambulanten Pflegedienst versorgt. Die Geschäftsführerin des Pflegedienstes war mit der Erblasserin privat befreundet, besuchte sie und unternahm mit ihr gemeinsame Ausflüge. Mittels Erbvertrag setze die spätere Erblasserin die Geschäftsführerin zur Alleinerbin ein. Zuvor hatte die Erblasserin ein privatschriftliches Testament zugunsten ihrer Nichte errichtet. Aufgrund des Erbvertrages erhielt die Geschäftsführerin des Pflegedienstes einen Alleinerbschein. Anschließend teilte das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde dem Nachlassgericht mit, dass es einen möglichen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HGBP prüfe. Da die erforderliche Ausnahmegenehmigung gem. § 7 Abs. 4 HGBP hinsichtlich des Erbvertrages fehlte, wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Der Erbschein wurde als unrichtig eingezogen, wogegen die Geschäftsführerin des ambulanten Pflegedienstes Beschwerde einlegte.

Entscheidung | OLG Frankfurt a.M. 21 W 67/14

Das OLG Frankfurt a.M. versagte der Beschwerde den Erfolg. Der Erbvertrag ist nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 HGBP nichtig. Diese Vorschrift ersetzt § 14 HeimG. Beide Vorschriften verfolgen denselben Schutzzweck und sollen verhindern, dass Hilf- und Arglosigkeit alter, pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt wird. Laut § 7 Abs. 2 S. 2 HGBP erstreckt sich der Anwendungsbereich des Verbots auch ausdrücklich auf ambulante Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen sowie deren Leitung. Der ursprüngliche Anwendungsbereich von § 14 HeimG ist damit erweitert. Wird ein Mitarbeiter oder Leiter dieser Einrichtung zum Erben eingesetzt, wird widerleglich vermutet, dass die Erbeinsetzung in Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten aus dem Pflegevertrag erfolgt. Diese Vermutung konnte von der Geschäftsführerin nicht widerlegt werden. Auch die Zeugen ließen nicht die erforderliche Sicherheit aufkommen, dass kein Zusammenhang zwischen Erbeinsetzung und Pflegeleistung bestand. Wegen der Mitwirkung der Geschäftsführerin am Erbvertragsschluss konnte sie auch eine Unkenntnis von der Erbeinsetzung nicht geltend machen. Die Unkenntnis der Geschäftsführerin von § 7 HGBP stellt lediglich einen unbeachtlichen Rechtsirrtum dar. Für § 134 BGB genügt die objektive Verwirklichung des Verbotstatbestandes aus § 7 HGBP.

Praxishinweis | OLG Frankfurt a.M. 21 W 67/14

Soweit ersichtlich, ist erstmals auf Grund der Neuregelungen des Gesetzgebers zulasten eines ambulanten Pflegedienstes entschieden worden. Eine klare Trennung zwischen freundschaftlichen Beziehungen der Geschäftsführerin und ihren dienstlichen Tätigkeiten war nicht erkennbar und ist auch praktisch kaum nachzuweisen. Bei unklarer Beweislage geht das Verbot zum Schutz der Testierfreiheit der Erblasser vor. Die uneinheitlichen landesgesetzlichen Regelungen neben der teilweisen Fortgeltung des Heimgesetzes in einigen Bundesländern führen aktuell dazu, dass künftige Erbeinsetzungen der genannten Art in einem Bundesland erlaubt sind, in anderen nicht. Zur Vereinheitlichung des Rechts sollte der Gesetzgeber dies ändern oder klarstellen, ob und inwieweit das Verbot neben Leitern und Mitarbeitern von Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten auch Personen, die zuhause private Pflegedienste leisten, erfasst oder nicht. Auch wenn die Entscheidung de lege lata richtig ist, ist sie aufgrund der aktuell unterschiedlichen Gesetzeslage in den Bundesländern derzeit (noch) als Einzelfall zu betrachten.