BGH III ZR 292/14
Rücktrittsrecht, sachlicher Grund und Beweislastverteilung bei Unterschreiten der Zwei-Wochen-Frist

22.12.2015

Notizen zur Rechtsprechung

Gericht:
Datum:
Aktenzeichen:
Fundstelle:

BGH
25.06.2015
III ZR 292/14
NotBZ 2015, 377

Leitsatz | BGH III ZR 292/14

1. Die Vereinbarung eines freien Rücktrittsrechts in einem notariellen Kaufvertrag rechtfertigt es nicht, dass der Notar die Beurkundung ohne Einhaltung der Regelfrist von zwei Wochen nach §17 Abs. II a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (hier: in der Fassung vom 23.7.2002) vornimmt. (amtlicher Leitsatz)

2. Nimmt der Notar die Beurkundung trotzdem vor, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Käufer, wenn der Notar die Beurkundung abgelehnt hätte, diese nach Ablauf der Regelfrist genauso wie geschehen hätte vornehmen lassen. (amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt | BGH III ZR 292/14

Der Kläger hat in seiner Eigenschaft als Verbraucher eine Eigentumswohnung von einem Unternehmer gekauft. Im Vorfeld der Beurkundung wurde ihm durch den Notar kein Vertragsentwurf übersandt. Im Eingang der Urkunde wurde von den Beteiligten durch den Notar ein ausdrücklicher Verzicht auf den §17 II BeurkG und der sofortige Beurkundungswillen des Käufers aufgenommen. Um der Schutzwirkung des §17 II BeurkG trotzdem gerecht zu werden wurde im Vertrag den Parteien ein voraussetzungsloses, auf 5-Wochen befristetes, Rücktrittsrecht eingeräumt. Erstmalige Besichtigung der Kaufsache fand einen Monat nach Beurkundung statt, das vertragliche Rücktrittsrecht wurde nicht ausgeübt.

Der Kläger erhebt nun Jahre später eine Schadensersatzklage in Höhe des Kaufpreises Zug um Zug gegen lastenfreie Übereignung der Kaufsache wegen Verletzung der Amtspflicht durch den Notar. Der Kläger führt an, dass er bei Einhaltung der gesetzlichen Regelungen (Zwei-Wochen-Frist) die Wohnung nicht erworben hätte.

Entscheidung | BGH III ZR 292/14

Die Klage wird abgewiesen. Der Notar hat durch den Verzicht auf die Zwei-Wochen-Frist jedoch eine Pflichtverletzung begangen. Es kann nicht durch ein Rücktrittsrecht der Schutzzweck der Zwei-Wochen-Frist erreicht werden. Entscheidend ist, dass das Rücktrittsrecht eine bedeutend höhere Hemmschwelle voraussetzt: Hier hat der Verbraucher nur die Wahl in Gänze vom Vertrag zurück zu treten, Kosten für den Notar und Bankgebühren (evtl. Vorfälligkeitsentschädigung) führen zu einer zusätzlichen Belastung. Bei Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist kann der Verbraucher generell noch inhaltlichen Einfluss auf den Kaufvertrag nehmen und bei einem finalen Rücktritt vor der Beurkundung entstehen nur die Entwurfsgebühren, je nach Kostenregelung, für den Verbraucher.

Ebenfalls stellt der BGH klar, dass, entgegen Meinungen aus der Praxis, eine Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung (Unterschreitung der Zwei-Wochen-Frist ohne sachlichen Grund bzw. anderweitiger Übereilungsschutz) und Schaden (Beurkundung Kaufvertrag) besteht. Allerdings ging der Willen des Gesetzgebers

„nicht soweit, den Notar zum „Ausfallbürgen" des Verbrauchers für fehlgeschlagene wirtschaftliche Investitionen zu machen [sic!] . Der Notar kann sich also darauf berufen, der Käufer hätte, wenn der Notar die Beurkundung abgelehnt hätte, diese dann nach Ablauf der Regelfrist genauso wie geschehen vornehmen lassen. Für diesen hypothetischen Verlauf trifft aber den Notar die Darlegungs- und Beweislast.“ - BGH, 25.06.2015 – III ZR 292/14, Rn. 21

Somit kann sich der Notar im Rahmen der erleichterten der erleichterten Darlegungs- und Beweislast des §287 ZPO entschuldigen, falls er dadurch darlegen kann, dass der Kaufvertrag auch bei der Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist abgeschlossen wäre. Hierbei sind Erwägungen zum Rücktrittsgebahren des Käufers und zur Verbindlichkeit der Finanzierung o.Ä. zu berücksichtigen.


Praxishinweis | BGH III ZR 292/14

Das Urteil entspricht der h.M: die Zwei-Wochen-Frist ist nur im absoluten Einzelfall abdingbar, wenn sachliche Gründe vorliegen, die eine Beurkundung zu einem späteren Termin unmöglich machen oder den Verbraucher unverhältnismäßig stark belasten oder wenn dem Übereilungsschutz anderweitig Rechnung getragen wird. Dies ist wie erwartet durch ein Rücktrittsrecht nicht möglich.

Die Zwei-Wochen-Frist bleibt eine gesetzliche Regelfrist auf die nicht verzichtet werden kann.